Aggenstein-Südwestkante und zweimal Südostkante "Hüttengrat"

Die Südwestkante am Aggenstein (im AVF "Südgrat" genannt) ist eine lohnende Klettertour, die sehr oft begangen wird, weil sie einen schnellen Zustieg hat, oft gute Verhältnisse aufweist und mit einer III-IV-Bewertung von moderater Schwierigkeit ist. So können auch Kletterneulinge an das alpine Klettern herangeführt werden.

Ganz anders ist die Situation, wenn man die Tour frei solo klettert. Dann wird daraus ein ambitioniertes Vorhaben. Die ausgesetzten Schlüsselstellen fordern Erfahrung und eine stabile Psyche. Einmal daneben treten oder ein Griffausbruch - es wäre definitiv final. Auf dem Weg, ein besserer Bergsteiger zu werden muss man sich aber früher oder später auch höheren mentalen Anforderungen stellen und ab und zu den Komfortbereich verlassen.

Heute Morgen staune ich nicht schlecht. Meine Ex-Bergfreunde, die mir gestern Abend bereits auf der Autobahn entgegengekommen sind, haben sich den gleichen Parkplatz=Ausgangspunkt ausgesucht. Ich stell mich direkt daneben. Wo die wohl hin sind? Auf den Aggenstein jedenfalls nicht, das weiß ich spätestens nach Ankunft auf dem Gipfel. 

Aber auch sonst sind die Massen unterwegs. Auf dem Normalweg tummeln sich ca. 200 Wanderer. Die Südwandplatten sind ebenfalls stark frequentiert. Am Franz-Haff-Weg (im AVF Südkante/Südgrat) wird am frühen Nachmittag ein großer Stein losgetreten. Ein Wunder, dass nichts passiert. Meinen Plan, im Anschluss an die Südwestkante die linke Südwandplatte zu klettern verwerfe ich allerdings schon vorher. An den Einstiegen sind die Felsen noch feucht. Die Bergschuhe wollen am Einstieg erstmal geputzt werden. Die Kletterschuhe habe ich unabsichtlich nicht im Gepäck. Und dann die vielen Leute...dankenswerterweise lässt mich eine 2er-Seilschaft am Einstieg vor. Ich muss vorsichtig klettern, damit nichts hinunter fällt.
An den Graten ist es jedenfalls eindeutig nicht so gefährlich. So nehme ich mir später zum wiederholten Male den Hüttengrat vor, an dem sich auch gut die Klettertechnik trainieren lässt. Da diese Tour kurz ist und ich zurzeit richtig Lust aufs Klettern habe, steige ich nach dem Abstieg gleich nochmal in diese heute eher vernachlässigte Route und schaue mir den übertriebenen Trubel auf dem Normalweg aus der Seitenloge an.



Zur Schwierigkeit:

Südwestkante: Eine Stelle IV-, eine Stelle III+, Stellen III, oft zwischen II und III
Hüttengrat: Eine Stelle III, oft zwischen II und III
Normalweg: T 3-4 (etwas abseits von den Seilgeländern leichte Kraxelei I, aber bei weitem nicht so abgespeckt, viel angenehmer)



Zum Zeitbedarf:

Parkplatz Lumberg-Bad Kissinger Hütte: 1 Std
Bad Kissinger Hütte-Einstieg Südwestgrat: 15 min
Südwestgrat: je nach Fitness und Seilgebrauch 30-120 min
Hüttengrat: 20-25 min
Abstieg: 1 Std 10 min


Da die Routen hier schon oft vorgestellt sind erübrigt sich eine detaillierte Beschreibung. Ich habe mich an den guten Topos von bergsteigen.com orientiert und modifiziere sie zusätzlich mit einer kurzen persönlichen Einschätzung und Bewertung der Seillängen.


Südwestkante:

1. SL: II-III (Topo: III), Gras, Schrofen, Fels
Einstieg am Ringhaken, dann T 4+ auf den Grat, am Grat II-III 

2.SL:III+ (Topo: III+), Schrofen, Steilaufschwung
zunächst II, dann III, Steilstufe III+

3.SL: IV- (Topo: III+), Steilaufschwung, etwas brüchige Gratkletterei
zunächst III, dann kurz IV-, oben II 

4.SL: III- (Topo: III), Gehgelände, Platte, Rampe, Steilaufschwung
zunächst T 4 ("Frühstücksplatz"), dann entweder über die Platten links (III-) oder im Gras rechts (II, aber deutlich bröseliger; die Platten sehen anspruchsvoll aus, sind auch schwerer als die II im Topo, aber trotzdem sicherer, vor allem bei vielen Seilschaften in der Südseite), Rinne auf den Grat II- (wie im Topo). Der Steilaufschwung ist etwas einfacher als III, liegt zwischen II und III

5.SL: III (Topo: III), Querung, ausgesetzter Grat
zwei Meter hoch II, dann rechts auf Leisten II+ auf den Grat, anfangs kurz III, danach ausgesetzt, aber immer einfacher II und I bis auf den Südgipfel
Alternative: Vom Standhaken Ende 4.SL die Schrofen hoch II, oben brüchig zum Ausstieg (wurde von mir noch nicht begangen)

Bewertung im AVF: III+, überwiegend II und III (strenger Maßstab)



Hüttengrat:

1.SL: II+ (Topo: III-)
vom Haken entweder auf den linken (etwas einfacher) oder über die Rinne (alternativ rechts über die kleine Nase, "Direkteinstieg", III) auf den rechten Gratast und auf diesem hochsteigen

2.SL: II (Topo: II)
über das Gratköpfl in die Lücke vor der eigentlichen Kante (ab Gratköpfl Gehgelände T 4-)

3.SL: III (Topo: III- und II+)
immer an der Kante, Schlüsselstelle in der Mitte, kleingriffig, ausgesetzt, kann links durch schrofigen, etwas unzuverlässigen Fels II+ umgangen werden

4.SL: II (Topo: II)
weniger steil und ausgesetzt, zunehmend schrofig auf den Südgipfel

Bewertung im AVF : II (fast durchwegs), kaum leichter (strenger Maßstab)

Die Standplätze sind jeweils mit zwei Bühlerhaken eingerichtet. Zwischensicherungen gibt's nur in größeren Abständen von ca. 10-15 Metern.


Übergang Südgipfel-Hauptgipfel: Eine Stelle II+, weiter rechts auch möglich, dann einfacher


Trotz des vielen Trubels ein wunderschöner Tag, nette Kontakte inklusive. Der Spruch des Tages, wenn einem das Klettern in compagnia oder aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht zusagt: Es gibt auch sehr viele schöne Minigolfplätze.