Im Val di Lodrino


Publiziert von mong , 16. Mai 2016 um 03:23.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:27 Juli 2006
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Poncione Rosso 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 623 m
Abstieg: 623 m
Strecke:Lodrino ➙ Durèda
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Zug nach Biasca. Mit dem Bus nach Lodrino.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit dem Bus von Lodrino nach Biasca. Mit dem Zug nach Hause.
Kartennummer:1293 OSOGNA


Wenn mich jemand fragen würde, welches "the most sexy valley" im Tessin sei, dann würde ich keine Sekunde zögern und behaupten, das "most sexy valley" im Tessin sei das Val di Lodrino. Warum? Weil ich von diesem Tal schon zweimal hineingesogen und fast verschluckt worden bin. Was ich - rückblickend - zu meinen allerschönsten Wandererlebnissen zähle. Aber über dieses Verschlucktwerden werde ich in einem meiner nächsten Berichte erzählen.

Inshallah!

Eigentlich wissen wir Menschen ja überhaupt nichts. Wir wissen nicht einmal, was morgen auf uns zukommt. Aber für uns Wanderer ist das auch ein Vorteil. Denn wenn ich bereits im voraus wüsste, was mich zum Beispiel im Val di Lodrino erwarten würde, dann hätte es ja keinen Sinn, dass ich mir vornehmen würde, morgen ins Val di Lodrino hinauf zu steigen. Ich könnte einfach zu Hause bleiben, weil ich ja bereits wüsste, dass ich im Val di Lodrino einer Schlange begegnen und dass mich die Schlange nicht beissen würde. Wieso also ins Val di Lodrino hinauf steigen, wenn ich schon im voraus weiss, dass ich am Abend wieder heil und ohne Schlangenbiss zurückkommen werde? Wäre ja todlangweilig. 

Ich behaupte mal ganz frech und ohne weitere Begründung: Wer noch nie im Val di Lodrino war, der hat etwas verpasst.

Tief ins Val di Lodrino hinein zu steigen ist ungefähr das Gleiche, wie in den eigenen Verstand hinein zu steigen: Das Risiko ist, dass man anders zurück kommt, als man hineingegangen ist. 

Ich behaupte: Wenn ein Wanderer sich ins Val di Lodrino verirrt, dann wird er entweder verschluckt oder ausgespuckt. Dasselbe gilt wahrscheinlich auf für eine Wandererin, wer weiss.

Tssss.....so einen Blödsinn, den ich da wieder erzähle...denn ich wurde vom Val di Lodrino sowohl verschluckt als auch wieder ausgespuckt. (Aber darüber werde ich in einem meiner nächsten Berichte erzählen, nicht in diesem.) (Habe ich zwar schon einmal gesagt.) (Aber ist ja egal.) (Doppelt gestrickt hält besser.) (Oder wie heisst das schon wieder?)

Im Val di Lodrino war ich vorher schon oft, aber im Juli 2006 hatte ich zum ersten Mal eine Kamera dabei. Es war eine Nikon, die ich im Februar 2006 im Media Markt gekauft hatte, weil sie billig zu haben war, weil sie schon veraltet war. Die Verkäuferin war sichtlich erfreut, weil sie einen Dummen gefunden hatte, der ihr den Ladenhüter abkaufte. 

Es war meine erste digitale Kamera, und darum passte ich sehr gut auf sie auf, und darum hatte ich sie im Rucksack in ein T-Shirt gewickelt, als ich auf die Schlange traf, die sich träge und extrem lasziv und frivol leichtfertig und sündhaft entspannt und paradiesisch verführerisch zwei Meter vor mir auf meinem Weg ins Val di Lodrino schlängelte. Und bis ich meine erste digitale Kamera mit dem wunderschönen Namen Nikon E4800 aus dem T-Shirt gewickelt hatte, war die Schlange bereits dabei, auf die Sträucher und Bäume auf der anderen Seite des Weges zu klettern.

Es war kurz vor Durèda (eine Lichtung im bewaldeten Val di Lodrino), und ich war gerade um eine Wegkurve gebogen, und da war diese lange Schlange auf meinem Weg, zwei Meter vor mir. Ich muss mich überwinden, das zu sagen, aber ich sage es jetzt trotzdem...diese Schlange war extrem  geil anzuschauen. Und ich musste sofort an unsere liebe aber naive Eva aus der Bibel denken, die sich von einer Schlange wie dieser hat verführen lassen.

Zuerst machte meine Schlange  keinen Wank, als ob ich nicht da wäre - was mich irgendwie kränkte. Aber nachdem sie keinen Wank gemacht hatte, überlegte sie es sich anders. Sie setzte sich.... ganz.... ganz..... langsam ....in.... Bewegung ....und ....schlich ....und.... kroch.... und ....schleimte.... auf der anderen Seite des Weges..... auf einen Baum hinauf.

Ja, und das war eigentlich schon alles, was die Schlange machte. Sie kroch, oder schleimte, oder schlängelte, oder schlich auf einen Baum hinauf, oder genauer gesagt, über seine Äste, und ich hatte das seltsame, für mich - ehrlich gesagt - schreckliche Horror-Gefühl, dass ich für diese wunderschöne Schlange nicht existierte, ich war nur ein unbedeutender Schatten während ein paar Minuten in ihrem ekstatischen Lebenslauf. 

Die Schlange hat mich schon lange vergessen. Aber ich, meinerseits, werde diese Schlange nie mehr vergessen. Und darum muss ich Euch lieben Lesern sagen...und ich gebe zu, es ärgert mich fast zu Tode....und es fällt mir schwer, aber ich muss es - eben weil ich leider ehrlich bin - ehrlich zugeben: Ich komme mir vor wie der allerletzte Letzte, weil ich das Gefühl habe, dass ich weniger wichtig bin als eine gewöhnliche Schlange. Denn während die Schlange mich schon lange für immer vergessen hat, werde ich mich mein Lebtag lang immer wieder an sie erinnern, sobald mir irgendjemand irgendetwas von einer Schlange erzählt. 

Ja, und nach der Begegnung mit dieser geilen, wunderschönen Schlange streunte und schlurfte  ich weiter in dieses fantastische Tal hinein, und irgendwann kam ich nach Piansgeira. (Von Piansgeira werde ich vielleicht das nächste Mal ein Foto auf Hikr laden. Inshallah - vielleicht. (Ich werde nämlich langsam alt und faul) (Und sowieso, ich habe das Gefühl, ich hätte genug gemacht.)

Aber jedesmal, wenn ich ans Val di Lodrino denke, denke ich nur immer an diese wunderschöne Schlange.

Tourengänger: mong


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Kommentare (6)


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kopfsalat hat gesagt:
Gesendet am 16. Mai 2016 um 09:18
Tippe auf eine Äskulapnatter (Elaphe longissima)

mong hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. Mai 2016 um 10:43

Danke und Gruss!

bobi hat gesagt: Baumschlange
Gesendet am 16. Mai 2016 um 10:32
Ist sicher eine Äskulapnatter. Erstens fehlt der "Ring" hinter dem Kopf (daher der Name) und zweitens sind Schlangen, die Bäume erklimmen bei uns meistens Äskulapnattern. Ist übrigens erstaunlich, wie die klettern können (ohne zu schleimen, denn Schlangen sind Käferfüdli trocken). Da sass ich also 2 Meter neben einer Birke. Am Stamm fuss kroch ganz langsam eine dieser grossen grauen Bluttschnecken herauf. Die Schnecke wurde immer länger und länger, bis ich mich wunderte und genauer hinsah. Nein, keine Schnecke, eine Äskulapnatter. Sie kroch den Birkenstamm hinauf, indem sie sich mal links mal rechts an den allerkleinsten rauhen Stellen an der glatten Birkenrinde abstützte, bis sie den untersten Asterreichte, wo sie dann hinüber zum nächsten Strauch glitt.
Gruss Bobi

mong hat gesagt: RE:Baumschlange
Gesendet am 17. Mai 2016 um 11:16
Danke für deine schöne Geschichte!
"...Schlangen sind Käferfüdli trocken" ;-))

Habe noch gegoogelt:
⬇︎☟⬇︎
/de.wikipedia.org/wiki/Äskulapnatter

VG, mong

Gesendet am 16. Mai 2016 um 16:02
Same snake in Val Ambra (next to Lodrino)
http://f.hikr.org/files/1109923l.jpg
Ciao

mong hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. Mai 2016 um 10:42

I think you are right. It's the same snake:
⬇︎☟⬇︎
f.hikr.org/files/1109923l.jpg

Thanks, Saluti


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