Hochschijen 2634m (via Südgrat)


Publiziert von Bombo , 14. Oktober 2015 um 23:44.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:10 Oktober 2015
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: 4+ (Französische Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR 
Aufstieg: 950 m
Abstieg: 950 m
Strecke:Göscheneralpsee (Berggasthaus Dammagletscher) - Kreuz (östlich der Bergseehütte) - Einstieg - Südgrat 4c - Hochschijen - Bergseehütte - Göscheneralpsee
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit PW oder ÖV bis zum Staudamm des Göscheneralpsee, kostenpflichtige Parkplätze vorhanden (CHF 08.00 pro Tag)
Unterkunftmöglichkeiten:z.B. Bergseehütte SAC
Kartennummer:LK 1:25'000, Bl 1231 "Urseren"

Ganz so easy dann doch nicht...


Die Suche nach einer geeigneten Überschrift gestaltet sich bei mir meistens nach dem ersten Gedanken, welchen ich an die erlebte Tour in Erinnerung rufe. Klar, bei der Klettertour auf den wenig auffallenden Hochschijen 2634m im schönen Bergsee-Gebiet gibt es zum Glück auch zahlreiche positive Gedanken, aber der Überraschungseffekt der erlebten Schwierigkeit bleibt sicherlich haften.


Prolog

Bewusst wählten wir eine "easy" Klettertour, wo vor allem auch Schusli zum Vorstiegsklettern kommt, dies, nachdem sie sich von einem zum Glück glimpflich verlaufenen Kletterunfall wieder erholt hat. Der Aufbau der Psyche sowie die Festigung des bisher Gelernten stand im Fokus, da bietet sich doch die Tour auf den Hochschijen mit seinen 10 Dreier- und Vierer-Seillängen gerade zu an. Schon zu Hause beim Studium des Topos haben wir die Seillängen vermerkt, wer was vorsteigt und man konnte fast von einem durchgehenden Überschlagen sprechen. Ich würde die 1. SL für das Warmup beginnen, anschliessend steigt Schusli bis zur 4er-SL vor und übernimmt dann danach in den 3er SL wieder den Lead. Irgendwie logisch und auch sehr simpel.


1. Akt - Der falsche Zustieg

Dem Hüttenweg der Bergseehütte SAC geht's vom Parkplatz beim Staudamm des Göscheneralpsees hoch richtung Bergseehütte, am Schluss dann das gut ersichtliche Kreuz auf der Anhöhe ansteuernd. Weiter geht's über viel mit vereisten Flechten verziertes Geröll richtung "Bollwerk", also die gut ersichtliche vorgelagerte kleine Felsinsel. Gemäss dem Topo waren wir uns sicher, dass wir ostwärts irgendwie zum Einstieg finden, kommt noch hinzu, dass in Gedanken diverse Hikr-Berichte waren, welche ebenfalls das Suchen des Einstieges erwähnt hatten. So kommt es, dass wir am Bollwerk entlang der östlichen Seite viel zu hoch aufstiegen und dadurch natürlich sehr viel Zeit und vor allem auch Energie auf der Strecke liessen. Also retour zum "Bollwerk".


2. Akt - der korrekte Zustieg

Vom Kreuz anfänglich den blau-weissen Wander-Markierungen folgend und später dann der gut ersichtliche Felsvorbau ansteuern. Südostwärts rundherumlaufen, möglichst nahe bergseitig und bald schon sind gute Spuren ersichtlich. Diese führen auf auf den Vorbau, wo wenig später direkt an der Wand auch die Bohrhaken ersichtlich sind. 


3. Akt - die Wahl der richtigen Route - Granitzauber oder Südgrat?

Nun muss zuerst definiert werden, was denn genau die "richtige" Route ist. Für uns war "richtig", wenn wir die 3b-Route, also die Südgrat-Route, nehmen und nicht die "Granitzauber", wo man sich im 5b-Bereich bewegt. Nun, gesehen haben wir nur 1 Route, welche optisch auch eher nach einer 3b als nach einer 5b aussah. 


4. Akt - (R)Auf geht's!

Potz Holzöpfel und Zipfelchappä - das sell es 3b sii? Ja genau, exakt das waren meine Worte, als ich meinen 2. Express geclippt habe.  Und ich gebe zu, anfänglich spielte ich noch mit dem Gedanken, die 3b mit den Bergschuhen im Vorstieg zu klettern... Also ich weiss ja nicht so recht wo wir da gelandet sind - rein vom Topo her muss es tatsächlich die 3b gewesen sein, denn die Granitzauber-Route haben wir später von links kommend tatsächlich auch gesehen - aber wirklich, war das 3b? Item, wir sind zum Klettern da, also geht das schon irgendwie - und tatsächlich, es ging. Zwar nicht ganz so flott und auf jeden Fall mit mehr (Angst)-Schweisstropfen als geplant, aber es ging. Die Frage des Vorstieges war im Übrigen auch längst geklärt - statt überschlagen soll auch heute wieder geraupt werden...


5. Akt - Wo durä gat's?

Kurz vor der 4c-SL sind wir dann tatsächlich wie in versch. Berichten erwähnt auch seilfrei abgestiegen - von oben sieht's ziemlich scary aus, geht dann aber doch noch ganz flott. Kleinwüchsige seilen sich besser ab, lange Lulatschs haben hier einen beachtlichen Vorteil. Die 4c ist auf jeden Fall nicht ohne, zumindest nicht für Hin-und-wieder-mal-und-eher-selten-draussen-Kletterer wie wir. Aber auch das ging - das macht mich sogar irgendwie auch stolz. Doch plötzlich stellt sich die nächste Frage: Zuoberst von dieser 4c-SL geht's auf der Nordseite ziemlich steil und mit nur wenigen Tritten versehen runter in die Scharte. Mit gegenseitiger Hilfe schafften wir dann zwar diese Hürde, aber ob wir hier richtig gegangen sind, das bezweifle ich tatsächlich ein wenig. Vorallem der Nachsteiger, welcher ja dann plötzlich ohne Seilsicherung von oben absteigen muss, hat hier echt eine Schlüsselstelle vor sich...


6. Akt. - Und wo durä gat's jetzt scho wieder?

Wir erreichen einen kleinen Grat, von welchem man auf der anderen Seite leicht absteigt - ein Bohrhaken rechts oben in der Wand weist den Weg. Nun heisst es auf dem Topo, man müsse 25m abklettern. Doch nirgendwo Begehungsspuren, auch sieht man keine Bohrhaken oder sonst was glänzen. Ein Versuch von mir statt ab- eben doch auf den Grat aufzusteigen, scheitert an der wackligen Gesteinsqualität - also hier scheint es nicht durch zu gehen. Somit lasse ich am Seil sichernd meine Partnerin durch das schuttige Geröllcouloir ein wenig absteigen, bald schon schert sie nach rechts aus und schon höre ich von weitem, dass ein Bohrhaken gefunden wurde. Ob man diesen nächsten Bohrhaken direkt hätte erklettern müssen oder wie wir mit Ab- und wieder mit Aufsteigen, das bleibt in diesem eher unschönen Akt definitiv die Gretchenfrage.


7. Akt - The Final Countdown

Wieder im Plaisirbereich - das vorher taxieren wir schlichtwegs als Geröllhickhack - stehen wir nun am Stand und somit am Beginn der letzten Seillänge. Diese führt oberhalb vom Stand ausgesetzt und leicht abdrängend hoch zum Gipfel des Hochschijen. Meine Vorstiegs-Motivation neigt sich langsam dem Ende zu - das ganze hat doch ordentlich Kraft, Energie und auch Zeit gekostet. Glücklicherweise spürt man auf dem Band stehend sehr schnell links oben einen topsicheren Griff, welcher einem dann auch elegant zum Klippen des ersten Express führt. Der Weiterweg zum Gipfel ist dann nur noch Formsache - nebst der 4c-Granitwand sogar fast etwas vom schönsten der Tour. Das Ziel ist erreicht und dies nach lange gefühlten rund 3,5 Std. - vom Einstieg bis zum Ausstieg, inkl. alle Pausen, somit reine Kletterzeit vermutlich so knapp 3 Std (das Suchen nach den richtigen Wegen miteingerechnet).


8. Akt - Der Vorhang fällt

... zum Glück nicht, dafür aber unser 40m-Einfachseil, welches in den 4 Abseilstellen perfekt von der Länge passt (1. Abseillänge ca. 10m, dann 2 x knapp 20m, am Schluss 1 x ca. 15m). Entsprechend schnell geht das gut und sicher eingerichtete Abseilen voran - wer Lust hat, kann über die "Übungsroute für Anfänger" (3b) nochmals zum Abseilstand hochsteigen. 


9. Akt - Heiteres Geröllhüpfen bis zur Erlösung

Wobei heiter massiv übertrieben ist, auch wenn es anfänglich noch reichlich Spass macht, diese klassische Form des Alpinwanderns unter den Füssen zu spüren. Doch irgendwann ist genug - und dieses irgendwann benötigt vom Abseilende bis zur Bergseehütte doch rund 30 bis 45 Minuten. Dann folgt die Erlösung, die Wiedergeburt, das Reinwaschen des Kletter-Karmas oder ganz einfach die Bestellung des Hopfensaftes - in unserem Fall infolge Langzeit-Durst in Form des Rot-Blau-Grün-und-neu-glaub'-auch-Rhabarer-&-Pfirsich-Getränkes.  


10. Akt - Das Wiedersehen

So nebenbei dann auch noch gleich die klettersteigende und somit krokodilreitende Schusli-Schwester getroffen - gratuliere zum Ritt und schön, dass Du nicht gefressen wurdest und somit nächstes Jahr sicher auf ein Schildkröten-Reiten bei der Sidelenhütte Lust hast. 


Epilog

Ich muss zugeben, dass ich von den Führer- und Topo-Schwierigkeiten ein wenig überrascht war. Ich dachte tatsächlich, dass ich die 3er und 4er-Seillängen fast schon blind, einarmig und von mir aus auch mit einem Gagg in der Hose hochklettere, aber schlussendlich war es manchmal eher der Gagg als die übriggebliebene eine Hand in der Hose, welcher mich im Aufstieg begleitete. Und dennoch fand ich die Tour sehr schön, manchmal sogar genussvoll, einzig das Wirrwarr beim erwähnten Abstieg fand ich definitiv nicht so lobenswert.
Und logisch: Klettererfahrene, welche sich sonst im oberen 5er und höher bewegen werden diese Route natürlich ohne auch nur einmal mit dem Auge zu zwinkern klettern - aber diese Art von Spezies sucht sich mit grosser Wahrscheinlichkeit auch einen anderen Spielplatz als diesen aus.


Material:
- 40m Einfachseil 
- 7 Exen
- Karabiner für Standplatzbau
- 2-3 Schlingen
- Keile 4-8 (gebraucht habe ich nur 2 x den 4er)
- Abseilgerät
- Helm & Kletterfinken (Zu- und Abstieg besser mit Bergschuhen als mit Zustiegsschueh, grobes Geröll!)


Tourengänger: Bombo, Schusli


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Kommentare (6)


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أجنبي hat gesagt: Jaja...
Gesendet am 15. Oktober 2015 um 08:42
Flashback bei einigen deiner Worte, insbesondere betreffend Einstiegssuche... ;-)

Linard03 hat gesagt:
Gesendet am 15. Oktober 2015 um 08:52
äusserst amüsanter Bericht ... ;-))

Alpin_Rise hat gesagt: Im Göschener Granit
Gesendet am 15. Oktober 2015 um 11:01
würd ich auch gerne wieder mal zaubern, eine schöne Tour!
Vielleicht hilft dir dieses Foto zur Identifikation der richtigen Route, wir sind in der Granitzauber.

G, Rise

Bombo hat gesagt: RE:Im Göschener Granit
Gesendet am 15. Oktober 2015 um 15:23
Salü Rise
Ich habe mir zum Glück noch vor der Tour Dein Foto angeschaut und im Prinzip bestätigt dieses, dass wir von Beginn weg "richtig", also auf der 3b-Route des Südgrates waren. Wir waren kein einziges Mal ganz links an die Kante gekommen, im Gegenteil, unsere Route führe zu Beginn eher nach rechts als nach links.

Am besten gehen wir nochmals zusammen hin und rocken das Teil erneut :-)

Salut

Bombo hat gesagt: RE:Im Göschener Granit
Gesendet am 15. Oktober 2015 um 15:24
Oder noch besserer Vorschlag (ist mein Projekt für nächstes Jahr): Am Nachmittag des 1. Tages den Hochschijen zum Einklettern und am Folgetag dann den langen, aber nicht schwierigen Schijenstock. Dabei? Schusli und ich sind es auf jeden Fall :-)

Alpin_Rise hat gesagt: RE:Im Göschener Granit
Gesendet am 19. Oktober 2015 um 16:50
Das tönt ganz verlockend! Der Schijenstock ist schon lange auf meiner Projektliste. Wird wohl nächstes Jahr...

G, Rise


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