Geierrast 2801m - Tanzmaus und Wühlmaus

Beim Aufstieg ins Mühlbacher Talile fällt sofort ein markanter Zacken ins Auge, Halbwissende nennen ihn Geierrast. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich der beeindruckende Zacken als Vorgipfel der Schwarzen Wand und kann vom Mühlwalder Jöchl in wenigen Minuten quasi im Vorbeigehen erreicht werden. Die wahre Geierrast dagegen verliert sich in der Bedeutungslosigkeit und wird allerhöchstens gelegentlich vom Oberwielenbacher Tal aus bestiegen. Unsere Variante durchs Mühlbacher Tal ist möglich, beeinhaltet aber beträchtliche Gegenanstiege und verlangt Tanz- und Wühlfertigkeiten in lockerem Schiefergeröll und losen Schotterrinnen.
Zunächst steigen wir mit den Aspiranten zum Morgenkofel an, angespornt von dem Buch "Einsame Gipfel in Südtirol" ist er zur Modetour geworden und verdient diesen Namen inzwischen nicht mehr. Wir lassen die Renner mit ihren Turnhosen und Trinkrucksäcken ziehen und zweigen in die wahre Einsamkeit ab. Denn seit dem Ansturm auf den Morgenkofel verwaist der Steig zum Mühlbacher Jöchl, meno male.
Auf ca. 2700m zweigt die Markierung zum Geierrastjöchl ab, kaum noch als solche zu erkennen und so gut wie nie begangen. Für einen vertretbaren Aufstieg zur Geierrast wechseln wir auf die Oberwielenbacher Talseite und queren knapp unter den Osthängen der Geierrast abwärts. Eine erste Rinne sieht verlockend aus und wir steigen ein. Sie endet allerdings im Nirwana, bzw. zwingt uns zu einem erneuten Wechsel auf die Westseite. Deutliche Gamsspuren versprechen Gipfelglück und tatsächlich erreichen wir in wildem, aber unschwierigem Gelände (I+) den höchsten Punkt und einen beachtlichen Steinmann.
Sofort wird klar, dass er von Oberwielenbacher Seite aus leichter erreichbar ist, aber der Apfelstrudel im Mühlbacher Badl ist einfach unübertroffen. Also wieder hinüber ins Mühlbacher Tal, aber wie? Von einer früheren Exkursion ist mir eine Rinne vor der Roten Nase in Erinnerung, die eine  Seitenwechsel ermöglicht. Es beginnt die Zeit der Tanzmäuse und eine lange Querung über einen haarsträubenden Schotterhang, voller losem Schiefer und Wackelsteinen. Mit Erreichen der sandigen Rinne mutieren wir später zu den besagten Wühlmäusen und krabbeln durch das haltlose Geläuf in die nächste Scharte.
Durchatmen, mit dem Blick in die Gegenseite sieht man schnell, hier stehen auch für Menschenbeine keine unüberwindbaren Hindernisse mehr im Wege, Zeit für eine ausgiebige Rast.
Wir folgen angedeuteten Tier- und Wegspuren, steigen an den Ruinen einer aufgelassenen Hütte vorbei und sichten bald den alten, ehemals sogar markierten Steig zur Unterwangeralm. Spärlich mit Steinmännern versehen schlängelt er sich durch das Alpenrosengebüsch bis zum Forstweg. Wir richten die Garderobe und lassen uns auf die Terrasse am Badl treiben. Perfekt getimt, Dora bringt uns den noch ofenfrischen Apfelstrudel. Unser Herz tanzt, während wir uns mit der Gabel durch den zarten Mürbteig wühlen.