Kurzbericht 

Phantasie und Wirklichkeit: Lichtbrenntjoch


Publiziert von ZvB , 18. Mai 2017 um 23:06.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Ammergauer Alpen
Tour Datum:17 Mai 2017
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 10:30
Aufstieg: 1370 m
Abstieg: 1370 m
Strecke:23,1km

Das Lichtbrenntjoch und der benachbarte Spieß fehlen noch in meiner Sammlung der Ammerlinge. Also nehme ich mitten unter der Woche einfach Urlaub und mache mich motiviert durch die vielen positiven hikr-Berichte auf den Weg. Um ganz genau zu sein, soll es eine Wiederholung der von Andy84 beschriebenen Runde aus dem Mai 2016 werden. Und so marschiere ich denn auch mit großen Erwartungen an einem Mittwochmorgen um halb sieben am Hotel Seespitze los.

Anfangs ist es noch etwas kühl und mir dämmert, dass der Plansee nicht deshalb dampft, weil sich sein gesamter Inhalt am Siedepunkt befindet. Noch geht es flach am See entlang und die Brücke über die Verbindung von Heiterwanger See und Plansee ist ein kleines Highlight mit schönem Blick auf den Thaneller. Am Eingang zum Pitzental bemerke ich dann, dass ich verfolgt werde. Ein Pärchen, und das bei meiner Pärchenallergie. Wie kann das eigentlich sein? Es ist Mittwoch und ich sollte der einizge mit dieser Idee sein ...

Nun denn, auf dem landschaftlich sehr schönen Weg durch das Pitzental vergesse ich die beiden schnell und erfreue mich an dem spannenden Weg über einige Sandrinnen und Bäche. Bei der Pitzenhütte genieße ich die Szenerie bei einer Pause auf der Bank. Als ich mich gerade wieder auf den Weg mache, kommt auch schon wieder die Pärchenallergie und übernimmt die Sitzgelegenheit im fliegenden Wechsel. Es ist mein Fehler, zu glauben hier allein sein zu können. Im AVF wird das Lichtbrenntjoch als Berg für Individualisten angepriesen. Dieser Tage gibt es immer mehr  Individualisten und deshalb also keine Einsamkeit am Lichbrenntjoch.

Ab der Pitzenhütte geht es richtig in die Höhe. Anfangs denkt man noch, dass der Pfad doch gar nicht so bescheiden sei, wie ihn der AVF oder die vorigen Bericherstatter darstellen. Aber wenn er sich das erste Mal verliert - oder man ihn verliert, eine Frage der Perspektive - dann freut man sich schnell über jeden blassroten Punkt oder scheinbar wahllos verteilte Stöckchen am Boden. Unten wie oben ist der Pfad brauchbar, aber in der Mitte lässt er wirklich stark nach.

Endlich oben angekommen wende ich mich zunächst nach Westen. Dort soll ja der Spieß in wenigen Minuten erreicht werden können. Na gut, 25 Minuten sind also wenig oder ist das hier wieder ein "No Mountain For Old Man"? Egal, der Ausblick und der Tiefblick hat diesen Abstecher gelohnt. Einzig die Latschen fallen mir erstmals unangenehm auf, dabei sollen sie später noch viel bösartiger werden, aber das weiß ich ja zum Glück noch nicht.

Es geht in wenigen Minuten zurück und dann auch gleich weiter in Richtung Lichtbrenntjoch. An diesem klaren Tag brennt das Licht tatsächlich auf mein Haupt. Ach ja, und die Latschen zeigen was sie können. Bei manchen Exemplaren glaube ich, dass die nur auf mich warten, um dann direkt vor mir auf den Weg zu springen. "Du kommst hier nicht rein!" Vor mir, zwischen den Latschen, erkenne ich dann zwei Köpfe. Meine Pärchenallergie hat mich während des kurzen Abstechers zum Spieß überholt. Warum verschwinden die Köpfe nur immer wieder, um dann an anderer Stelle erneut aufzutauchen? Ist das womöglich ein alpiner flashmob, bei dem immer nur zwei gleichzeitig aufstehen dürfen?

Nachdem ich durch drei Latschentunnel gekrochen bin, lässt sich auch das Rätsel der verschwundenen Köpfe rasch aufklären. Nach einer knappen Stunde seit dem Spieß erreiche ich den Gipfel des Lichtbrenntjoch. Meine Pärchenallergie hat den Gipfel bereits reichlich mit Skistöcken und getragen Socken verziert. Wer zuerst kommt, der ...
Die Aussicht vom Lichtbrenntjoch ist reichlich und gut. Dennoch will bei mir nicht so recht das Traumtourengefühl aufkeimen. Ich futzle noch die letzten Latschenreste aus dem Genick und wundere mich über den Motorradlärm aus dem Tal. Heute ist Mittwoch und eigentlich sollte nur ich hier sein...

Bald schon breche ich wieder auf und kraule durch die Latschen auf eine Höhe von ca. 1.800m hinab. Nach rechts zweigt ein Pfad ab in Richtung Spießberg und Spießbachtal. Der folgende Weg überrascht mit steilen, sandigen Rinnen und unangenehm festen Schneeresten. Es erübrigt sich festzuhalten, dass die Latschen auch nicht weniger werden und durch zahlreiche Schläge auf meinen Hinterkopf die Glücksmomente auf ein Minimum reduzieren. In dieser Passage finden sich die heutigen Höchstschwierigkeiten. T3+ ist auf jeden Fall zutreffend. Wer das bereits mit T4- bewertet, würde auch nicht falsch liegen.

Endlich etwas Entspannung am Spießberg, der durch seinen lichten Baumbestand jedoch auch keine besonderen Gipfelhochgefühle erzeugt. Ein knorriger Baumstumpf markiert seinen höchsten Punkt, findet zumindest mein GPS.

Weiter geht es durch einen Grasgraben hinab und dann auf deutlicher erkennbarem Steig nach links im Bogen durch das obere Spießbachtal. Irgendwann soll ich einen Bach queren. Aber der Weg verliert sich - oder ich ihn, eine Frage der Perspektive - und so baue ich einen unangenehmen Verhauer ein (siehe GPS-Track), in dessen Verlauf sogar mein Gesäß Wasserkontakt erhält. Hier bin ich nicht richtig! Überhaupt sind hier mehr Bachläufe, als in der Karte verzeichnet sind. Was denkt sich dieser Berg eigentlich? Und dann diese blöden Latschen. Beim nächsten Mal ergänze ich meine Bergausrüstung um Astschere und Machete.

Was für eine Freude, ich finde den in der Karte unterbrochen gepunkteten Pfad wieder. Jetzt wird es immer leichter (und auch die Latschen lassen nach). Bald ist die Mündung des Spießbaches in den Plansee erreicht. An die knatternden Motorräder habe ich mich schon längst gewöhnt und so bringe ich auch noch die verbleibende halbe Umrundung des Sees irgendwie hinter mich.

In einer Sache bin ich mir sicher: Auch wenn eine Mehrheit an diesem Einsamkeitsberg den Narren gefressen hat, ich selbst werde ihn mir nicht schönreden können, nicht einmal mit zeitlichem Abstand. Vielleicht ginge ja schöntrinken, aber daran mag ich jetzt nicht denken.

Wer mehr wissen möchte, darf sich auch gerne die Bilder anschauen. (Selbst die gefallen mir heute nicht.)

Tourengänger: ZvB


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen