Alphubel - geplant wie zwei Halbtubel


Publiziert von Maisander , 6. November 2016 um 12:33.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum: 3 September 2016
Hochtouren Schwierigkeit: S
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 1950 m
Abstieg: 2700 m
Strecke:Täschalp - Alphubel Nordgipfel - Mischabeljoch-Biwak - Täsch
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Taxi nach Ottafe/Täschalp
Unterkunftmöglichkeiten:Mischabeljoch-Biwak

Aus beruflichen Gründen konnte ich mich am Vortag nicht wirklich ums Routenstudium kümmern, aber das ist halb so wild, da wir mit spontanen Hauruck-Aktionen bestens vertraut sind: Dass Julian und ich am Wochenende was unternehmen wollen, war schon lange klar, nur das Wohin lag bis am Samstagmittag noch in den Sternen...
 
In letzter Minute einigen wir uns auf die schon lang ersehnte Täschhorn-Dom-Überschreitung. Die Wetterprognose für Sonntag ist zwar unsicher; irgendwann soll eine Kaltfront hereinbrechen, das Wann und Wo aber ist etwa genauso vorhersehbar wie unsere Routenwahl: nämlich gar nicht. Und da eben all diese Unsicherheiten bestehen, fanden wir es eine überaus prickelnde Idee, schon am Samstag was Anständiges zu machen, um nicht einfach nur völlig temperamentfrei ins Mischabelbiwak tölpeln zu müssen. Nur für den Fall, dass am Sonntag schon am frühen Morgen Schneegriesel und stürmischer Wind um die Hütte peitschen sollten und uns nur noch der Abstieg bliebe... ja dann... dann hätten wir doch zumindest den Alphubel bestiegen!
 
Dummerweise hat unser Plan zwei Haken. Erstens ist es schon bald Mittag und da ist es durchaus denkbar, dass eine Alphubel-Besteigung noch am gleichen Tag zu einem sportlichen Unterfangen werden könnte. Zweitens - und jetzt kommt der wirklich amüsante Teil der Geschichte – ist es von Vorteil, wenn die beiden Seilschaftspartner von der exakt gleichen Route sprechen. Selbstverständlich war dies bei uns nicht der Fall. Wir wollten sehr wohl auf den gleichen Berg, aber nicht auf derselben Route...
 
Julian sprach am Telefon vom Westgrat des Alphubels, ich sprach ebenfalls vom Westgrat des Alphubels, war mir aber der exakten Terminologie nicht bewusst: Das, was ich nämlich meinte, war der Rotgrat, nur blöd, dass ich das Wort rot kein einziges Mal in den Mund nahm, denn der Rotgrat ist ja auch ein Westgrat (ok, vielleicht ein Westsüdwestgrat, aber allemal gegen Westen ausgerichtet!)
Julian aber wollte natürlich über den einzigen, wahrhaftigen Westgrat, aber eben nicht über den roten, sondern über denjenigen, der zum Nordgipfel des Alphubels führt (das mit dem Nordgipfel hat er mir jedoch verschwiegen, genauso wie ich ihm das Rot verschwiegen hatte... natürlich unabsichtlich! Sonst hätte sich ja alles geklärt).
 
Geklärt hat es sich dann aber erst im Zug, als wir noch ein wenig in unseren Routenbeschrieben rumstudierten. War das ein Erwachen! Wir konnten nur darüber lachen, denn irgendwie passte es ja perfekt zu unserer bemitleidenswerten Planung.
 
Wie auch immer; in diesem Fall war dann erneut Flexibilität gefragt. Wir schoben die Wahl auf die lange Bank; erstmal irgendwie zur Täschalp kommen, zum See hochwandern, Befindlichkeiten spüren, Tageszeit checken. Beim Weingartensee können wir dann immer noch entscheiden, ob wir nun meinen Westgrat oder Julians Westgrat machen wollen.
 
Ironischerweise fährt unser Zug zu allem Übel fast mit einer halben Stunde Verspätung in Täsch ein. Der bestellte Taxifahrer hat netterweise Verständnis dafür. Bequem erreichen wir also die Täschalp und laufen dort um fünfzehn Uhr los.
 
Da wir das Gefühl haben, wir seien noch jung, drücken wir ein bisschen aufs Tempo und erreichen nach anderthalb Stunden unseren Entscheidungspunkt: ein Pässchen östlich des Weingartensees. Nach einer erstaunlich sachlichen Diskussion einigen wir uns auf Julians Westgrat, also derjenige, welchen auf den Nordgipfel des Alphubels führt. Er sieht einladend aus, ist gänzlich aper und richtet sich praktisch vor unserer Nase auf. Gegen den Rotgrat sprach, dass ihn Julian schon einmal begangen hatte und er eigentlich einen Umweg darstellte.
 
Ich muss eingestehen, ich hatte leise Bedenken angesichts der Kletterschwierigkeit, welche mit IV+ angegeben war. Das tönt nicht nach besonders viel, doch die Erfahrung zeigt, dass solch „alte“ UIAA-Werte mit Vorsicht zu geniessen sind. Glücklicherweise hatte ich aber mit Julian einen starken Kletterer an meiner Seite...
 
Nun also zunächst über Blockschutt links um den markanten, plattigen Vorbau des Westgrats herum an den Fuss des ersten Couloirs. Dieses beginnt ziemlich genau auf 3300m und führt steil und etwas mühsam (manchmal auf Firn) in eine kleine Lücke auf dem Grat. Ab hier grundsätzlich alles dem wenig ausgeprägten Grat folgen bis auf den Nordgipfel.
 
Die Beschreibung im SAC-Führer empfanden wir im grossen und ganzen als zutreffend, bis auf zwei Ausnahmen: Es ist von zwei Türmen die Rede, einer auf 3615m und ein anderer auf 3800m. Den ersten Turm – mit einer IV bewertet – übersteigen wir unbemerkt ohne Schwierigkeiten. Dafür folgt der zweite Turm unserer Ansicht nach schon auf ca. 3700m und ist ziemlich knackig. Er weist wie beschrieben auf der rechten Seite einen schönen Riss auf, in dem sich gut mit Friends sichern lässt. Zuletzt gehts mit einem kräftigen Zug über einen reichlich ausgesetzten Absatz wieder auf die Gratkante zurück. Nach einem Zwischenstück über den teils mit nicht ganz rutschfesten Blöcken versehenen Grat gelangt man an die Platten auf ca. 4000m (IV+). Wir waren froh, dass hier einige Bohrhaken vorhanden waren, denn mobiles Absichern wäre kaum möglich. Julian stieg vor und meistert den Aufschwung eindrücklich; ich bekunde selbst im Nachstieg ordentlich Mühe, denn Klettern mit Bergschuhen auf derart feinen Tritten (meist auf Reibung belastend) ist einfach nicht mein Ding.
 
Nach einer kurzen Gehpassage folgt zuletzt nochmals eine plattige Stufe; auch diese empfinde ich als unangenehm. Dann aber sinds nur noch ein paar Schritte bis auf die Firnhaube (P. 4118m) des Alphubel-Nordgipfels. Wir montieren Stirnlampe und Steigeisen und machen uns an den Abstieg ins Mischabeljoch-Biwak, welches wir um 22.30h abends erreichen.
 
Während unserem gesamten Aufstieg begleiten uns überaus eindrucksvolle Lichtstimmungen. Es ist für uns beide eine neue Erfahrung, so spät am Tag in dieser Höhe unterwegs zu sein. Der Wechsel vom Nervenkitzel, ob wir es noch vor dem Eindunkeln über die Schlüsselstelle schaffen, zu den atemberaubenden Momenten, welche die untergehende Sonne zaubert, machte den besonderen Reiz dieser Tour aus.
 
Trotz fortgeschrittener Zeit werden wir im Biwak herzlich empfangen: wir kriegen warmen Tee serviert von zwei Berggängern, welche morgen das Täschhorn geplant haben. Eine weitere österreichische Seilschaft nächtigt im Biwak, sie geben sich allerdings sehr wortkarg und drücken sich meist nur einsilbig aus.
 
Abgesehen davon, dass ich nachts kaum ein Auge zudrücke aufgrund der Höhe, geschieht noch etwas weitaus Unerfreulicheres: Julian wird höhenkrank; ihn quälen starke Kopfschmerzen und Übelkeit. Als ich um fünf Uhr morgens aufstehe, macht er unmissverständlich klar, dass er von der für heute geplanten Tour absehen muss.
Da sich meine Energieüberschüsse ebenfalls in Grenzen halten, fällt es nicht allzu schwer, an diesem Sonntagmorgen die frühzeitige Heimreise anzutreten. Wir hatten gestern eine fantastische Tour, und wer weiss, vielleicht hätte uns die nahende Wetterverschlechterung heute noch in die Bredouille gebracht...
 
Um 7.30h brechen wir auf, wandern gemütlich über den Weingartengletscher abwärts, immer wieder aufblickend zu den geheimnisvollen Wolkenformationen und zur gegenüberliegenden Bergkette, welche laufend in einem neuen Licht erstrahlt.
 
Julian fühlt sich erwartungsgemäss besser, je weiter wir an Höhe verlieren. Eine Felspartie im Abstieg von der Moräne erfordert nochmals Konzentration, bevor wir auf den uns bekannten Weg hinunter zur Täschalp stossen. Dort unten kehren wir zuerst mal ein und treten schliesslich den letzten Abschnitt nach Täsch an, diesmal ohne Taxi.
 
 
 

Tourengänger: Maisander
Communities: 4000er auf Abwegen


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Kommentare (1)


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silberhorn hat gesagt:
Gesendet am 6. November 2016 um 18:04
Sehr witzig geschriebener. War eine Freude den ihn zu lesen.


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