Drei mal ex im Erzgebirge II


Publiziert von lainari , 8. Juli 2017 um 22:14.

Region: Welt » Tschechien » Krušné hory
Tour Datum: 1 Juli 2017
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 4:45
Aufstieg: 260 m
Abstieg: 260 m
Strecke:14 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Zug der ČD (nur am Wochenende) bis Měděnec
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 4 Krušné hory Karlovarsko

Verschwunden: Orpus, Dörnsdorf und Köstelwald
 
Trotz etwas wechselhafter Wetteraussichten starte ich am frühen Morgen zu einer Tour auf den tschechischen Erzgebirgskamm. Unterwegs erlebe ich nach kurzer Zeit einen herrlichen Sonnenaufgang. Über angenehm leere Straßen komme ich gut voran. Ich parke das Auto auf einem kleinen Parkplatz an der Flanke des Mědník (Kupferhübel) bei Měděnec (Kupferberg). Es ist windig und relativ frisch, bietet dadurch eine angenehme Lauftemperatur und ist insektenfrei (bzgl. lästigen Fliegen, Mücken und Hirschläusen). Bei exzellenter Fernsicht erkunde ich die vom Bergbau gezeichnete Anhöhe. Zu Hochzeiten der Erzförderung, deren Beginn im 10. Jh. vermutet wird, sollen hier auf kleinstem Raum bis zu 70 Stollen und Schächte in Betrieb gewesen sein. Dass die Kaple Neposkvrněného početí Panny Marie (Kapelle Zur unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria) noch unbeschädigt auf dem Gipfel thront und noch nicht in die Tiefe gerissen wurde, grenzt an ein Wunder. Wunderbar ist auch der herrliche Ausblick, der von Wilhelm von Humboldt bei einem Besuch als einer der schönsten Aussichtspunkte Europas gepriesen wurde. Nach ausgiebiger Betrachtung kehre ich zurück zum Parkplatz und gehe gegenüber auf einem Flurweg weiter. Hinter der Bahnstrecke suche ich mir auf einem Weg um das Gelände der Magnetitgrube (1968-1992) und anschließend weglos einen Zugang zur großen Pinge. Diese entstand erst in der Neuzeit durch den schlagartigen Verbruch alter Abbaue und war Anfang der Neunzigerjahre noch ein trockener Trichter, heute ist sie wassergefüllt. Durch die unterirdische Druckwelle entstanden einige Schäden an den Bergwerksanlagen. Da das Ereignis glücklicherweise außerhalb der Betriebszeit stattfand, gab es keine Opfer unter den Bergleuten. Zurück am Weg an der Bahnstrecke passiere ich die verwachsene Schachtpinge der Roten Suttel-Zeche/Rote Sudelheude/Auf der Rothen Sudel. An der Kreuzung U Šachty biege ich nach rechts auf einen asphaltierten Weg ab. Dieser trägt eine gelbe Wanderwegmarkierung und führt schnurgerade bis zum einstigen Absetzbecken der Erzaufbereitung, welches in einem Bogen nach links zu umlaufen ist. Als der Wanderweg nach links abbiegt, halte ich mich geradeaus und komme in das Siedlungsgebiet der einstigen Gemeinde Mezilesí (Orpus). Der heutige tschechische Name mit der nichtssagenden Bedeutung „zwischen den Wäldern“ wurde nach dem II. Weltkrieg per Dekret verfügt. Das Areal wurde ab dem 14. Jh. zunächst bergbaulich erschlossen. Ausgebracht wurden hauptsächlich Magnetit und Hämatit sowie Kalkstein und Silber. Später siedelten sich auch dauerhaft Leute an, die meist im Bergbau tätig waren. Der Ort selbst wurde erst 1712 urkundlich erwähnt. 1930 befanden sich hier 16 Häuser mit 96 Einwohnern. Die Grube mit der längsten Betriebsdauer dürfte die Dorotheazeche (1577-1922) gewesen sein. Weiter gab es hier die Fräuleinzeche, Maria Hilfezeche, Sieben Brüderzeche, Hilfe Gotteszeche, Fischerzeche und Wenzelzeche. Die beiden letzteren Bergwerke wurden 1962-1964 im Rahmen eines Probeabbaus nochmals exploriert. Das Ende des Bergbaus dürfte neben dem Wassereinzugsgebiet der Vodní nádrž Přísečnice (Talsperre Preßnitz) auch einer der Gründe für das Eingehen der Siedlung gewesen sein. Das Bachtal der Preßnitz (Přísečnice) wurde auf dem Gemeindegebiet durch einen Damm abgeriegelt und der Bach wurde hangseitig kanalisiert vorbeigeleitet. Wahrscheinlich war hier ein weiteres Absetzbecken der Erzaufbereitung. Einige als Wochenenddomizil genutzte Häuser haben trotz alledem bis heute überlebt.
 
Nach einer kurzen Pause laufe ich hinter der Přísečnice auf einem Weg unter der Trasse einer Stromleitung weiter. Zunächst durchquere ich ansteigend ein Waldgebiet. Am Waldrand erklimme ich weglos eine markante Schachthalde/-pinge. Dann arbeite ich mich über eine Wiese zu einem Flurweg hinüber, der die auf dem Höhenrücken aufgestellten Windräder verbindet. Später nach rechts abgebogen, verliere ich an Höhe und erreiche das Siedlungsgebiet des vollständig abgetragenen Ortes Dolina (Dörnsdorf). Um den Weg an der Straße nur einmal begehen zu müssen, bleibe ich hinter der heute bewaldeten einstigen Siedlungsfläche und laufe kräftezehrend durch eine hohe Wiese bis zu einem Flurweg, der das Tal bergwärts verlässt. Hier erinnert ein Holzkreuz an den einstigen Friedhof des Ortes. In der 1431 erstmals urkundlich erwähnten Gemeinde wurde auch Bergbau betrieben. Hier befand sich das ertragreiche Silberbergwerk Maria Kirchenbau-Zeche. Die prosperierende Gemeinde hatte 1930 eine Größe von 154 Häusern und 965 Einwohnern blutete durch die Vertreibung der Sudetendeutschen aus und wurde 1979 aus dem Einzugsgebiet der schon erwähnten Talsperre entfernt. Nun gehe ich am Straßenrand als rot markierte Wanderroute bergwärts und sehe dabei diverse gerettete Kleindenkmale. Sonstige Spuren wie Mauer- und Fundamentreste sind zu dieser Jahreszeit allesamt vom verfilzten Grün überdeckt. Kurz vor dem Erreichen der Kammlage durchquere ich das Siedlungsgebiet des abgetragenen Ortes Kotlina (Köstelwald). Die weitläufige Streusiedlung mit urkundlichem Beleg von 1431 hatte 1921 eine Größe von 121 Häusern mit 648 Einwohnern. Zum Eingehen der Gemeinde gelten die Ausführungen zu Dörnsdorf analog. Überlebt haben bis heute eine kleine Kapelle und drei bis vier Anwesen.
 
An der Grenze des Gemeindegebietes treffe ich auf den einstigen Bahnhof Měděnec (žst) (Kupferberg - Bahnstation). Die rot markierte Wanderroute führt nun idyllisch über Wiesenland in den eigentlichen Ort Měděnec hinüber. Ich durchquere die Ortslage und biege an der Kirche nach links ab. Am Ortsende arbeite ich mich über die Trümmerreste eines Landwirtschaftsbetriebes zu einer Taleinkerbung vor, um dort nach einem Bergbaurelikt zu suchen. Über dem Egertal einsetzender Regen setzt mich dabei unter Zeitdruck, so dass ich das Unterfangen abbreche und vorbei am Friedhof in den Ort zurückgehe. An der Flanke des Mědnik lege ich aussichtsreich eine kleine Pause ein, mit der Option mich ins Auto zurückzuziehen zu können. Zufrieden mit der Nutzung des Tages trete ich die Heimfahrt an.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 4 h 45 min.
Die absolvierte Wegstrecke ist teilweise nicht als Wanderweg markiert und mit T1 zu bewerten.

Tourengänger: lainari


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