Bergziege im Flachland - Wanderung auf Null Metern
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Was soll die Bergziege beginnen, die es ins Flachland verschlagen hat? - Da gibt es doch nichts: kein Alpenblümchen zum Rupfen, kein Felsbröcklein zum Besteigen. Soll man als rechtgeartete Ziege mit den Flachländern im Freien herumtollen und sich einbilden, man sei auf der Bergwiese?
rojosuiza befindet sich genau in dieser Situation. Hat er je einen Bericht veröffentlicht über lange Märsche aus der total-platten Landschaft hierzulande? Hat er nicht. Wandert er gern in Menschenmassen, am liebsten noch mit Wanderstöcken und Lycrahose? Tut er nicht. Aber heute ist es doch so weit.
Kälte hat dafür gesorgt, dass die Landschaft etwas spannender ist als sonst. Kalt ist es, aber nicht kalt genug, dass man Schlittschuhlaufen könnte - das würde zu einem wahren Volksauflauf führen. Eis gibt es, zum Schauen, aber zu dünn, um darauf zu laufen. Weiter südlich in Europa herrscht straffer Winter, auch im Osten, aber hier, nahe der Nordseeküste, ist gerade Tauwetter eingebrochen. Es ist nach Nachtfrost 1 Grad plus.
rojosuiza packt den Lebensgefährten ein, und mit dem Bus verlässt er Amsterdam, unterwegs nach Monnickendam. Das ist ein schönes altes Hafenstädtchen, im Sommer recht von Touristen überlaufen, aber jetzt sind nur die Einheimischen zu Hause. Lang hält es sie nicht, sind sie doch zum Marschieren angetrudelt. Von der Mutter hat rojosuiza gelernt, dass der Kaffeehausbesuch lieber in der Mitte oder am Ende der Wanderung erfolgen sollte, ansonsten es vielleicht gar zu keiner Wanderung kommt, da man - von Kaffee und Kuchen erfüllt - davon ja ganz absehen kann.
Also auf, Richtung Volendam. Zwischen den Orten gibt es die Strasse für die Autos, mit darauf so viel Verkehr, dass die Mittelthurgauer Zeter und Mordio schreien würden, es müsse eine Autobahn her. So eine Strasse ist nicht schön: sie lärmt und sie stinkt, nichts für einen rechtgearteten Wanderer und ÖV-Verfechter. Also läuft rojosuiza genüsslich über den Damm - den 'hogedijk' - immer auf der Krone, da sieht man aufs Wasser hinunter. Auf der Landseite unter ihm verläuft ein bescheidenes Strässchen, mit bescheidenem Verkehr. Touristen sind auch keine da, da Winter.
Von der Strasse in einiger Entfernung hört man hier nichts, da die Ohren im rechten Winkel zu ihr stehen. Stattdessen Gekreische, Gezirpe und Getriller von Tausenden von Vögeln. Dazwischen ein Flappern-Wappern von Dutzenden von Schwingen, von Vögeln im Stand, weitentfernt auf dem Eis
Das Ohr horcht auf: Grillenzirpen? - Ja, Tausende von Grillen zirpen, aber oh so leise, in weitester Entfernung scheint es. Wer macht denn das Zirpen, bei Frost? - Es ist das Eis, das in kleine Plättchen am Deich anliegt und sanft in der Dünung schaukelt...
Schliesslich kommt man Volendam doch näher. Es sind nur wenige Kilometer zwischen den beiden Ortschaften, aber der Lebensgefährte gerät schnell ausser Atem. Man geht im Ort durch einen eisigen Schlauch - bebaut links und rechts, und jetzt im Winter dringt kein Sonnenstrahl so weit vor. Dann öffnet sich der Schlauch, man ist auf dem Deich im Hafen. Eine Kneipe reiht sich an die andere, im Sommer überlaufen von Menschen. Jetzt aber ruhig, nur ein paar Einheimische, draussen in der Sonne. Man setzt sich dazu, es ist volle Sonne, es ist windstill, es ist warm. Die Cappuccino-Quelle sprudelt. Prachtvoll ist es jetzt, ja poetisch.
Um einen spricht es 'Volendams', ein Niederländisch mit Lauten, die an Dänisch und Schwedisch gemahnen. Man denkt sich weit fort von Zuhause.
Bei der Heimfahrt nimmt man den 'falschen' Bus, und dadurch kan man in der eigenen Stadt gleich noch eine Wanderung anhängen, und sieht man Dinge, die man nicht gekannt hat. Der Umbruch geht überall immer weiter, man muss gut aufpassen, dass man nichts verpasst...

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