Die Špičák’s - Von Groß bis Klein


Publiziert von lainari , 14. September 2020 um 20:39.

Region: Welt » Tschechien » Krušné hory
Tour Datum:20 August 2020
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 4:30
Aufstieg: 320 m
Abstieg: 320 m
Strecke:12,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Waldwegeinfahrt U Sládkova smrku
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 4 Krušné hory Karlovarsko

Ein Sommertag im Zentralen Erzgebirge
 
Ich starte motorisiert in der Dunkelheit in den bevorstehenden Sommermorgen. Erste Orte schalten ihre Straßenbeleuchtung wieder ein. In der Zeit zwischen Nacht und Tag ist immer auch besonders auf Wildwechsel zu achten. Jedes mal faszinierend ist für mich die Fahrt durch den, bis in den letzten Winkel illuminierten Chemiekomplex Záluží. Erste Busse und Straßenbahnen bringen mürrisch aus dem Fenster schauende Fahrgäste zur Frühschicht. In zügiger Fahrt geht es am Erzgebirgsfuß entlang. In Chomutov biege ich bergwärts und erreiche meinen Startpunkt an der Waldwegeinfahrt U Sládkova smrku. Diese ist zugleich Ausgangspunkt eines lokalen Lehrpfades. Im Schein der Stirnlampe gehe ich bergwärts und lese unterwegs die ab und an aufgestellten Infotafeln zur Waldbewirtschaftung im Erzgebirge. An einem überdachten Rastplatz sind vier Fahrräder angeschlossen, der bevorstehende Berggipfel ist also „bewohnt“. An einer nach Osten freie Sicht bietenden Lichtung warte ich kurz unterhalb des Gipfels vom Velký Špičák (Spitzberg) auf den Sonnenaufgang. Im Minutentakt ändert sich die Farbstimmung am Himmel, bis die Sonne dann schließlich am Horizont heraufkommt. Dann nehme ich den Weg über den Gipfel und erschrecke dabei eine Frau, die sich gerade neben einem Zelt etwas gedankenverloren ankleidet. Nach wenigen Metern wecke ich noch unbeabsichtigt einen Schlafsackbewohner, der unmittelbar neben dem Pfad im hohen Gras liegt. Und last but not least passiere ich einen weiteren überdachten Rastplatz mit Schlafsackschläfern. Diese haben aber einen Hund dabei, der erschrickt und wie wild losbellt - Guten Morgen Špičák - jetzt seid ihr alle wach! Ich gebe den Begeisterungsstürmen nicht allzu viel Raum und steige nach Westen vom unübersehbar vulkanisch entstandenen Berg ab.
 
Auf unmarkierten Wegen pirsche ich mich an den Fuß des Střední Špičák (Kleiner Spitzberg) heran, den ich schließlich weglos „erklimme“. Durch eine Neubenennung einer im Deutschen namenlosen südwestlich gelegenen Anhöhe auf Tschechisch, passen alter deutscher und aktueller tschechischer Name nun hier nicht mehr zusammen. Im Anschluss suche ich daher auch noch den heutigen Malý Špičák auf. Eine dort geschaffene Lichtung wird gerade umzäunt, so dass ich mich nicht allzu lange aufhalte. Ich überquere die Straße und laufe zum Areal der býv. důl Kovarska. Die Anlage des nie über das Versuchsstadium herausgekommenen Eisenerzbergwerkes geht auf Explorationsarbeiten von Mitte der 1950er bis Mitte der 1960er-Jahre zurück. Durch die erdgeschichtlich späte vulkanische Durchdringung der fertigen Erzgebirgskruste haben sich hier Skarnlinsen mit hoher Eisenmineralisation gebildet, die durchaus abbauwürdig waren. Im Zuge der Exploration mit technischen Hilfsmitteln und geophysikalischen Messungen wurden noch einige neue, in der Historie unentdeckte Lagerstätten lokalisiert, doch die damalige tschechoslowakische Plankommission stoppte das Vorhaben. So wurde der fertige Schacht als Tiefbrunnen umgenutzt. Diesem Zweck dient er noch heute. Auf dem in einiger Entfernung verlaufenden Waldweg wende ich mich in gerader Linie nach Osten. Kurz nach dem Wegende an einem Querweg gehe ich nach links und erkunde am Rande eines unbesetzten Wildgatters das Areal eines einstigen Eisenerzbergwerkes aus den 1950er-Jahren. Der dortige Schacht ist verfüllt und mit einer Deckplatte verschlossen.
 
Nun wandere ich auf einem Weg in Richtung Norden. Ein Rastplatz bietet unterwegs Gelegenheit für eine gemütliche Frühstückspause. Eine Abschrankung neben dem Weg weist später auf die býv. důl Fischer Eisensteinzeche hin, deren einstige Schächte ebenfalls verfüllt wurden. Auf der nahegelegenen Halde lassen sich brauchbare Belegexemplare von den verschiedenen Eisenerzen sammeln. Im umgebenden Areal wurde seit dem 14. Jh. Eisenerz abgebaut. Die Fischer-Zeche selbst war zwischen dem 18. Jh. und 1927 in Betrieb. Letzter Besitzer war die Firma Mannesmann aus Komotau. Die jährliche Förderleistung schwankte zwischen 220-1100 t Eisenerz, das aus einer Tiefe von bis zu 55 m abgebaut wurde. Im Rahmen der späteren Exploration wurde die Zeche noch einmal aufgewältigt und kurzzeitig im Probebetrieb unterhalten. An einem Forsthaus überquere ich die Straße und gehe auf einem Weg weiter nordwärts. An einer querenden Stromleitung biege ich nach rechts und gehe über Sommerwiesen vorbei an den einstigen Kemp- und Altvater-Teichen, die für den Bergbau angelegt wurden. An einem der Altvater-Teiche befinden sich Haldenreste eines Stollens, der zum Abbau von Wismut diente. Ich komme erneut zur Straße und biege nach rechts auf. Nach wenigen Metern gehe ich über Wiesen nach links und inspiziere die Haldenreste der einstigen Kayserlichen Schachten. Der Name gibt den Hinweis darauf, dass es sich um einen Silberbergbau zugunsten der Böhmischen Krone gehandelt haben muss. Das Areal wurde zur Entwässerung vom 1550-1590 gebauten 6 km langen Tiefen Haus von Österreich Stollen unterfahren. Dieser wurde im einstigen Ort Pressnitz (Přísečnice) angesetzt, verlief bis etwa zu den Kayserlichen Schachten westwärts und knickte dann Richtung Süden nach Orpus (Mezilesí) ab. Dieser Erbstolln war zugleich der längste seiner Art im Böhmischen Erzgebirge. Entlang der Straße laufe ich nun zum Ausgangspunkt U Sládkova smrku zurück.
 
Vor der Rückfahrt fahre ich noch ein Stück nordwärts und mache einen etwa zweistündigen Rundgang auf dem Kremsiger (Kremsiger Gebirge). Der Höhenrücken liegt zwischen den Ortschaften Kryštofovy Hamry (Christophhammer) und Černý potok (Pleil/Pleyl-Sorgenthal). Hier wurde einst intensivster Bergbau betrieben, wie auch aus dem beigefügten Laserscan (PDF-Datei) zu erkennen ist. Die Dichte an historischen Spuren macht sicher noch einmal einen weiteren Besuch lohnenswert.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 4 h 30 min.
Die absolvierte Wegstrecke ist teilweise nicht als Wanderweg markiert und mit T2 zu bewerten.

Tourengänger: lainari


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