Wundertüte Schrattenflue (Überschreitung)


Publiziert von Zolliker , 26. Oktober 2015 um 16:07.

Region: Welt » Schweiz » Luzern
Tour Datum:23 Oktober 2015
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Schrattenflue-Gruppe   CH-LU 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 850 m
Abstieg: 850 m
Strecke:Alp Schlund, Chlus-Stollenfelsen-Schibegütsch-Hengst-Hächle-Heidebode-Silwängen-Alp Schlund

Die Voralpenketten bieten ideale Wandergebiete für den Spätherbst. An schönen Tagen sind es Panorama-Kanzeln par excellence. Die Sicht reicht vom Säntis zu den Savoyer Alpen und über das oft nebelbedeckte Mittelland. Die abgelegene Schrattenflue mit ihren ausgedehnten Karrenfeldern wartet darüber hinaus mit geologischen Leckerbissen auf. Wir überschreiten sie, besteigen dabei ihre verschiedenartigen Gipfel(chen) und kommen in jeder Hinsicht voll auf unsere Kosten.

Wir parkieren gegen Zehn bei der Alp Schlund, deren Namen einen Vorgeschmack auf die zerklüftete Landschaft gibt. Die Bäuerin versorgt uns mit Kaffee und Wasser, dann ziehen wir los. Die Jacken landen schnell im Rucksack, die Sonne wärmt wunderbar. Durch offenen Wald erreichen wir die Alp Chlus, wo die Berner Viertausender über die weisse Brienzerhornkette hinweg auf uns hinunterschauen. Sie werden uns den ganzen weiteren Tag begleiten, welche Ehre!

Wir verlassen den markierten Wanderweg zum ersten Gipfelziel und folgen Wegspuren, die uns direkt auf den Ostgrat des Schibegütsch führen. Es ist steil und aufgrund der Schneereste etwas glitschig, aber aufwärts geht es ganz gut. Bald stehen wir vor dem Stollenloch, ein seit Jahrzehnten verlassener Beobachtungsposten der Armee. Wir erkunden den kleinen Bunker mit seinen zerfallenen Pritschen und fragen uns, ob der Dienst hier wohl eher eine Belohung oder eine Bestrafung war. Die Aussicht aus den Gucklöchern ist phänomenal, auch Sonnenstunden gibt es hier genug. Aber wenn es kalt ist und der Wind bläst… Mit einem etwas mulmigen Gefühl steigen wir über die alten Leitern durch die engen Stollen zum oberen Ausgang der Anlage, von wo ein schmaler Pfad zum nicht mehr weit entfernten Berggipfel führt.

Der Schibegütsch ist der südlichste Gipfel der Schrattenflue und wohl auch jener mit der spektakulärsten Aussicht. Gegen Südwesten fällt der Berg fast senkrecht ab zur Kemmeribodenalp, gleich dahinter präsentiert sich der stotzige Hohgant. Nördlich davon quälen sich das obere Entlebuch und das obere Emmental mit der Hochnebelgrenze herum, die mal steigt, mal sinkt. In der Verlängerung der Schrattenflue ragt das Pilatusmassiv in das Nebelmeer hinaus. Der Blick wendet sich aber vor allem zum Süden – wie unglaublich schön die Alpenkette doch ist! Das dunkle Blau des Himmels, das strahlende Weiss des frischen Schnees, das sanfte, konturenbetonende Herbstlicht. Wir sind sprachlos.

Nach einer langen Pause widmen wir uns dem eigentlichen Genussteil der Tour. Die meisten Höhenmeter sind schon gemacht, die Route folgt nun dem Grat im leichten Auf und Ab zunächst zum Türstehäuptli, danach zum Hengst, schliesslich zur Hächle. Ein kurzer Zwischenstopp beim Türstehäuptli muss sein, ich kann der Versuchung nicht widerstehen da hochzuklettern. Chris macht ein Foto (siehe Titelbild dieses Blogeintrags) und dieses sagt eigentlich schon alles über diesen Prachtstag :-).

Die Überschreitung präsentiert sich äusserst abwechslungsreich. Je weiter nördlich umso steiniger wird die Schrattenfluh. Beim Abstieg vom Hengst werden wir von den ersten Karrenfeldern („Schratten“) erfasst. Trotz guter Rotweiss-Markierung muss der Weg immer wieder gesucht werden, links und rechts tun sich regelmässig tiefe Schlunde auf. Auf der Tierweid (hier sollen tatsächlich Schafe sömmern) verlassen wir den Pfad und suchen uns über den zerklüfteten Grat den Weg zum Hächlegipfel. Die beste Route finden heisst die Devise, Schwachstellen im Fels ausnützen. Mehrmals müssen wir in tiefe Scharten hinunterklettern (max. II), um schliesslich freudig den Gipfel zu erreichen.

Nach einer ausgedehnten Rast drehen wir hier um, zuviel Schnee liegt in der schattigen Nordseite des Gipfels. Umdrehen heisst: Immer direkt zu Schreckhorn, Eiger, Mönch und Jungfrau schauen… Nicht ganz ungefährlich, will doch jeder Schritt geplant sein, um nicht auf die scharfen Teufelskrallen zu fallen. Eine knappe Stunde dauert der Abstieg vom Heideloch durch die Karrenfelder, bis wir schliesslich die Taiga-ähnliche Landschaft oberhalb der Alp Silwängen erreichen. Es ginge schneller, aber ein Viertel der Zeit braucht man mindestens um Fotos zu machen… Sujets gibt es unendlich viel.

Nach dem hochkonzentrierten Wandern der letzten Stunden tut das Auslaufen auf dem Kiessträsschen hinunter zur Alp Schlund gut. Die Bäuerin verwöhnt uns mit einem deftigen Zabä-Plättli und einem guten Bier. Wir geniessen die letzten Sonnenstrahlen des Tages in vollen Zügen und albern etwas mit dem Herrn des Hauses herum, einem stolzen Hahn, dem unser Besuch nicht zu passen scheint.

N.B. Die Wanderung ist eine T3, wenn sie in umgekehrter Richtung gelaufen wird und man auf Hächle, Türstehäuptli und Stollenloch verzichtet (markierte Wege nicht verlassen). Wandererlebnis und Aussicht bleiben auch so grossartig. Die Alp Schlund ist von Freitag bis Sonntag bewirtet.

Den vollständig bebilderten und mit interaktivem Kartenausschnitt versehenen Bericht findest Du auf meinem Wanderblog: http://www.edwinwandert.com/2015/10/wundertuete-schrattenflue/


Tourengänger: Zolliker


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