Piz de Molinera (2288 m) als Antipasto und der Pizzo di Claro per Via Lumino (2720 m) als Hauptgang
Der Pizzo di Claro, gleich nördlich von Bellinzona, ist ein wahrlich imposanter Berg, der mich darum schon seit einiger Zeit in seinen Bann gezogen hat. Obwohl nicht einmal ein Dreitausender überragt er dennoch die Ebene darunter um volle 2.500 m. Also noch um 500 m mehr als auf der Alpennordseite der Falknis das Rheintal. Ja selbst der Calanda mit seinen rund 2250m über Grund wird noch deutlich übertrumpft.
Seinen Gipfel zu erreichen ist für Motorisierte vergleichsweise einfach, mit öV dagegen um einiges komplexer. Als Steighilfe kommt praktisch nur die Funivia Lumino in Frage. Eine Bergbahn mit einer Kabine für gerade einmal 4 Passagiere, sehr ausgedünntem Fahrplan und einer Talstation in einem Ort, der auch nur eher unregelmässig von Bussen angefahren wird.
Für den Aufstieg zum Gipfel gibt es neben dem T3-Normalweg noch einen von Süden aus direkteren, aber deutlich anspruchsvolleren, die Via Lumino. In deutscher Sprache gibt es dazu bisher nur Berichte von chaeppi und
dominik
hier bzw.
da.
Zweimal hatte ich mich daran bereits versucht, doch auch wenn ich die Schlüsselstelle gleich zu Beginn überwinden konnte, hatte mir danach dennoch der Mut gefehlt weiterzugehen, weil ich nicht überblicken konnte, was da möglicherweise an noch grösseren Schwierigkeiten auf mich warten würde.
Doch aus einigen aktuellen Berichten unserer italienischsprachigen Kollegen hatte ich dann doch den Eindruck gewonnen, dass ich das schaffen können sollte. Dass sich für einen erneuten Versuch in diesem Jahr sogar noch eine Gelegenheit bieten würde, damit hatte ich allerdings nicht mehr gerechnet. Doch kurzfristig verkündete meteo für den Sonntag im Tessin blauen Himmel und angenehme Temperaturen, während der Norden überwiegend unter Hochnebel liegen würde.
Für die Anreise konnte ich diesmal nicht den ICN nach Bellinzona nutzen, da der Anschlussbus sonntags nicht verkehrt. Stattdessen musste ich das Postauto ab Thusis nehmen, gar keine schlechte Alternative, da eine direktere Verbindung und in puncto Reisezeit sogar etwas kürzer.
Von Lumino dann mit der ersten Fahrt kurz nach 10 Uhr hoch zu den Monti di Savorù, auf etwas über 1300 m, und von dort auf bereits gut bekanntem Weg zu der schön gelegenen Capanna Brogoldone. Von dort dann weiter in Richtung auf den langgestreckten Grat, der letztlich zum Pizzo di Claro führt. Hier erübrige ich mir eine detaillierte Beschreibung und verweise auf die schon vorliegenden Berichte, etwa diesen, diesen
weiteren oder auch
jenen.
Anders als in der Vergangenheit stach mich diesmal allerdings der Hafer, und da der Gipfel des Piz de Molinera am südlichen Ende des vom Pizzo di Claro kommenden Grats recht nahe wirkte und von dort die Begehung des Grates in gesamter Länge lockte, liess ich mich zum Aufstieg verleiten. Der Piz de Molinera quasi also als Vorspeise.
Für den Aufstieg konnte man Wegspuren folgen oder aber seine eigene über die weiten Grashänge suchen. Erst das letzte steile Stück über Schrofen war etwas anspruchsvoller. Bereits hier bot sich eine exzellente Aussicht. Nur knapp 2300 m hoch, aber ganze 2000 m über dem Talgrund.
Anschliessend mit etwas Auf und Ab dann den gesamten Grat entlang, den Passo di Mem gequert und ein Wiederaufstieg, zuletzt über ein ausgedehntes Blockfeld zum Einstieg in die Via Lumino.
Diese ist durchgängig mit weissen Punkten sehr gut markiert, so dass ein Vertun weitgehend ausgeschlossen werden kann.
Kurz nach dem Einstieg dann die Schlüsselstelle (Foto von zar), eine Stufe, deren Überwindung etwas knifflig ist. Die Technik dafür variiert offensichtlich etwas. In dieser (Foto von
froloccone) hätte ich es jedenfalls nicht geschafft, denn ich konnte an dem Block einfach keine geeigneten Tritte finden. Stattdessen den einen Fuss auf den auf diesem Detailfoto erkennbaren, doch abgeschatteten Fels rechts und dann mit dem linken Knie auf die Felsstufe. So klappte es bei mir. Allerdings bot die Nische unter dem Überhang nur wenig Spielraum und ich musste zunächst den Rucksack abnehmen und oberhalb deponieren.
Danach wurde es vergleichweise leichter, blieb aber dennoch anspruchsvoll. Besser als auf meinen eigenen Bildern lässt sich der Aufstieg auf den Fotos im Bericht von froloccone et. al. nachverfolgen. Am Ende meiner eigenen Fotos habe ich deshalb einen link zu der entsprechenden Fotostrecke der Kollegen gesetzt.
Kurz erwähnen möchte ich noch, dass sich im Gipfelbereich geringe Schneereste gehalten hatten, teilweise noch gefroren. Mit der nötigen Vorsicht und unter Nutzung der an einigen Stellen auch vorhandenen Trittspuren stellten sie jedoch kein grösseres Problem dar.
Als ich den Gipfel erreichte war die Zeit schon etwas fortgeschritten, der Umweg über den Piz de Molinera hatte seinen Tribut gefordert oder um im zu Anfang gewählten Bild zu bleiben, die Vorspeise lag mir etwas im Magen.
Problem war der anschliessende Abstieg resp. die dafür erforderliche und jetzt noch verfügbare Zeit: Die letzte Talfahrt mit der Bergbahn um 18.00 wäre vermutlich noch zu erreichen gewesen, doch das Risiko, sie auch nur um wenige Minuten zu verpassen, war mir zu gross. Deshalb besser hinab nach Claro, wo bis spätabends noch Busse nach Bellinzona verkehren. Allerdings durfte ich auch dafür nicht zu spät aufbrechen, denn rund 4 Stunden würde es dauern und ich wollte bis zum Einbruch der Dunkelheit den grössten Teil des Abstiegs bereits hinter mir haben. Dass es 2500 Höhenmeter sein würden, schreckte mich in diesem Zusammenhang eigentlich am wenigsten, denn das hatte ich 2 Jahre zuvor bereits einmal gut überstanden.
So waren mir leider nur 20 Minuten Aufenthalt am Gipfel vergönnt, um die umfassende Aussicht zu bewundern, ein wenig zu essen und zu trinken und mich zuletzt auch in das Gipfelbuch einzutragen.
Dabei fielen mir insbesondere die vielen Einträge aus den Sommermonaten auf: Heute dagegen war ich allein am Gipfel, und zuvor hatte ich bei meinem Aufstieg lediglich drei andere Wanderer im Abstieg gesehen.
Auf dem Rückweg dann empfand ich die Via Lumino als etwas leichter wie im Aufstieg, möglicherweise weil der Wegverlauf von oben noch besser erkennbar war. Auch die Schlüsselstelle bot im Abstieg überhaupt keine Probleme.
Nach dem Ausstieg und dem anschliessenden Rückweg bis zum Passo di Mem zunächst auf gleichem Weg zurück. Dann an der Alpe di Gagèrn vorbei, weiter zu den Alpen Forcarid, Motto und Domàs, hinab nach Maruso, dann am Monastero vorbei und nach rund 4 Stunden hatte ich Claro tatsächlich erreicht.
Dass es mir vergönnt sein würde, noch in diesem Jahr auf den Pizzo di Claro zu kommen, und noch dazu über die Via Lumino, erfüllte mich am Ende dieses gut ausgefüllten Tages mit grosser Freude und Befriedigung.
Meine Gehzeiten (netto) und die Schwierigkeiten:
Monti di Savorù - Capanna Brogoldone: 1h10 T2
Capanna Brogoldone - Piz de Molinera 0h50 T2 - T3
vom Piz de Molinera auf dem Grat bis zum Einstieg (Attacco) Via Lumino 1h25 T2 - T3
Attacco Via Lumino - Gipfel Pizzo di Claro 0h45 T5 II
Gipfel Pizzo di Claro - Atacco Via Lumino 0h30 T5 II
Atacco Via Lumino - Claro 3h20 T2
PS: Wer jetzt auch noch wissen möchte, wer die Via Lumino eingerichtet hat, hier sein Foto, das Kollegen vor einem Jahr gemacht hatten, als sie ihn zufällig auf dem Gipfel trafen.

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