Schlossberg (3132,5 m) über NW-Flanke


Publiziert von morphine , 4. September 2016 um 17:51.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:22 August 2016
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR   CH-OW 
Zeitbedarf: 13:30
Aufstieg: 2050 m
Abstieg: 2050 m
Kartennummer:1191 Engelberg

Befürchtungen

Der Schlossberg ist ein echter Brocken von Berg. Schon der Eindruck dieser endlos lang wirkenden riesigen Felsmauer über dem Erstfelder Tal ist ungemein beeindrucken. Hier gibts keinen leichten Aufstieg. Auch von der anderen Seite, wo die Nordwestflanke einen relativ leichten Zugang bietet, ist der Weg lang, anstrengend und durch die Flanke fast ununterbrochen sehr steil. Eben ein echter Tourenbrocken. Lange habe ich einen Versuch vor mir hergeschoben. Auch wenn ich schon so manch langen Anstieg absolviert habe, hier hatte ich immer das ungute Gefühl krachend zu scheitern, auch wegen der womöglich etwas komplizierten Orientierung in der doch sehr unübersichtlich wirkenden NW-Flanke. Im Juli habe ich den Berg ausgelassen, da ich mich nach einem Wandertag auf der Fürenalp nicht hundertprozentig fit fühlte. Auf diesen Berg wollte ich nur in absoluter Bestform. Gut einen Monat später ist es soweit. Jetzt will ich mich durch nichts und niemanden mehr aufhalten lassen. Mein "Schlossberg Abenteuer" begann....

... um ca. 7.30 Uhr am Morgen. Die Tage sind im August noch lang genug, auch für den Schlossberg, da will ich nicht im Dunkeln losstolpern.


Der Anmarsch

Der Weg zieht von der Talstation der Fürenalp im Engelberger Tal erst nach Osten und später in nordöstlicher Richtung vorbei am Restaurant Alpenrösli und der Alp Stäfeli zum Stäuber-Wasserfall. Bis hierhin hält sich die Steigung in Grenzen, es zieht sich aber doch ganz schön. Gut, dass man im hinteren Talbereich die aufragenden Bergriesen vom Schlossberg bis zum Chli Spannort bewundern kann. Talauswärts  scheint  die unnahbare Ostwand des Titlis das Engelberger Tal abzuriegeln. So ist der Talweg zwar lang, aber doch nie langweilig.

Ab dem Wasserfall wird der Weg wieder breiter und ich durchwandere in der Folge die weiten Alpflächen von Blacken. Auf dem Weg zur Alp Blacken schaue ich nach oben. Freundlicherweise markieren ein paar Rinder den auffälligen Geländebuckel P. 1843m für mich. Sie liegen dort in der Morgensonne. So erkenne ich, dass ich nicht noch bis zum Blackenchappeli weiter laufen muss, sondern direkt in den mäßig steilen Grashang einsteigen kann.


Schlossberg NW-Flanke


I Zustieg zur Hermisalp

Ich steige in direkter Linie rechts von P. 1843m auf. Über mir Grashänge und Erlengesträuch. Dort oben muss ich irgendwo auf den Schafweg (in der LK als "Ober Gang" bezeichnet) treffen, der mich zur Hermisalp führen wird. Aber wo ist er denn, der Weg? Von unten und mit Blick in die Sonne ist nichts zu erkennen. Schließlich treffe ich aber auf die Spur, die ich kurz nach dem Überschreiten eines Weidezauns finde. Der Viehweg taucht schon bald in Erlengebüsch ein und man muss sich schon ordentlich ducken. Dann erreiche ich die freie Fläche der Hermisalp. Diese wird südlich von einem steilen Grasgrat überragt, der zur Alp hin steil und felsig abfällt. Den Fuß dieses Grates gilt es nun zu erreichen. Der Schafweg zieht leicht bogenförmig in ungefähr gleicher Höhe genau an diesen Gratfuß. Zum Schluss muss ich aufpassen, dass ich bei der Querung nicht über das vom Tau glatte Gehölz der Erlensträucher ausrutsche. Dieser heikle Abschnitt ist aber nur ganz kurz, dann habe ich den Fuß des Grasgrates erreicht.


II Der Grasgrat

Dieser ist vor allem auf den ersten 100-150 Höhenmetern sehr steil. Das Gras ist noch nass, aber ich habe keinerlei Probleme hier gut an Höhe zu gewinnen. Die Querung weiter unten zum Grat hin war an diesem Morgen viel rutschiger. Weiter oben wird es weniger steil und es kommen auch ein paar Felsen und leicht schuttige Abschnitte zum Gras hinzu. Linkerhand kann man an diversen Grateinschnitten die felsige Steilflanke zur Hermisalper Seite hinunterschauen. Am Ende des Grasgrates umgeht man westlich einen kleinen und dann direkt danach einen größeren Gratturm. Wenige Meter hinter dem Turm endet der Grat an einer steilen Felsstufe.


III Zwischen Grasgrat und obere NW-Flanke

Vor dieser Stelle habe ich orientierungstechnisch die meiste Angst. Wo geht es jetzt genau weiter? Erleichtert stelle ich fest, dass sich das Gelände vor Ort dann doch nicht als so unübersichtlich entpuppt wie gedacht. Man ersteigt die Felsen über dem Grat nicht direkt, sondern quert ein paar Meter nach rechts, dort kann man die Stufe einfach (maximal II) mit ein paar guten Griffen und Tritten zügig überwinden. Oben gibt´s einen der wenigen Steinmänner auf der Route. Jetzt steige ich über eine Steilflanke bestehend aus Gras Schutt und leichte Felsen (keine Kletterei notwendig) weiter hinauf. Kurze Zeit später erblicke ich rechts (westlich) auf gleicher Höhe einen auffälligen größeren Steinmann auf einem grasigen Buckel. Die "Original Route" führt wohl vom Steinmann weiter unten nicht so direkt die Flanke hinauf, sondern eher schräg rechts nach oben zu eben diesem nächsten Steinmann. Aber egal, ob von meiner Position oder von diesem Steinmann, man peilt die weiter oben am Ende der Flanke aufragende nächste Felsstufe an. Von hier unten fragt man sich, wie es dort oben einfach weitergehen soll, doch alle Befürchtungen lösen sich in Luft auf, da der Felsriegel an seinem Fuß auf leichtem Schutt (Steinmänner) nach rechts umgangen werden kann. So erreicht man nach wenigen Schritten eine leicht begehbare mit Disteln bewachsene Schuttflanke die nach rechts abfällt.


IV Obere NW-Flanke

Von hier aus hat man nun die eigentliche NW-Flanke des Schlossbergs im Blick. Direkt links der Schutt- und Felsgrat, der vom Schlossberg Ostgipfel (P. 3093m) hinunterzieht. Als Orientierung für den weiteren Aufstieg dient mir nun der optisch tiefste Punkt im Gipfelgrat zwischen Schlossberg Ostgipfel und dem Schlossberg Hauptgipfel weiter rechts. Das heisst, es geht von nun an in direkter Richtung hinauf in diese Gratlücke. Im unteren -weniger steilen- Gelände gibt es keinen Schnee mehr. Erst weiter oben erreiche ich größere Schneefelder, die aber nicht aufgeweicht, sondern recht hart sind. Ich montiere die Steigeisen und komme zunächst gut voran. Doch einige geröllige Unterbrechungen im Schnee und die immer weiter zunehmende Steilheit sind heute die Herausforderung der ganzen Tour. Ich bleibe immer wieder stehen und drehe mich dabei um, damit ich die sonst einseitige Belastung der Fußgelenke etwas abmildern kann. Als ich endlich das steile Schutt- und Felsgelände unter dem Grateinschnitt erreiche, gibt´s noch einen Schreckmoment obendrauf. Ich weiß noch nicht genau wo ich lang muss, aber es ist klar, dass ich mich schräg rechts nach oben orientieren muss. Hier ist viel loses Gestein und die Sache ist zwar nicht schwierig, aber anstrengend und etwas heikel. Kaum bin ich ein wenig nach rechts gequert, kommen links von mir ein paar ordentliche Steine den Hang runtergeflogen. Timing ist alles denke ich noch und steige die letzten Meter steil hinauf auf den Gipfelgrat.


Der Gipfelgrat

Von dieser Passage schwärmten hier bereits viele meiner Vorgänger. Zurecht! Der Grat führt insgesamt nur noch mäßig ansteigend in südwestlicher Richtung zum Hauptgipfel. Dabei gibt es immer wieder gruselige Tiefblicke in die jäh abstürzenden Felsmauern nach links. Der Blick nach rechts zur eben durchstiegenen NW-Flanke löst bei mir gleichzeitig eine gewisse Erleichterung darüber aus, dass ich diesen Abschnitt der Tour bereits hinter mir habe. Auf dem Grat gilt es bei aller Begeisterung konzentriert zu bleiben. immer wieder gibt es turmähnliche Felsaufschwünge, die oft direkt überklettert werden können (maximal II). Es bieten sich aber auch oftmals Umgehungsmöglichkeiten an. In diesem Fall bleibt man aber immer in Gratnähe. Was mir auffällt, ist, dass der Fels hier oben überall messerscharfe Kanten hat. Man muss schon aufpassen wo man hingreift und wo man sich drauf setzt, sonst sind Haut und Kleidung schnell ruiniert. Den höchsten Punkt sieht man erst ganz zum Schluss. Dieser wird nicht etwa von einem stattlichen Kreuz geziert, nein, nur ein einfacher Steinmann markiert den Gipfelpunkt. Passt irgendwie zu diesem hohen abgelegenen Berg. Nach 7,5 Std. Aufstieg ist mir zum jubeln zumute.


Der (die) Gipfel

Die glasklare Luft nach dem Regen der Vortage beschert eine unglaubliche Fernsicht vom Ortler bis zu den Jura-Bergen jenseits des Mittellandes. Dieses ist heute wolken-, dunst- und nebelfrei, so dass Blackenstock, Uri Rotstock und Co. direkt über dem "Flachland" aufzuragen scheinen. In den zentralen Alpen bilden sich im Laufe des Nachmittags föhnige hohe Wolkenfelder aus, die auch die hohen Gipfel streifen. Aber das Wetter ist stabil und die Sonne behält ganz klar die Oberhand.

Bei einem Blick in das Gipfelbuch ist klar, dass dieser tolle Berg aufgrund der Länge der Tour nur ganz wenige Besuche im Jahr erhält. Meine Tour mitgerechnet, gibt es in diesem Jahr erst vier Einträge.

Nach einer ausgiebigen Gipfelrast stelle ich fest, dass ich den langen Aufstieg gut verkraftet habe, so dass ich auf dem Weg wieder hinunter noch dem Ostgipfel einen Besuch abstatte. Die kurze Kletterei dort hinauf ist sehr anregend, die Tiefblicke von hier sind noch freier und direkter. Wenns machbar ist, sollte man sich diesen Gipfelpunkt nicht entgehen lassen. Toll der Blick ins Erstfelder Tal, an dessen Einmündung ins Reusstal -schlappe 2600 m tiefer- Ersteld winzig klein zu sehen ist.   


Abstieg bis zum späten Abend

Vom Grateinschnitt geht es wieder über das steile Fels- Geröllgelände zum Beginn der Schneefelder. Diesmal gibt es glücklicherweise keinen Steinschlag. Der Schnee ist etwas weicher, dennoch ist es angeraten, diesen mit Steigeisen abzusteigen. Bei einem Ausrutscher geht´s bei dieser Steilheit schnell mal dahin! Bald schon erreiche ich wieder den schuttigen Teil der NW-Flanke. Ohne Orientierungsprobleme geht´s weiter bergab.

Die im Aufstieg umgangene Felskante liegt irgendwann direkt rechts von einem, so dass man den "Einstieg" in die darunter liegende Flanke eigentlich nicht verfehlen kann. Man sieht jetzt auch schon weiter unten den Steinmann auf dem Grasbuckel. Diesen peile ich an. Von dort schräg rechts nach unten weiter hinab. Hier dient jetzt der Felsturm am Ende des Grasgrates als Orientierung. So kann man den Durchschlupf in dem kleinen Felsriegel darüber (markiert mit Steinmann) gut finden. Nach der kleinen Kraxeleinlage geht es den Felsen entlang ein paar Schritte nach rechts und man hat wieder den Grasgrat mit Felsturm vor sich.

Jetzt steige ich nicht bis zum Fuß des Grates hinab, sondern nutze etwas weiter oben eine Schwachstelle im Steilabfall zur Hermisalp (Trittspuren) und laufe in der Folge die mäßig steilen Grashänge hinunter, bis ich weiter unten auf der Hermisalp wieder auf den Schafweg treffe. Von hier aus geht es dann wieder meiner Aufstiegsroute folgend bis zum breiten Weg auf die Alp Blacken hinunter.

Hinter mir leuchten die Gipfelfelsen des Schlossbergs im Sonnenuntergang auf. Bei Alp Stäfeli wird es Zeit für die Stirnlampe und endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, erreiche ich um ca. 21.00 Uhr wieder den Parkplatz bei der Fürenalp Talstation. Müde, kaputt und einfach nur glücklich!


Fazit/Anmerkungen:

Ungemein lohnende Tour. Für die Anstrengungen wird man -insbesondere an einem klaren Tag- mehr als entschädigt.

Die Kletterstellen in der Flanke sind nicht schwer, nur ganz kurz und gut zu meistern.

Für mich war die Orientierung einfacher als gedacht. Bei schlechter Sicht würde ich allerdings von der Tour abraten.

Steigeisen sollte man in jedem Fall mitnehmen.

Ob die Tour später im Jahr bei komplett aperen Verhältnissen noch Spaß macht, darf bei dem steilen Gerümpel bezweifelt werden. Auch ich hätte gerne etwas mehr Firn gehabt. Beste Zeit ist vielleicht der Frühsommer so bis Mitte Juli. Auch der Abstieg sollte sich dann oben in der Flanke "angenehmer" gestalten.

Tourengänger: morphine
Communities: Alleingänge/Solo


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Kommentare (1)


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MrPepper hat gesagt: Toller Bericht
Gesendet am 21. Februar 2018 um 20:27
Gratulation zu dieser grossen Tour morphine. Besten Dank für diese ausführlichen und hilfreichen Beschreibungen inklusive Bildern. Ich peile eine Nachahmung dieses Jahr an.
Grüsse und allzeit schöne Bergerlebnisse


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