Badus / Six Madun Überschreitung im Spätherbst


Publiziert von Chrichen , 21. Dezember 2015 um 07:33.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Surselva
Tour Datum:11 November 2015
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   CH-UR 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1150 m
Abstieg: 1150 m
Strecke:ca. 17.5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem ÖV: Zug via Göschenen nach Andermatt / Von Andermatt mit dem Zug bis zum Oberalppass
Zufahrt zum Ankunftspunkt:(Gleicher Weg umgekehrt)

Im letzten Winter hatte ich schon mehrmals die Gelegenheit, das Val Maighels zu besuchen. Die Region ist ein kleines Paradies für Ski- und Schneeschuhtouren. Ein Besuch des Badus / Six Madun geistert schon länger in meinem Kopf herum, jedoch habe ich mich im Winter nie so richtig daran gewagt, da der Gipfelbereich doch recht steil und etwas ausgesetzt ist. Ausserdem, ist die Route für eine Tagestour mit Schneeschuhen eher lang. Im Sommer und Herbst sieht das anders aus. Da kann der Badus in einer einfachen Alpinwanderung besucht und sogar überschritten werden. Dank der späten Jahreszeit kam ich bei der Tour in den Genuss einer herrlichen Mischung aus Sonne, Herbstwiesen und ein wenig Schnee.

Oberalppass - Tomasee (T2)
Morgens vor 9 Uhr starte ich beim Oberalppass und folge dem Wanderweg ins Val Maighels. Das erste Zwischenziel ist der Tomasee. Ohne grösseren Höhenverlust quert der Weg in der Flanke bei Plauncas Cuflegl. Ein kurzer leicht ausgesetzter Wegabschnitt ist problemlos zu bewältigen. Einfach geht es weiter bis zum Verzweiger in Richtung Tomasee beim P.2056. Die Abzweigung ist zumindest zurzeit nicht ausgeschildert. Zunächst führt der Weg durch eine Wiesenflanke hoch, dann wird das Gelände etwas ruppiger. An vielen Stellen ist der Weg stark vereist, so dass eher an den Randbereichen oder manchmal auch ganz neben dem Pfad gegangen werden muss. Zum Teil helfen kleine Abkürzungen, die eisfrei sind. Mit der nötigen Vorsicht erreiche ich ohne Probleme die Anhöhe über dem schon fast vollständig zugefrohrenen Tomasee, wo ein Bänklein zu einer Pause einlädt. Der Tomasee wird als offizielle Rheinquelle bezeichnet. Ob dem tatsächlich so ist sei dahingestellt. Eine interessante Zusammenstellung zu den Quellen des Rheins findet sich im SAC Führer Alpinwandern / Gipfelziele Gotthard.

Tomasee - Badus / Six Madun (T4-, I)
Am Tomasee vorbei folge ich dem Pfad noch ein Stück weit, bevor ich ihn nach links verlasse und über einen sonnenbeschienenen schwach ausgeprägten Wiesenrücken weglos weiter an Höhe gewinne. In der schattigen Flanke zum Badusgipfel liegt erwartungsgemäss Schnee. Eigentlich hatte ich ursprünglich geplant, beim P.2390 die Wegspur nach links zu wählen. Schliesslich stelle ich aber fest, dass ich schon zu weit gegangen bin. Also wähle ich die Route "hinten rum" um den Felsbuckel, die ebenfalls auf der Karte als Wegspur eingezeichnet ist. Beim P.2627 treffen die beiden Varianten wieder zusammen. Diese Wahl erweist sich im Nachhinein sogar als die bessere: Es gibt hier schon einige ältere Fusspuren, die das Gehen und die Wegfindung im Schnee erleichtern. Ausserdem komme ich ab und zu kurz aus dem Schatten heraus an die wärmende Sonne. Hie und da bestätigt ein Steinmännchen, das man richtig liegt.

Nach dem P.2627 quert der Weg unterhalb des Piz Tuma hindurch und bei P.2749 wird der Grat zum Badus erreicht. Schlagartig erweitert sich das Panorama. Nach einigen Metern auf dem breiten Grat führen mich die Spuren unter den Gipfelbereich und am Gipfelhang weiter hinauf. Unmittelbar vor dem steilen Gipfelkopf muss eine kleine Scharte überwunden werden (2-3m abkraxeln, dann kurz leicht ausgesetzt). Am Gipfelkopf selbst leistet der Pickel gute Dienste. Geübtere Berggänger kommen wohl gut ohne aus. Mit einigen wenigen Kraxeleinlagen ist das Gipfelkreuz schliesslich bald erreicht. Für die letzten 200 Höhenmeter habe ich trotz guter Tritte im Schnee insgesamt deutlich länger gebraucht als erwartet. Die Bewertung T4-, I bezieht sich ausschliesslich auf den letzten Abschnitt, unmittelbar vor dem Gipfel (bei schneefreien Verhältnissen). Bis dahin vorwiegend T2-T3.

Badus / Six Madun - P.2839 - Lolenpass (T4, I)
Auf dem Badusgipfel gönne ich mir eine kurze Pause. Wie erhofft ist die Südseite trotz beachtlicher Höhe schneefrei und trocken. Ich entscheide mich bei den guten Verhältnissen die weglose Überschreitung anzupacken und steige in teils grobem Blockstein dem Grat entlang in Richtung Süden ab (eine Stelle etwas schmal und ausgesetzt, danach sanfteres Gelände). Ab und zu hilft die äusserst elegante Technick "draufsitzen und hopp" :-). So gut als möglich weiche ich den wenigen Schneeresten aus, um die Schuhsohlen trocken und griffig zu behalten. Den sanften Gratausläufer nach Südwest ignoriere ich und wende mich stattdessen dem Grat zum Piz Tagliola zu. Dieser bietet bis P.2839 anregende teils ausgesetzte Blocksteinkraxelei (T4-T4+, I). Meist halte ich mich so gut als möglich an die Gratschneide, manchmal kann kurz in die Südflanke ausgewichen werden. Gegen Schluss bewege ich mich etwas öfter in der Flanke. Zwischendurch könnte der Grat mehrmals nach Süden und mindestens einmal nach Norden verlassen werden. Die gutgriffige Kraxelei macht grossen Spass.

Auf dem mit drei(!) Steinmännern markierten P.2839 kommt nun das grosse Missverständnis: Ich wähne mich schon auf auf dem Piz Tagliola. Ein kurzer Blick auf die Karte, oder auch nur 2 Sekunden intensiveres Denken hätten mich eines anderen belehrt. Den Abstieg zum Lolenpass hatte ich indes schon während der Gratpassagen stets im Hinterkopf. Ich gehe einige Meter zurück, bis zu einer steilen Schuttrinne, die begehbar aussieht (T4). Durch diese hinab lässt sich eine fast flache Terrasse erreichen. Das Geröll ist ca. so stabil wie es aussieht.

Im flachen Gelände nehme ich die Karte zur Hand, um die weitere Route zu studieren. Dank dem *Bericht von Taka weiss ich, das beim Abstieg vom (in meinem Fall nicht besuchten) Piz Tagliola im unübersichtlichen Gelände Vorsicht geboten ist. Steile felsdurchsetzte Wiesenflanken warten. Jetzt erst komme ich zur Erleuchtung! Da ich bei der ursprünglichen Planung auch einen direkten Abstieg vom Badus zum Lolenpass vorsah, ist der Verhauer aber nicht weiter schlimm. Aufgrund der Hangneigungen empfiehlt es sich nun zunächst eher nach Westen zu halten. Ein direkter Abstieg zum Pass von meinem Standort aus würde in abschüssiges Gelände führen. Da ich mich nicht allzu weit nach Westen abdrängen lassen möchte, folge ich als Kompromiss undeutlichen Spuren in für mich gerade noch akzeptabel steilem Gelände. Ohne lange zu suchen, finde ich einen Weg an kleineren Felsstufen vorbei und erreiche über eher schlecht gestufte Wiesen die sumpfige Ebene vom Lolenpass mit dem zugefrorenen Seelein. Die idyllische Landschaft strahlt eine wunderbare Atmosphäre aus.

Lolenpass - Oberalppass (T2)
Vom Lolenpass kann der Oberalppass über gut ausgeschilderte Wanderwege erreicht werden. Ich erlaube mir kurze Abstecher zum Lai Carin und Lai Urlaun. Wunderschön reflektieren sich die Berge im stillen Wasser der Seelein und Tümpel. Für die letzte Abendsonne auf den Bergspitzen bin ich leider etwas spät dran. Kurz sind die Tage geworden. Dennoch lasse ich mir etwas Zeit beim Fotografieren. Danach geht's bereits im Halbdunkel dem Strässchen entlang an P.2174 vorbei und ein Weilchen danach auf bezeichnetem Wanderweg zum P.2056, wo ich am Morgen zum Tomasee abgezweigt bin. Ab hier nun mit der Stirnlampe bei Dunkelheit zurück zum Oberalppass, den ich ca. um 18:30 Uhr erreiche. Der Sternenhimmel mit der gut zu erkennenden Milchstrasse ist eindrücklich. Im angenehmen Warteraum verweile ich, bis der letzte fahrplanmässige Zug kommt.

Einsam sind die Wanderungen weiter hinten im Val Maighels. An diesem spätherbstlichen Wochentag bin ich ausser ganz am Anfang beim Oberalppass keiner einzigen Menschenseele begegnet. Die tiefliegende Sonne, das braungebrannte Gras, die vereisten Seelein, der Schnee in höheren Lagen... ein wunderbares Ambiente bietet diese Tour im Herbst. Man fühlt sich fast in eine andere Welt versetzt. Die Einsamkeit hat aber auch ihre Nachteile, zumal in der Umgebung des Lolenpass und im Val Maighels kein Handyempfang erwartet werden darf. Im letzten Jahr konnte ich übrigens in der selben Region ca. 10 Tage später die erste Schneeschuhwanderung über den Piz Cavradi bei knapp 1m Schnee machen.

Tourengänger: Chrichen


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Kommentare (1)


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Dino hat gesagt:
Gesendet am 21. Dezember 2015 um 08:50
Wow! Fantastische Bilder! Was für ein schönes Licht!


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