Heiterwand Überschreitung


Publiziert von AIi , 19. November 2016 um 19:20.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechtaler Alpen
Tour Datum: 8 September 2016
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 17:00

Weiße Wände aus Kalk flößen dem kleinen Betrachter von allen Seiten Respekt ein. Schnell wird klar, dass der Name nicht vom Gefühl einer dortigen Bergtour kommen kann. Die Rede ist von der Heiterwand.
Die 7,5 Kilometer lange Felsbastion darf sich längste geschlossene Wand der nördlichen Kalkalpen nennen, da sie die Höhe von 2400m an keiner Stelle unterschreitet. Keiner der, je nach Definition, um die zehn Gipfel ist mit einem ordentlichen Wanderweg erschlossen. Einfachste und meist bestiegene Erhebung ist der Maldongrat, dessen Normalweg dennoch eine Schwierigkeit von T4 I aufweist. Ansonsten werden die Gipfel an den Eckpunkten der Heiterwand im Westen und Osten mehr oder weniger oft als Einzeltour bestiegen, der Mittelteil bekommt fast nur bei einer Gesamtüberschreitung Besuch. Diese ist auch mein großes Ziel für den Sommer 2016 gewesen. 

Seit Jahren hat mich die Größe und zugleich Unerschlossenheit der Heiterwand fasziniert. Zahlreiche exklusive Gipfel an einem Band aufgereiht und besonders durch den Verbund in einer Wand einzigartig. Die Tour der Überschreitung an sich ist durch diverse Aspekte anspruchsvoll: Die technischen Schwierigkeiten sind nur ein Punkt in der Reihe von Kondition, Logistik, Zeitmanagemant und Routenfindung. 

Daher waren zur Verwirklichung der Heiterwand Überschreitung auch zwei Versuche nötig. Beim ersten Anlauf haben wir die Überschreitung von Ost nach West probiert. Nach einem geplanten Biwak auf der Tarrentonspitze, kostete uns am nächsten Tag die sichere Umgehung des Heiterwandturms dermaßen viel Zeit, dass wir an der Tarrenzer Scharte abbrachen und zurück nach Imst abstiegen. Ein kurzer Bericht dazu findet sich
hier. Beim zweiten und geglückten Versuch haben wir die Heiterwand von Westen nach Osten überschritten.

Heiterwand Überschreitung West Ost:

Am Morgen des 8. September 2016 starten wir um 4.35 Uhr am Hahntennjoch. Zunächst wandern wir auf breitem Steig hinauf ins Steinjöchl. Der Weg ist markiert, ausgeschildert und auch bei Dunkelheit gut zu finden. Vom Joch folgen wir einer Pfadspur nach Osten, welche durch die Südflanke zum Gipfel des Maldongrat führt. Eine genaue Beschreibung findet sich in anderen Berichten. Der Maldongrat ist der westlichste Gipfel der Heiterwand, hier beginnt die Überschreitung.

Während die Sonne aufgeht folgen wir dem einfachen Grat in eine Scharte, danach geht es weiterhin einfach auf den Gipfel der Gabelspitze zu. Der Gipfelaufbau wird südseitig umgangen. Dazu am Grat in eine kleine Scharte hinab und jenseitig über eine kurze Stufe (II) auf ein Band mit Steinmann. Auf diesem südseitig um den Gratabbruch herum und anschließend einfach zum Gipfelkreuz der Gabelspitze. Die Gabelspitze wird recht häufig besucht, der Abstecher vom Maldongrat ist auch weder besonders schwierig noch lang aber lohnend.

Wir folgen dem Grat weiter nach Osten und überklettern für längere Zeit unzählige Zacken und Abbrüche, von denen jedoch kein einzelner als Gipfel gesehen werden kann. Oftmals ist südseitiges Ausweichen auch geschickter. Hier ist gutes Orientierungs- und Routenfindungsgespür wichtig. Oberhalb des Kratzersattels erreichen wir einen markanteren Punkt mit Steinmann, den wir als die Steinmannlwand aus dem AVF interpretieren.

Es folgt ein Stück einfaches Gehgelände, danach kommen erneut Abbrüche und Scharten bis das Joch vor dem relativ markanten Heiterwandkopf erreicht ist. Dieser besitzt einen Steinmann und bietet einen guten Blick über das bereits Geschaffte.

Vom Heiterwandkopf steigen wir ostseitig durch eine breite Rinne in die Scharte zur Westlichen Alpeilspitze ab. Von der Scharte queren wir über auffällige Bänder in die Südflanke und steigen anschließend durch eine breite Rinne, die wir oben auf den wenig ausgeprägten Südgrat verlassen, zum Gipfel.

Auf der Grathöhe geht es über eine zwischenliegende Scharte weiter zur Östlichen Alpeilspitze. Diese bildet den höchsten Punkt der Alpeilspitzen und somit auch des Mittelteils der Heiterwand. Außerdem ist hier ungefähr die Hälfte der Überschreitung geschafft.

Der weitere Gratverlauf macht einen kleinen Knick nach Norden, anschließend folgt ein ebenes Stück mit markantem aber namenlosen Eckpunkt oberhalb der Tarrenzer Scharte. Von diesem steigen wir peu a peu die steile Kante Richtung Scharte hinab, die schwierigste Stelle seilen wir ab (15m, Stand mit Schlingen um Block eingerichtet), dann ist die Tarrenzer Scharte erreicht. Für uns besonders erfreulich, da wir den Rest von unserem ersten Überschreitungsversuch bereits gut kennen.

Mit neuer Motivation kraxeln wir aus der Scharte am Grat auf den Heiterwandturm zu. Unter seinen Abbrüchen wird nach Norden über Platten in eine markante Geröllrinne gequert. Diese hinauf und anschließend in einem Rechtsbogen durch die Nordflanke des Heiterwandturms direkt zur Scharte zwischen diesem und der Tarrentonspitze. Da wir uns beim ersten Versuch in Gegenrichtung mit der Wegfindung schwer getan haben, errichteten wir einige Steinmänner, die die Orientierung erleichtern sollten. Wer noch den Abstecher zum exklusiven Heiterwandturm machen möchte, muss bei der Umgehung in dessen Nordseite an geeigneter Stelle abzweigen. Man sei sich aber bewusst, dass man hierfür bereits zu zweit mit gegenseitigem Warten wegen Steinschlag und Gipfelrast eine kostbare Stunde einplanen sollte.

Zurück in der Scharte zwischen Heiterwandturm und Tarrentonspitze folgen wir über einen Schrofenhang dem Gipfelaufbau der Tarrentonspitze. Hier nicht wie im alten AVF beschrieben, die den Grat begrenzende Rinne nehmen, sondern wesentlich einfacher rechts (östlich) durch eine Rinne oder den rechten Begrenzungsgrat ansteigen. Die Tarrentonspitze ist uns vom eindrücklichen Biwak noch in positiver Erinnerung geblieben, umso schöner dort kurz darauf wieder oben zu stehen.

Jenseitig führt der Grat steil von der Tarrentonspitze in die östlich anschließende Scharte hinab. Von der Scharte geht es etwas unterhalb des Grats auf der Südseite querend nach Osten, bis eine kleine Lücke den Wechsel in die Nordseite erlaubt. In der Flanke quert man unter dem Grat hindurch, bis eine weitere Lücke erneut den Wechsel in die Südflanke erlaubt. In dieser weiter bis zur Scharte unmittelbar südlich der Abbrüche des von Westen sehr markanten Heiterwandecks. Unten über eine steile und kleingriffige Wandstufe empor und  anschließend über eine wenig ausgeprägte, schuttige Rinne zum Heiterwandeck.

Von hier in 15 Minuten über den verhältnismäßig einfachen Grat zum Heiterwand Hauptgipfel. Dort kommen wir um 19 Uhr an. Ab dem Hahntennjoch waren wir somit 14,5h unterwegs. Trotz der Anstrengung herrscht allgemeine Zufriedenheit und dem Abstieg zur Heiterwandhütte wird zuversichtlich entgegengesehen. Am Grat kraxeln wir nach Osten hinab und zweigen bei einem markanten Steinmann in einen Schrofenhang auf der Südseite ab. Mittlerweile ist es Nacht geworden und aufgrund der Müdigkeit laufe ich nur noch vorsichtig meinem Spezl hinterher, der von einer Überdosis Energydrinks gerade erst richtig wach geworden ist. Brauchbare Infos zum Abstieg vom Hauptgipfel habe ich daher nicht mehr in Erinnerung. Um den Abstieg vom Heiterwand Hauptgipfel auch bei Dunkelheit zu finden, sollte man diesen bereits begangen und/oder einen GPS-Track haben! Kurz vor 21:30 Uhr erreichen wir endlich die Heiterwandhütte (Zugang nur mit AV-Schlüssel!) an der das Abenteuer endet. Nach einer Tütensuppe bei Kerzenschein schaffe ichs grad noch ins Lager im Obergeschoss, dann ist der ereignisreiche Tag beendet.

Am nächsten Morgen steigen wir über dem normalen Hüttezustieg zur Hahntennjochstraße beim Linserhof ab. Nach einiger Zeit kommt ein Bus, der uns zurück aufs Hanhtennjoch transportiert.

Zeiten:
Hahntennjoch 4:30
Steinjöchl 5:15
Maldongrat 6:05
Gabelspitze 6:50
Steinmannlwand 9:15
Heiterwandkopf 10:30
Westliche Alpeilspitze 11:30
Östliche Alpeilspitze 12:30
Tarrenzer Scharte 15:00
Heiterwandturm 16:00
Tarrentonspitze 17:00
Heiterwandeck 18:45
Heiterwand HG 19:00
Heiterwandhütte 21:25

Schwierigkeiten Heiterwand Überschreitung W-O vom Maldongrat bis HG:
Technisch bis T6 IV. Eine genaue Angabe der Schwierigkeiten ist wegen der Länge aus dem Gedächtnis unmöglich und lockt evtl. auch die falschen Leute an. Es gibt am Grat meist Gelände im Bereich I und II, etwas Gehgelände, einige IIIer Stellen und selten Passagen im Bereich IV-. Diese müssen hoch wie runter in wechselnder Felsqualität ungesichert geklettert werden. Mögliche Abseilstellen sind selten eingerichtet. Begeher sollten absolut trittsicher sein und sich zügig und sicher in derartigem Gelände bewegen und orientieren können.

Logistisch: Hier stellt sich die große Frage in welcher Richtung man die Überschreitung am besten macht. Bei einer O-W Überschreitung läuft es auf eine Übernachtung vor der Tour in der HW-Hütte hinaus, das Auto wird meist mit einem vorher am Hahntennjoch abgestellten Radl geholt. Unser persönlicher Eindruck insbesondere vom ersten Versuch war eine erschwerte Wegfindung in O-W Richtung, zumindest bis zur Tarrenzer Scharte. Empfehlen würde ich jedem die Überschreitung von West nach Ost wie hier beschrieben. Man startet direkt am Hahntennjoch und hat am Abend wenn alles glatt gelaufen ist die Tour im Sack. Am nächsten Tag kann man ganz entspannt von der Hütte absteigen und irgendwie den Rücktransport organisieren. Wohl meist bei Dunkelheit nach der Überschreitung noch das Hahntennjoch runter zu radeln ist auch nicht ganz risikofrei. Zudem ist unser Eindruck, dass die Wegfindung in W-O Richtung einfacher ist. 

Mein großer Dank gilt meinem Tourenpartner Reiner, ohne dessen Orientierungssinn und alpine Erfahrung die Überschreitung für mich nicht möglich gewesen wäre.



Tourengänger: AIi


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Kommentare (15)


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klemi74 hat gesagt: Respekt!
Gesendet am 19. November 2016 um 19:37
...mehr sog i ned!

Gruß,
Karsten

AIi hat gesagt: RE:Respekt!
Gesendet am 19. November 2016 um 21:24
Merci!
...mehr sog i a ned!

Gruß Ali

Nic hat gesagt:
Gesendet am 19. November 2016 um 19:50
Starke Tour! Gratulation zur schönen Überschreitung!

VG Nico ( auch an Reiner)

AIi hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. November 2016 um 21:27
Danke dir, Nico!
War eine meiner schönsten Touren überhaupt.

Grüße zurück
Ali



DiAmanditi hat gesagt:
Gesendet am 20. November 2016 um 13:28
Glückwunsch und Respekt!

Die Heiterwand ist schon so ein mächtiger Berg. Und dann auch noch die Überschreitung - einfach genial!

Grüße, DiAmanditi

AIi hat gesagt: RE:
Gesendet am 20. November 2016 um 19:56
Merci vielmals!
Die Heiterwand ist einfach ein faszinierender Berg. Die einzelnen Gipfel an sich sind auch schon sehr lohend, die gesamte Überschreitung bleibt aber die schönste und logischte Route!

Grüße zurück
Ali

mabon hat gesagt: Super...
Gesendet am 20. November 2016 um 17:25
...Aktion!

Echt stark!

Schöne Grüße

mabon

AIi hat gesagt: RE:Super...
Gesendet am 20. November 2016 um 19:59
Servus Michi,
danke auch dir!

Irgendwo bei deinem Bericht zur Eisenzeit auf die Zugspitze sagst du: "Einmal im Jahr muss man Einen raushauen!"

Bin ganz deiner Meinung.

Grüße Ali

Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 21. November 2016 um 11:10
Glückwunsch zur Lechtaler Königstour.
Hatten wir dieses Jahr auch vor aber sind leider net dazu gekommen.
Hab deine Einträge aufm Hauptgipfel und dem Maldongrat schon gesehen ;-)
VG Andy

AIi hat gesagt: RE:
Gesendet am 21. November 2016 um 11:36
Hi Andy,
merci dir!

Nur eine Frage der Zeit, bis du die Überschreitung auch unter die Hufe nimmst...:)
HG und Maldongrat sind auch einzeln lohnende Ziele.

Gruß Ali

KDMonster hat gesagt: Gewaltige Gratulation!
Gesendet am 6. Juli 2017 um 10:04
Servus Ali,

dicker Respekt für die Tour und vielen Dank für die tolle Beschreibung der kompletten Überschreitung der Heiterwand!

Von dieser Tour träume ich seid Jahren und habe letztes Jahr bereits beim Abstieg ("aushangeln") vom Heiterwandeck (O > W) abgebrochen. Mittlerweile habe ich nicht nur von dir den Tip mit der W > O Richtung.

Da ich die Tour gerne noch in der "richtigen" Richtung angehen würde, bin daher noch an Vergleichs Infos interessiert.
Vor ein paar Tagen bin i von Hammersbach, via Höllental auf die Zugspitze und dann noch Jubiläumsgrat bis zum Osterfelder in 14h gegangen. Also konditionell dürfte es wohl ausreichend sein. Hast du eine Idee, wie viel schwieriger (kletterei) die komplette Überschreitung an den schwierigsten Stellen in etwa ist?

Grüße,
Kilian

AIi hat gesagt: RE:Gewaltige Gratulation!
Gesendet am 7. Juli 2017 um 13:56
Hallo Kilian,
die reine Kletterschwierigkeit geht bei der Heiterwandüberschreitung bis IV-.

Gruß Ali

Nyn hat gesagt: toller Bericht
Gesendet am 14. Juli 2019 um 18:05
Endlich gibt es Bilder von der Überschreitung. Bei meiner Begehug Mitte der 80er hatte ich leider keine Kamera mit.
Jetzt kommen ganz viel Erinnerungen hoch, und ich habe deshalb auch einen kleinen Bericht eingestellt

Grüße Nyn

AIi hat gesagt: RE:toller Bericht
Gesendet am 15. Juli 2019 um 14:25
Servus Nyn,
hab deinen Bericht gelesen - mal sehn ob ich mich 30 Jahre nach meiner Begehung (Anno 2046) noch so erinnern kann wie du. Wenn, dann bei der HW-Überschreitung.

Gruß
Ali

F3ttmull hat gesagt: Brüchig
Gesendet am 11. August 2022 um 14:05
Ich glaube, ich lasse die Finger von der Überschreitung. Gestern hat eine Bekannt berichtet, dass der Fels dort extrem brüchig ist durch Blitzeinschläge etc., aus den Nachrichten gleicher O-Ton:
https://www.allgaeuer-zeitung.de/oesterreich/ueberschreitung-der-heiterwand-bergsteiger-stuerzt-250-meter-tief-in-den-tod_arid-324976
https://www.tt.com/artikel/30822820/bergsteigerin-stuerzte-bei-ueberschreitung-der-heiterwand-fuenf-meter-ab
Wirklich schade, vielleicht gibt in den Lechtalern vergleichbare Alternativen bis IV-.


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