Mit den Schneeschuhen auf die Schartenfels

Man wird von den Sonnenanbetern als grosser Bergsteiger bewundert, wenn man mit den Schneeschuhen in der brennenden Sonne hinaufsteigt zur Schartenfels. Man lacht den Spott weg mit der Bemerkung, dass man ja nie weiss, wie es in grosser Höhe weiter oben aussieht. Lieber zuviel der Ausrüstung als zuwenig, nicht wahr?

Wie kommt es dazu, dass rojosuiza im Vorfrühling plötzlich unterwegs ist zur Schartenfels? – Nun, weil er zur Baldegg unterwegs ist, natürlich. Baden-Kenner sehen jetzt, dass ist ja alles falsch. Denn auf der einen Seite der Limmat ist die Baldegg, auf der anderen die Schartenfels, wie soll das zusammenpassen?

rojosuiza ist geboren unweit von Baden, im Paradies. Ans Paradies erinnert er sich nicht mehr näher; die Vertreibung aus dem Paradies liegt zu weit zurück. Aber mit Baden verbinden sich viele Erinnerungen. Jahrelang besuchte er hier die Grossmutter in der Chräbelistrass 5, die Ida Wegmüller, geborene Tschumi. Die kannte die ganze Stadt. Sie führte eine Pension; dazu jahrelang einen Kiosk, ganz weltstädtisch an der Brugger Strasse.

Sie kannte alle Welt und wusste um die Verhältnisse aller Leute mit- und zueinander. Natürlich gehörte auch die weitere Umgebung der Stadt zu diesem Schatz an Wissen. Der kleine rojosuiza hörte diese Namen herumfliegen, sie nahmen ihren eigenen Sinn an bei ihm. Einer der Namen: Baldegg. Ein Ausflugsrestaurant ob Baden, wo die Mutter einmal ein oder zwei Jahre im Sommer serviert hat. Vielleicht war man als ganz kleiner Bub auch einmal da, aber wie gesagt, das liegt zu weit zurück.

Heute nun ist rojosuiza unterwegs, ab dem Bahnhof, den man in seiner Jugendzeit abreissen wollte, und ersetzen durch einen gesichtslosen Neubau. Der Bahnhof steht noch, und nein, die Altstadt ist auch nicht völlig ausgekernt. rojosuiza läuft durch die Badstrasse, durchs grosse Stadttor hindurch, passiert die Weite Gasse.

In Baden wird immer gegraben und getunnelt. Der Autotunnel durch den Schlossberg, der Bahntunnel durch den Schlossberg, die Tiefgarage unter der halben Stadt, die Zivilschutzanlagen unter der anderen halben Stadt… Sie alle hat rojosuiza kommen sehen. Jetzt ist die Kreuzung zwischen Altstadt und Schulhaus wieder einmal dran. Die Badener führen zuerst von allen Seiten den Verkehr hinein in die enge Stadt, und hier trifft er sich dann, der Verkehr. Die von Wettingen stossen auf die von Mellingen, die von Turgi auf die von Neuenhof, und kreuzweise. rojosuiza wird in seinem Lauf gehemmt und umgeleitet. Keiner wird sagen, dass er deswegen vom Pfad abkommt, bestimmt nicht, aber beigetragen zum guten Verlauf der Dinge hat das alles bestimmt nicht.

Die grobe Planung: Rütibuck, Hundsbuck, Brenntrain, Baldegg. Stattdessen spurt rojosuiza schon nach wenigen Metern falsch ein, auf den prachtvollen Weg oberhalb der Sonnmatt. Er ist einfach zu schön, ihn nicht zu gehen, aber statt nach oben führt er schliesslich stetig hinab. Im Meierhof ist man wieder unten, fast auf der Hauptstrasse nach Dättwil, aber neben der Bahnlinie gibt es ein Strässlein und später ein Weglein zurück in die Stadt hinein. Die geht rojosuiza. Jemand hat Schneeschuhe an den Strassenrand gelegt, gratis, zum Mitnehmen. rojosuiza schaut flüchtig: für leichte Wanderungen muss es gehen. Er schaut nicht gründlich, so sieht er erst später, dass der eine Schneeschuh mit Kabelbindern geflickt ist. So kommt es, dass der Wanderer weiterwandert mit Schneeschuhen unter dem Arm.

rojosuiza findet den Bahnhof Oberstadt, der leider keinen Personentransport mehr kennt. Eigentlich völlig unglaublich, auf einer modern ausgebauten Linie in eine Stadt hinein, die damit aus einer anderen Richtung her ausgezeichnet erschlossen werden könnte. Die Linie ist aber noch aktiv  als Güterbahn, denn kurz vor Oberstadt passiert eine Lokomotive.

Zwischen dem Bahnhof Oberstadt ist dann die Altstadt und die Unterstadt – wenn die denn unten am Fluss so heissen sollte. Es geht über die Limmatbrücke mit ihrem Nepomuk, ja und auf der anderen Seite beginnen bald die Tausende von Stufen, die den Wanderer hinauf zur Schartenfels führen. rojosuiza  steigt im Schweisse seines Angesichts, mit den Schneeschuhen in der Hand. Man lacht freundlich über die spöttischen Bemerkungen. Während diese Wanderer sich bald am Fels in die Sonne legen, geht der Weg für rojosuiza Treppenstufe um Treppenstufe hinauf. Wer oben bei Schloss Schartenfels anlegt, der lacht am End am besten, denn dort gibt es den besten Kaffee des ganzen Aargaus!

Gibt es auf Schloss Schartenfels den besten Kaffee des ganzen Aargaus? – rojosuiza steht da wie ein begossener Pudel und heult wie einer! Das Schloss ist zu, Teufel auch, irgendwelche Ferien auch immer. Den Feriengänger rojosuiza wurmt’s ganz fürchterlich – aber nur für Sekunden. Schon zottelt er auf der anderen Seite wieder hinab durch den lichten Wald und ist wieder Guter Dinge, wohl weiter kein Wunder, bei einem, der im Paradis geboren ist…

In den Himmel kommt er aber denn doch nicht… Denn im Kaffeehaus Himmel in Baden will rojosuiza nicht nur einen himmlischen Cappuccino, er will auch ins himmlische Internet. Es geht aber nicht. Zutritt verweigert, und nein, es bekommt von dem hübschen Jüngling keinen Zugangscode. Weit schlimmer noch, der hübsche Jüngling kommt selber auch nicht in den Himmel. Im Himmel zu Baden darf nicht einmal das Personal in den Himmel…


(Bei dieser Wanderung hat es übrigens ein Vorspiel in Kanton Zürich gegeben - Brockenstubenbesuche auf der Pirsch nach alten Transistorradios! - und davon sind auch einige Fotos bei diesem Bericht.)