Seltene Überschreitung vom Studerhorn 3638m zum Oberaarhorn


Publiziert von alpensucht , 16. September 2017 um 13:36.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Oberhasli
Tour Datum: 2 August 2017
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 800 m
Abstieg: 800 m
Strecke:ca. 8km

In der Nacht schlägt der Sturm Böen gegen die Oberaarjochhütte. Es ist ziemlich mild, es bleibt deutlich über 0°C. Der Sonnenaufgang empfängt uns draußen, als wir gegen 6:30 Uhr vor die Hütte treten.


Oberaarjochhütte - Oberes Studerjoch  I, L, 1h 45min

Die steilen Felsen hinab ins Joch sind schnell überwunden. Während Thorbjörn seinen Pickel holt, bereiten wir beiden anderen unsere Gletscherausrüstung vor. Gegen 7 Uhr sind wir bereit zum Aufbruch. Bereits unterhalb des Jochs gibt es gefährliche Spalten. Wir halten auf schwachen Spuren auf die Senke im Studergletscher zu in Richtung Finsteraar-Südgrat. Der Gletscherboden wird quasi parallel zum Grat (Studerhorn-Oberaarhorn) hinter zum Oberen Studerjoch (L) durchquert. Die Ausmaße des Gletschers unterschätzen wir etwas und gelangen erst nach dem weiten Bogen nach Norden gegen 8:45 Uhr das Joch. Einige Zeit benötigen wir zum Durchatmen, Besprechen der nächsten Schritte und Staunen über die Eisbrüche der Finsteraarhorn Ostwand.
 

Überschreitung Studerhorn - Altmann  WS, II, 40° 3h

Das Seil packen wir zunächst weg. Eine kurze Felsstufe (II) führt auf den vereisten Studerhorn-Westgrat. Der steilt nach oben hin auf 35-40°. Wir gehen nach Absprache alle einzeln und ungesichert. Zwischendurch frage ich meine Hintermänner, ob sie lieber sichern wollen. Das Blankeis macht sich schnell in den Waden bemerkbar und erfordert präzises Gehen mit Vertikalzacken- oder Mischtechnik.

Ein weiterer wenig schwieriger Felsabschnitt trennt uns noch vom Gipfelgrat, der sich relativ sanft hinüber gen Westen schwingt (wieder Firn). Gegen 10 Uhr erreichen wir den wenig herausragenden Gipfel. Die Rundsicht ist trotz der vielen höheren Gipfel in der Nähe grandios. Insbesondere beeindruckt uns der Lauteraargletscher.

Nach kurzer Pause steigen wir etwas kompliziert am teils aperen und schuttigen Grat, bzw. links über riesige Spalten hinab ins Untere Studerjoch (WS, kurz bis 35°) und unschwierig zum Altmann-Gipfelpunkt (11:45 Uhr, 30min Mittagsrast)

Überschreitung Altmann - Oberaarhorn  ZS-, II, 45°  3h
Der anspruchsvollste Teil folgt nun: Erst klettern wir einzeln die brüchige Felsstufe in einer Rinne hinab (II), queren durch brüchiges Gelände hinüber zum Gratturm, von dem wir abseilen müssen (etwa 25m). 12:45 Uhr. Die Stelle ist bereits mit einer zweiten neueren Schlinge verstärkt worden. Beim Seilabziehen verhängt sich mal wieder das Ende in einer scharfkantigen Granitspalte 8m oberhalb. Zum Glück führt eine schöne Risskombination (III) in festem Fels genau dort hinauf, die ich nutze, um das Seil wieder zu holen.

Anschließend queren wir das noch zahme Gelände am Grat einige 100m, bis das Gelände aufsteilt. Wir nutzen so weit wie möglich die ausgeaperten Felsabschnitte, um möglichst weit hoch ohne Sicherungsaufwand zu gelangen. Als sich das Blankeis links von uns kompakter zeigt, baue ich einen Standplatz im Eis, bereite das Seil vor und warte auf meine Tourenpartner.
Im spröden Blankeis steige ich mit einer Zwischensicherung etwa 30m direkt auf bis zum Übergang zum glatt geschliffenen Fels.
Nun traversiere ich nach rechts und finde guten Halt an der Randkluft und mit dem Pickel. Jedoch würden Eisschrauben im Eis der hohlen Randkluft nicht viel halten. Deshalb steige ich im Fels vorsichtig zu einem vermeintlich guten Riss für einen Klemmkeil, sicher mich ein und steige etwas weiter - schwupp - saust der Klemmkeil zur letzten Zwischensicherung hinab. Jetzt Ruhe bewahren und langsam zurück ins Eis abklettern. Den Fels hier zu benutzen, ist keine gute Idee!
Im Eis quere ich so weit von der Randkluft weg, dass sie das Eis nicht mehr so hohl klingt, setze die mental entspannende Zwischensicherung und gehe die Länge aus. Meine beiden Nachsteiger meistern die Stelle gut und ohne zu meckern

In der zweiten Länge bleibe ich im steilen Blankeis (um 45°) etwa 55m bis fast zur Gratkante, wo ein guter Klemmblock für den nächsten Stand liegt. Die dritte und letzte Seillänge geht der ältere der beiden Tourenpartner vor und sichert den zweiten. In der Länge gilt es, die steile und brüchige Rinne (I-II) zu erreichen, die zur flacheren Gipfelflanke (I) führt. Das erste Stück führt nochmal über Blankeis, dann kombiniert in die Rinne, die gut gestuft verschiedene Aufstiegsvarianten bietet. Der Rest zum Gipfel (16 Uhr) ist purer Genuss und große Erleichterung, dass alles so gut funktioniert hat.

Abstieg zur Hütte  T4, I  1h 
Nach einer ziemlich kurzen Rast treten wir den unschwierigen Abstieg an. Erst hat es weichen Schnee auf Blankeis, danach führt ein Steig markiert hinab bis zur Hütte (T4, I), die wir bis 17 Uhr erreichen.

Die von uns begangene steile Blankeisflanke zum Oberaarhorn wirkt in der Draufsicht vom Studerhorn oder unten vom Gletscher aus wie eine 60° Eiswand - selbst der Hüttenwirt spricht von einer "S-Wand" (S steht für "schwierig", nicht für "Süd" :D), was zumindest von weitem so wirkt, sich für uns aber als machbar erwiesen hat. Laut Hüttenwirt sind wir bis dahin die einzige Seilschaft dieses Jahr, die die gesamte Überschreitung vollendet hat.

Ein anderer Bergsteiger aus meinem Wohnort mit meinem (seltenen) Nachnamen hat die gleiche Tour lt. Hüttenbuch wenige Tage vor uns abgebrochen wegen der schlechten Verhältnisse. Mysteriös :)

Technisch sind wir nun wirklich gut für das Finsteraarhorn vorbereitet. Am Folgetag wechseln wir über die Weiten des Fieschergletschers zur Finsteraarhornhütte.




 


Tourengänger: alpensucht


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Kommentare (4)


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dominik hat gesagt:
Gesendet am 18. September 2017 um 15:48
Uff, da kommen böse Erinnerungen auf... Gratulation zur erfolgreichen Tour!

alpensucht hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. September 2017 um 21:25
Ja danke dir! Nicht nur wegen deines Tourenberichts hatten wir ordentlich Respekt vor der Unternehmung!

Die Verhältnisse da werden in den nächsten Jahren vermutlich nicht besser, je länger der Sommer dauert. Wahrscheinlich wir die Tour objektiv weniger gefährlich, wenn man deutlich früher im Jahr geht, nach einer Nacht deutlich unter Null und dann sehr früh startet und sehr schnell ist... Also eigtentlich wie fast immer ;)

lorenzo hat gesagt: Klasse!
Gesendet am 18. September 2017 um 20:37
Gratuliere zu der gelungenen Tour, dem informativen Bericht und den tollen Fotos!

lorenzo

alpensucht hat gesagt: RE:Klasse!
Gesendet am 19. September 2017 um 21:34
Vielen Dank dir. Das tut immer gut, wenn ein Bericht länger als normalerweise benötigte - und erst recht ein Lob von anderen Hochtourengehern...


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