Monte Zeda (2156 m) - drei Tage über dem Val Pogallo


Publiziert von 83_Stefan , 30. August 2018 um 22:07.

Region: Welt » Italien » Piemont
Tour Datum: 6 August 2018
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K1 (L)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 2600 m
Abstieg: 2600 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Verbania über Rovegro auf abenteuerlicher Straße nach Cicogna. Kostenfreier Parkplatz im Ort.
Unterkunftmöglichkeiten:Rifugio Pian Cavallonoe (1528 m, CAI Verbania), Bivacco all' Alpe Fornà (1741 m).
Kartennummer:Kompass online.

Mit Ausnahme von zwei kleinen Siedlungen herrscht in den beiden Tälern Val Grande und Val Pogallo Wildnis und Abgeschiedenheit. Der Kernbereich des Nationalparks Val Grande ist nur schwer zugänglich, lediglich durch lange Fußmärsche kann man sich Eintritt in diese andere Welt verschaffen, in der die Zeit rückwärts zu laufen scheint. Steige, einige Brücken und alte Almgebäude aus Stein als Biwakplätze - recht viel mehr Spuren der Zivilisation werden einem dort oben nicht begegnen. Die vermutlich schönste Unternehmung in diesem Gebiet stellt der Sentiero Bove dar, der auf dem Hauptkamm der umgebenden Bergkette entlang führt. Dieser Tourenbericht beschreibt die Begehung des östlichsten Teils des Weges vom Pian Cavallone bis zum Monte Torrione mit Start- und Zielpunkt Cicogna. Die Tour ist ausgelegt auf drei Tage: Während die erste Nacht in einer bewirtschafteten Berghütte auf der Grenze des Nationalparks verbracht wird, dient eine Biwakhütte in der zweiten Nacht als Quartier.

Bereits die Auffahrt mit dem Auto in den kleinen Weiler Cicogna über die äußerst schmale, kurvige Bergstraße ist ein Abenteuer und man gewinnt schnell die Überzeugung, dass die Bewohner der Gegend deswegen so gläubig sind, damit sie auf derartigen Strecken mit der Unterstützung der Gottesmutter rechnen könnten. Auch dem Touristen wird hier das ein oder andere "Oh mein Gott!" respektive anderssprachige Pendent entfahren, wenn mal wieder Gegenverkehr auftaucht. Zur Überraschung aller findet sich im Ort ein offizieller Parkplatz, aber wenn der voll ist, parkt man halt in den wenigen Ausweichbuchten. Der Herr wird's schon richten... Wer sich hier schon am Rande der Erdscheibe wähnt, der entdeckt in den kommenden Tagen, dass es noch wesentlich abgelegener geht.

Vom offiziellen Parkplatz geht es die (natürlich einzige) Teerstraße wieder runter zum Ortsanfang, wo in der (natürlich einzigen) Kehre der Weg ins Val Pogallo abzweigt. Diesem folgt man ein kurzes Stück zu einer Verzweigung. Der Steig zum Rifugio Pian Cavallone verlässt hier den Weg und führt steil im Wald nach unten, bis man endlich am Rio Pogallo angekommen ist. Einige schöne, alte Steinhäuschen wurden dem Verfall preisgegeben. Am Fluss findet sich eine alte Brücke, über die man problemlos auf die andere Seite kommt - man sollte sich hierüber freuen und nicht über die Tatsache ärgern, dass man soeben über 250 Höhenmeter Verlust gemacht hat.

Jenseits leitet der Steig zunächst etwas oberhalb des Bachlaufs nach Norden, steilt dann etwas auf und quert schließlich hinüber zu einem Rücken, der vom Pizzo Pernice herunter zieht. Ihm folgt man durch dichten Wald nach oben, hin und wieder wird eine Gruppe verlassener Steinhäuschen passiert. Der Steig ist stets gut zu finden und in unregelmäßigen Abständen finden sich Hinweise, wo man sich gerade befindet. Schließlich wird der Wald verlassen und man erreicht die Freifläche der Alpe Curgei, wo sich eine Biwakhütte befindet. Der Steig schwenkt nach Osten ab und leitet wieder im Wald hinüber zum Verbindungskamm zwischen Pizzo Pernice und Pian Cavallone.

An der beschilderten Verzweigung hält man sich links und steigt auf dem freien Kamm hinauf zum Pian Cavallone, einem unscheinbaren Gipfelchen in der Nähe der gleichnamigen CAI-Hütte. Hier hat man den anstrengenden Teil geschafft: Auf deutlichem Steig geht es hinunter in den Sattel mit der Kapelle und dort noch ein paar Meter nach rechts weiter zur bereits am Gipfel deutlich sichtbaren Hütte. Diese erweist sich schnell als sehr gemütlich und brauchbar ausgestattet. Hier ist überhaupt nichts los und so kümmert sich das gesamte Zwei-Mann-Hüttenpersonal um seine einzigen Gäste, während draußen das Unwetter losbricht, das die gesamte Nacht lang wütet.

Am nächsten Tag stehen bereits am Morgen die Wolkentürme über dem Lago Maggiore, der im Süden grüßt. Man folgt dem Steig hinüber in den Sattel mit der Kapelle. Von hier aus leiten deutliche Steigspuren völlig unschwierig auf den unbedeutenden Monte Todano. Hier zeigt sich vor allem der Weiterweg recht instruktiv.

Auf Steigspuren geht es am Grat nach Norden steil hinunter in den Sattel. Hier trifft man wieder auf den offiziellen Steig, der die in Ostflanke der Cima Cugnacorta quert, um schließlich endlich über Stufen und am Drahtseil wieder nach oben auf den Grat zu leiten. In diesem Abschnitt ist der Steig von teilweise hüfthohem Gras und mannshohen Erlen überwuchert. Man muss aufpassen, dass man nicht daneben tritt, denn die Flanke ist ziemlich steil.

Es folgt der Passo del Diavolo, aber so wirklich teuflisch ist er nicht - beim Überqueren der etwas engeren Stelle hilft eine Kette den ängstlichen Naturen, danach folgt man dem wieder breiteren Grat hinauf zum Pizzo Marona, wo eine Kapelle steht. Bei gutem Wetter sieht man von hier oben nicht nur den nahen Monte Zeda, sondern auch die weiteren Berge der Talumrahmung aus schöner Perspektive.

Der Steig leitet meist knapp unterhalb des Grats auf der Ostseite hinüber zum Gipfelaufbau des Monte Zeda, wo man auf den deutlich stärker frequentierten, weil deutlich kürzeren Anstieg von Osten trifft. Man folgt dem breiten Steig am Kamm sowie in der gutmütigen Grasflanke hinauf zum höchsten Punkt der Tour (Gipfelkreuz und -buch). Der Ausblick vom Monte Zeda ist bei entsprechendem Wetter hervorragend, da er deutlich freier als die noch etwas höhere Cima della Laurasca steht. Vor allem die Umrahmung des Val Pogallo wie der Lago Maggiore wissen zu punkten. Der Monte Zeda ist wegen seines relativ kurzen Anstiegs von Osten auch der mit Abstand am stärksten frequentierte Gipfel dieser Tour.

Der Abstieg folgt dem Weg, der direkt am Ostkamm hinunter führt. Wo das Gelände flacher wird, verlässt man ihn nach links und steigt auf markiertem Steig nach Nordwesten hinunter ins begrünte Hochkar unter dem Gipfel, eine Felsstufe wird auf breiter Trasse und gesichert mit Ketten erstaunlich einfach überwunden. Der Steig leitet anschließend wieder deutlich bergauf zum bereits vom Gipfel des Monte Zeda sichtbaren Bivacco all' Alpe Fornà, wo man die Nacht verbringt. Das Biwak ist ausgestattet mit Liegen (keine Decken, Schlafsack obligatorisch!), Sitzgelegenheiten, Spielkarten, Geschirr, Töpfen und einem Gasherd inklusive Gasflasche. Alles in allem recht luxuriös. Vor der Hütte gibt es an einem Brunnen Wasser.  Es wird an dieser Stelle aber dringend empfohlen, genug zu essen mitzubringen - zwar sind Ziegen in ausreichender Anzahl vorhanden (hunderte!), aufgrund der Größe ihrer Hörner würde der Bergsteiger aber wohl eher den passiven Part in einer etwaigen Auseinandersetzung übernehmen. Vielmehr muss man aufpassen, dass sie einem nicht die Brotzeit stehlen - diverse Versuche konnten unsererseits in energischer Art und Weise in letzter Minute abgewehrt werden. Sogar alte Spielkarten scheinen sie mit Genuss zu verspeisen - zwei Joker wurden offenbar schon aufgefressen. Abends blickt man vom Biwak hinunter zur kleinen Ortschaft Falmenta, sonst sieht man kaum etwas von der Zivilisation. Was für ein schöner, ursprünglicher Ort! Das nächtliche Gewitter mit seinen gewaltigen Donnerschlägen verstärkt das Gefühl der Abgeschiedenheit noch weiter.

Der dritte Tag ist technisch sowie konditionell wesentlich anspruchsvoller als die beiden ersten Tage. Man sollte früh aufbrechen und die Überschreitung nur bei sicherem Wetter beginnen. Bei Nässe sind die Passagen im steilen Gras gefährlich, bei einem Gewitter am Grat gibt es kaum Rückzugsmöglichkeit. Am Steig geht es in nördlicher Richtung hinauf zu einem Seitenkamm, dem man nach oben folgt. Von "Steig" kann man kaum sprechen, es gibt lediglich (markierte) Trittspuren, die teilweise lästig überwuchert sind. Links und rechts geht es meist steil runter, man muss im mannshohen Gestrüpp also gut aufpassen und kommt nur sehr langsam voran. Nässe ist auch nicht gerade förderlich. Schließlich erreicht man den Hauptgrat, auf dem es rechts weiter geht. Nach einer Zwischenerhebung wird das Gelände schließlich einfacher und am nun gutmütigen Grat steigt man hinüber zum Gipfelaufbau von La Piota. Zunächst recht gutmütig, weiter oben deutlich steiler geht es hinauf auf diesen hübschen Aussichtsberg, auf dem man das restliche Tagesprogramm gut einsehen kann. Hier wäre ein Notabstieg nach Nordosten möglich.

Die folgende Überschreitung der Cima Crocette sollte nicht bei Nässe durchgeführt werden. Es gibt nur wenige (aber markierte) Spuren, die teilweise am Grat, teils in der sausteilen, felsdurchsetzten Grasflanke entlang führen. Wegen des hohen Grases muss man höllisch aufpassen, nicht ins Leere zu treten - dieser landschaftlich hervorragende Abschnitt duldet keinen Ausrutscher. Von der letzten Graterhebung (Cima Crocette) geht es dann relativ gutmütig hinunter zum Passo delle Crocette, wo wieder ein Notabstieg nach Nordosten möglich ist.

Jetzt beginnt der Anstieg zum letzten Gipfel und der bringt nochmals Würze in die Unternehmung. Man folgt dem mit "Monte Torrione" ausgeschilderten Steig versichert in eine Felsschlucht hinein. Den Ketten nach geht es steil in der Schlucht nach oben, bis wieder Wandergelände erreicht wird. Weiter oben folgen noch zwei weitere mit Ketten versicherte Passagen, bei denen man Hand anlegen muss.  Die letzten Meter zum höchsten Punkt gleichen einem Schaulaufen auf dem gutmütigen Gipfelkamm. Der Monte Zeda beherrscht den Blick zurück, im Westen regiert die Cima della Laurasca.

Der nun folgende Abstieg zur Bocchetta di Terza ist deutlich einfacher, aber auch nicht ganz ohne. Man folgt den Markierungszeichen in der Südostflanke bergab. Der Steig quert im Auf und Ab unterhalb der Grathöhe die Flanke in südwestlicher Richtung, Markierungen sind stehts vorhanden. Kurz vor dem Erreichen des Sattels legt sich das Gelände zurück und durch eine Wiese wird die Wegkreuzung am Sattel erreicht. Beim Blick zurück beeindruckt der eben erstiegene Monte Torrione mit seinem steilen Gipfelzacken.

Am breit ausgetretenen Wanderweg geht es nun entspannt auf einem begrünten Rücken, dann im Wald hinunter zum Weidefleck der Alpe Terza, danach leitet der Steig hinunter zu einem Bach, der überschritten wird (Vorsicht, Spuren laufen im Wald weiter, sind aber falsch). Auf der anderen Bachseite wird bald das Bivacco Alpe Pian di Boit erreicht. Hier könnte man rustikal übernachten, ein Brunnen mit frischem Wasser ist vorhanden.

Wer noch nach Cicogna absteigen möchte, hat noch einen weiten Weg vor sich. Dieser leitet am dicht bewaldeten Rio Pianezzo abwärts, dabei wird der Bach mittels einer Brücke überquert. An einer Verzweigung hat man schließlich die Qual der Wahl und muss aus zwei Wegen nach Cicogna wählen - der obere Steig via Pogallo (laut Beschilderung fünf Minuten länger) ist zu empfehlen, da er bei einbrechender Dunkelheit gut zu finden ist. Schließlich wird der Rio di Ghina auf einer alten Brücke überschritten und der Weg leitet hinauf nach Pogallo. 

Von hier darf man sich noch auf einen langen, aber unschwierigen Rückweg nach Cicogna am bestens ausgebauten Wanderweg einstellen, der mit Felsplatten gepflastert sogar eine Felswand hoch über dem Rio Pogallo quert. Bis nach Cicogna bleibt man an allen Verzweigungen auf dem breiten Hauptweg.

Schwierigkeiten:
Von Cicogna zum Rifugio Pian Cavallone: T2 (technisch unschwierige Steige meist im Wald).
Via Pizzo Marona und Monte Zeda zum Bivacco all' Alpe Fornà: T3+ (in der überwucherten Querung unter der Cima Cugnacorta).
Über La Piota zum Passo delle Crocette: T5-, I (markierte, aber teilweise nahezu nicht vorhandene Wegspuren in steiler, felsdurchsetzter Grasflanke).
Aufstieg zum Monte Torrione: L (Klettersteig), T4+, I (versicherter, steiler Anstieg durch eine Schlucht).
Abstieg zur Bocchetta di Terza: T4- (steile, felsdurchsetzte Flanke).
Via Val Pogallo zurück nach Cicogna: T2 (im oberen Bereich, ab Pogallo T1 auf breitem Wanderweg).

Fazit:
Die 5*-Unternehmung überzeugt durch ihre Einsamkeit und Wildheit, stellt allerdings auch erhebliche Anforderungen an die alpinen Fertigkeiten und die Kondition des jeweiligen Begehers. Zudem sollte die Tour nur bei sicherem Wetter angegangen werden - auf weiten Strecken gibt es kaum eine Rückzugsmöglichkeit vom schmalen Grat. Die steilen Grashänge vor allem an der Cima Crocette sind bei Nässe gefährlicher als so manche T6-Tour bei guten Bedingungen. 

Mit auf Tour: Francesca.

Anmerkung:
Die auf den Schildern angegebenen Gehzeiten sind großteils völlig utopisch und auf den eingewachsenen und kaum erkennbaren Steigen nicht annähernd einzuhalten. Anstelle diese völlig unrealistischen Zeiten aufzudrucken, hätte man sich die Angaben besser sparen sollen. Bitte von ihnen nicht verführen lassen!

Kategorien: Tessiner Alpen, Mehrtagestour, Biwak, Klettersteig, 5*-Tour, 2100er, T5.

Tourengänger: 83_Stefan


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Kommentare (2)


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DanyWalker hat gesagt: Toller Bericht
Gesendet am 31. August 2018 um 14:05
Interessante Wanderung und sehr lebhaft und witzig geschrieben. Danke dafür.
Gruss Dani

83_Stefan hat gesagt: RE:Toller Bericht
Gesendet am 1. September 2018 um 13:45
Hallo Dani, vielen Dank! Ich habe die menschenverlassene Gegend um das Val Grande auch erst heuer entdeckt. Ich werde sicherlich noch öfter dort hin fahren. Schöne Grüße!


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