Alphubel 1971


Publiziert von FJung , 14. Mai 2017 um 21:05.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:14 August 1971
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2428 m
Abstieg: 2428 m
Strecke:Saas-Fee - Längfluh - Mischabeljoch - Alphubel - Saas-Fee
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Saas Fee
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Saas Fee
Unterkunftmöglichkeiten:Längfluh, Mischabeljochbiwak

Mein Bruder Kalli, diesmal  zu Besuch mit unserer Schwester Elfie, wollte gerne nach Saas-Fee, wovon ich ihm in schillernden Farben berichtete, und wenn wir schon dort waren, wollten wir natürlich auf einen Berg gehen. Kalli war auch schon auf dem Breithorn von Zermatt, einem Viertausender, und so schlug ich den Alphubel vor, der mit seinen 4206 m unser höchster Berg werden sollte bis zu diesem Zeitpunkt.
Schon als wir Saas Fee erreichten und über dem Dorf der Feegletscher glänzte, war Kalli entzückt. Das Allalinhorn stand leuchtend über dem Gletscher, rechts davon der Alphubel, daneben stiegen die Felswände des Täschhorns, des Domes und der Lenzspitze in den wolkenlosen Himmel.
Seilbahnen führten zur Hannig, zur Plattjen, zum Felskinn und zur Längfluh. Diese Bahn wollten wir wieder benutzen. 
Ich hatte keine Lust, mit der Bahn hochzufahren und ließ meinen Rucksack bei Elfie, die ihn mit in die Luftseilbahn nahm.
Durch Arvenwald führte der Weg zum kleinen Gletschersee in 1905 m Höhe und dann auf der Moräne weiter bergan. Die Luftseilbahnen schwebten über meinem Kopf, Kalli und Elfie winkten mir zu. Links und rechts von mir war der Gletscher, und obwohl ich diesen Weg ja schon im Abstieg gemacht hatte, erschien mir alles neu, als wenn ich es noch nie gesehen hätte.
Bei der Zwischenstation der Seilbahn  trafen wir uns wieder, tranken ein Bier, und dann entschwand die Kabine mit meinen Begleitern.
Vor mir gingen zwei  Bergsteiger mit schweren Rucksäcken, es war leicht für mich, sie zu überholen. Wir wünschten uns noch einen angenehmen Aufstieg. 1 3/4 h waren seit dem Aufbruch von der Talstation verstrichen, als ich zu Kalli und Elfie auf der Längfluh traf.
Mich interessierte die Traversierung vodm Mischabeljoch, aber der Weg dorthin schien nicht leicht zu sein, denn wir mußten durch ein Felscouloir auf den Gletscher gelangen, und der Felsdurchstieg sah sehr steil aus, so daß ich dafür war, direkt in die Felsen neben dem Gletscher zu steigen. Während ich noch mit dem Fernglas die Felsen betrachtete, kamen die beiden schwer bepackten Bergsteiger bei uns an. Sie wollten auch auf den Alphubel, aber Daniel, der größere und ältere, hatte zweifel wegen seines Kameraden Jean-Marc, der noch nie geklettert war. Was lag näher als der Vorschlag, daß wir vier an einem Seil gingen, das war so doch sicherer. Daniel ging mit mir über den Gletscher bis fast zum Fuß der Felsen. Je näher wir kamen, um so weniger steil erschien er uns. Wir konnten also den Aufstieg wagen.
Durch das Fernglas erkannte ich das Mischabeljochbiwak in 3861 m Höhe, die Mischabelhütte und Weißmieshütte, auch Spuren, die zum Mischabeljoch hinaufführten.
Am Abend saßen wir mit den beiden Genfern noch beieinander und erzählten uns einiges. Sie schliefen anschließend draußen vor der Terrasse, um nicht die Übernachtung zahlen zu müssen. Es wurde für sie eine windige Nacht.
Der Wind und die Wlkenschleier am Himmel versprachen kein gutes Wetter, als wir uns anseilten. Ich ging als Erster, dann folgten Jean-Marc, Kalli und Daniel. Die Taschenlampen leucheten auf die Gletscherspalten. Trotzdem ging ich etwas zu hoch auf dem Gletscher entlang. Dadurch mußten wir an einigen großen Spalten vorbei, bis wir einen ruhigeren Teil des Gletschers erreicht hatten. Endlich sahen wir im dunkel die Felsen vor uns. Vor dem Couloir erschwere ein etwa 20 m breiter Bergschrundd en Aufstieg, wir mußten rechts in den Felsen, direkt neben den Gletscher.
Das Couloir war leicht, ohne besondere Schwierigkeiten kamen wir bei 3358 m auf den Gletscher. Wir zogen uns nun die Steigeisen an. Kalli hatte mit seinen geliehenen Schwierigkeiten, am liebsten hätte er sie in die nächste Spalte geworfen. Aber wir sollten noch genug Spalten überwinden, für die die Steigeisen nötig waren. Einmal mußte ich eine Schraube in eine Schneebrücke setzen, so lang war sie. Dazu mußte ich erst einen Meter absteigen und dabei einen  Balanceakt machen.
Der Gletscher war nun weniger steil. Daniel wollte den Gipfel direkt zwischen den Felsen und den Seraks der Ostwand angehen Aber der Himmel hatte sich bedeckt. Im Falle eines Gewitters wäre das Biwak, das wir in einer Stunde erreichen konnten, sicherer als die Eiswand, wo die Eismassen darauf warteten, abzustürzen. Wir wollten beim Mischabeljoch sehen, was wir weiter unternehmen konnten, denn nun kam Wind auf, das Wetter verschlechterte sich. 
Der Hang zum Paß erwies sich als sehr steil, wir hatten keine Spuren vor uns. Der Schnee war auch nicht hart genug; mit jedem Schritt sanken wir in die weiße Masse ein.
Schon etwa 30 m unterhalb des Passes erwischte uns der Wind und nahm uns den Atem. Das Gesicht dem Wind abgewendet, stiegen wir weiter. Wir waren froh, als wir das Seil ablegen konnten und die Leiter zur Aluminiumhütte, die an den Felsen des Täschhornes steht, emporkletterten und in die Hütte stiegen. Hier waren wir allein.
Wolken verdeckten schlagartig Längfluh und Alphubel, wir waren froh, einen Unterschlupf gefunden zu haben. Das Wetter wurde immer schlechter, der Wind heftiger, und ich hielt es für das Beste, nichts zu tun und Montag den Aufstieg zu wagen. Daniel mußte abe unbedingt wieder am Montag zur Arbeit, und nach einer Kaffeepause seilten er und Jean-Marc sich wieder an. Sie wollten den Nordgrat bezwingen, um auf der Normalroute abzusteigen. Der Aufstiegsweg war wegen der Felsen im Abstieg nicht anzuraten, der Abstieg führte nun zuerst über den Gipfel, 355 m über uns. Wir schüttelten uns die Hände, verabredeten uns für Chamonix, und ich bat Daniel, bei meiner Firma anzurufen, daß ich nicht kommen könne aus den bekannten Gründen, und er solle auch Elfie, die sich sicher auch Sorgen machte, beruhigen. Wir verfolgten sie mit unseren Augen, als sie den Grat bestiegen. Er war nicht schwierig, aber ihre Jacken flogen im Wind, und jedesmal, wenn sie Rast machten, um Luft zu schöpfen, zogen sie sich hinter windgeschützte Felsen zurück. Um 9.45 Uhr verließen sie das Biwak, um 17.15 Uhr kamen sie bei der Längfluh an, erschöpft, mit nassen Füßen und Kleidern. Im Nebel hatten sie sich in den Gletschersalten verirrt. Die Gäste im Restaurant fragten besorgt, wo wir waren, da wir doch zu viert am Morgen fortgingen. Die letzte Luftseilbahn wartete noch einige Minuten auf sie,  dann fuhren sie hinab nach Saas Fee, und Elfie  fragte sich auch, was wir dort oben jetzt wohl machten.
Wir aßen unser kaltes Hähnchen auf und tranken eine noch kältere Flascxhe Rotwein dazu. Wir konnten es uns nicht warm machen, es war kein Herd in der kleinen Hütte. Nach dem Essen gingen wir in die Lager, wir deckten uns mit allen zur Verfügung stehenden Decken zu. Es war erst 91 Uhr, als ich wach wurde. Kalli mußte ich wachrütteln, damit er nicht durchschlief. Er hätte mich sonst schon um Mitternacht geweckt, um die Tour zu machen, das wollte ich verhindern.
Der Wind war immer noch so heftig wie vorher, aber manchmal sahen wir nun die Längfluh, und später kam sogar noch die Sonne zum Vorschein.
Ich blätterte im Hüttenbuch. Seit der Erstellung der Hütte im Jahre 1965 waren nicht mehr als etwa 500 Übernachtungen zu verzeichnen, der Hauptteil der Besucher ging auf das Täschhorn oder überschritt die Mischabelkette.
Während der ganzen Nacht heulte der Wind um die Felsen, wir wickelten uns wieder in den Decken ein und wurden erst gegen 5 Uhr wieder wach. Immer noch wehte der Wind, aber der Himmel war leergefegt, nirgends war mehr eine Wolke. Als ich die Tür öffnete, schauten Fletschhorn, Laquinhorn und Weißmies in unsere Hütte hinein. Kalli machte ein Foto vom Sonnenaufgang. Danach konnte er den Film aber nicht mehr weitertransportieren, er meinte, der Mechanismus sei eingefroren. Auch später, in der Sonne, lkeß der Film sich nicht weiterdrehen, so daß er ihnzurückspulte. Da kam nun die Überraschung: Was er für ein Sonderangebot (11.40 Fr.) gehalten hatte, war ein Film für nur 20 Dias, die nun verknipst waren. Was nützte uns da das schönste Teleobjektiv, denn einen Ersatzfilm hatte er nicht mitgenommen. 
Als wir die Hütte von außen wieder verriegelten, legte sich der Wind.
Der Grat war schneebedeckt. Nur manchmal gingen wir über Felsen. Nach etwas mehr als einer Stunde traten wir auf das Gipfelplateau und gingen einer kleinen Erhebung zu. Das mußte der Gipfel sein. Es ear wirklich schwierig, ihn zu finden, denn das Plateau war sehr eben und nur an der Westseite von einigen Buckeln gekennzeichnet.
Wir waren sprachlos wegen der Sicht, auch Kalli meinte, er habe noch nie so eine umfassende und schöne Sicht gehabt. Vom Galenstock zum Rhônegletscher, dem Dammastock, dem Fieschergletscher, Finsteraarhorn und Mönch, der sehr gut zu erkennen war und aus den Bergen seiner Umgebung herausstach, zur Mischabelgruppe und dem nun gut einzusehenden Südgrat des Täschhornes war es icht weit, das Brunegghorn, Bishorn, Zinalrothorn, Weißhorn, Obergabelhorn, Dent Blanche und Montblanc grüßten von der anderen Seite des Mattertales, das Matterhorn, Breithorn, die Zwillinge, der Liskamm und das Monte-Rosa-Massiv beschlossen das Tal, dann folgten die Berge von Saas Fee: das Allalinhorn imponierte am gewaltigsten, und es erschien mir unwahrscheinlich, daß wir das steile Stück vom Feejoch bis zum Gipfel auf Skiern zurücklegten, damals im Juni. Das Rimpfischhorn und Strahlhorn vervollständigten die Kulisse, wir sahen unzählige Vier- und Dreitausender, Gletscher und Täler. wir konnten uns nicht von dieser Aussicht verabschieden.
Unter uns strebten etwa 40 Leute dem Allalinhorn zu, sie erschienen klein und unbedeutend in dieser Welt, wie wir auch.
Wir stiegen den Normalweg hinab durch die schnee- und eisbedeckte Ostseite. Eine Spur führte hinunter, wir gingen an Spalten vorbei, so groß, wie wir sie noch nie gesehen hatten, mit Eiszapfen im Innern und schmalen Übergängen. 
Aber die Längfluh kam immer näher, der Weg ging steil bergab durch dieses Labyrinth. Wir hatten Mühe, uns zurechtzufinden, denn die Genfer Spuren führten uns oft in die Irre.
Als wir das Hotel schon vor Augen hatten, mußten wir noch einmal einen großen Umweg nach links machen, dann erreichten wir die Felsen der Seitenmoräne  und ließen uns darauf fallen. Das Seil war nun nicht mehr nötig. Glücklich betraten wir die Hotelterrasse. Elfie saß weiter entfernt auf einem Felsen und schaute zum Allalinhorn, sie glaubte, wir kämen von dort.
Das Bier schmeckte uns herrlich, und weil der Tag zu schön war, ich ich noch bis nach Saas Fee gelaufen, wo Kalli und Elfie schon im Gras lagen und sich ausruhten.
Nun waren wir wieder unter Vielen, der Alphubel und das Allalinhorn herrschten wieder über den Gletschern, und ich  war froh, schon an beiden Häupter angekratzt zu haben.
Kalli empfand diese Tour als die schönste von allen, ich konnte ihm nur Recht geben, denn die letzte Tour ist immer die schönste.


Tourengänger: FJung


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