Wilde Leck Ostgrat


Publiziert von Michael26 , 1. November 2014 um 13:02.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Stubaier Alpen
Tour Datum:30 August 2013
Hochtouren Schwierigkeit: L
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1200 m
Strecke:Amberger Hütte - Wilde Leck Ostgrat
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Gries im Sulztal

Hochtouren im Sulztal (Stubaier Alpen)

August 2013. Nachdem wir die erste Wochenhälfte mit „Wasserfallklettern“ im verregneten Rosengarten zugebracht haben, soll jetzt alles besser werden. Wir sind zu dritt unterwegs und wollen den Ostgrat der Wilden Leck in den Stubaiern (Umschlagbild und Titeltour in Walter Pauses „Im schweren Fels“ !) in Angriff nehmen.

Mittwoch, 28.8. Gegen Mittag stellen wir unser Auto am hintersten Ende des Sulztals in Gries ab, um zur Amberger Hütte aufzusteigen. Dazu sind immerhin gut 500 Hm bis auf 2.135 m zu überwinden und daher überlegen wir sehr sorgfältig, was alles in die Rücksäcke und auf die Hütte mit muss. Unter anderem hinterfragen wir die Sinnhaftigkeit, die schweren Steigeisen und Pickel mitzuschleppen. Um auf Nummer sicher zu gehen rufen wir schnell beim Hüttenwirt an, um zu fragen, ob Pickel und Steigeisen für die Route auf die Wilde Leck erforderlich sind. Da der Wirt meint, die Route wäre auch am Gletscher vorbei ohne das Gerät zu machen, lassen wir Pickel und Steigeisen kurzerhand im Auto.
Der Zustieg zur Amberger Hütte ist ein entspannter Almspaziergang und dauert ca. 2 h. Oben angekommen quartieren wir uns ein und knüpfen erste Kontakte zu anderen Tourengehern. Unter anderen sind Bergführer des österreichischen Bundesheeres in der Hütte, die Nachwuchsgebirgsjäger ausbilden.
Natürlich wollen wir wissen, wie die Tourenverhältnisse auf der Wilden Leck und im Allgemeinen aussehen und fragen die Bergführer. Was wir zu hören bekommen, gibt uns zu denken. Die Schlechtwetterfront, unter der wir im Rosengarten zu leiden gehabt hatten, wäre auch durchs Sulztal gezogen und hätte ab ca. 3000 m eine Menge Schnee gebracht. Grate wären möglicherweise überwächtet, sogar der Aufstieg auf den Schrankogel, unter günstigen Verhältnissen eine bessere Bergwanderung, fraglich. Zwei andere Tourengeher wären am Morgen gegen Anraten der Bergführer zu dieser Tour aufgebrochen und bislang noch nicht zurück gekehrt. Tatsächlich kommen die beiden etwas später zur Hütte zurück und berichten über die Tourenverhältnisse. Der Schrankogel wäre wegen dem Neuschnee nicht zu machen gewesen, sie wären umgekehrt und jetzt froh, wieder heil unten zu sein.
Etwas verunsichert holen wir uns nochmals Rat von den Bergführern. Deren Empfehlung lautet, eine Sondierungstour über den Sulztalferner auf den Windacher Daunkogel zu machen. Von dort könne man den Ostgrat der Wilden Leck sehr gut einsehen um zu beurteilen, ob die Tour derzeit zu machen wäre. Allerdings wären Pickel und Steigeisen unabdingbar.
Da unser Gerät gut verpackt im Auto in Gries liegt, sehen wir jetzt etwas verdutzt aus der Wäsche. Die Sondierungstour klingt gut, aber wir brauchen Pickel und Steigeisen dazu, sonst geht es nicht. Schließlich bleibt uns nichts anderes übrig als noch am gleichen Abend nach Gries ab- und gleich wieder aufzusteigen und das Gerät zu holen. Gesagt, getan, der Abend ist damit gelaufen.

Donnerstag, 29.8. Frühe Tagwache und Aufbruch von der Hütte nach schnellem Frühstück gegen 7 h, Wetter ist gut.
Zunächst führt der Weg völlig eben ein ganzes Stück durch das sehr breite, weite und ganz flache Tal, welches  Refugium einer stattlichen Kuhherde ist. Erstaunlich ist dabei, dass die über den ganzen Talboden verstreuten Tiere freiwillig und ganz von selbst zur Hütte zum Melken ziehen, sobald der Senner ins Tal hinein ruft. Das ist ja wirklich praktisch.
Dann zieht der Weg über eine Steilstufe zur Gletschermoräne hinauf und danach etwas mühsam über typisches schuttiges Blockwerk zum Gletscher hin. Insgesamt eine stattliche Distanz (5 km ?) und gut 500 Hm.
Wie es sich gehört schnallen wir am Gletscher die Steigeisen unter, seilen uns an und beginnen hinauf zu stapfen. Das geht recht problemlos, denn anfangs ist es flach und es gibt kaum Spalten und auch im steilen Bereich sind die Gletscherspalten trotzt einer ordentlichen Neuschneeauflage gut zu erkennen.
Wir halten uns rechts und überschreiten den Gletscher zum Wütenkarsattel, wo wir wieder festen Boden (unter 30-50 cm Schnee) unter die Füße bekommen. Natürlich binden wir uns wieder aus dem Seil aus und da der weitere Aufstieg zum Windacher Daunkogel (soweit einsehbar) problemlos zu sein scheint, haben wir die gute Idee, unser Seil zur Gewichtsreduzierung an Ort und Stelle zu deponieren. Das machen wir auch und steigen sodann den Rücken zum Windacher Daunkogel hinauf.
Auch das geht problemlos und wir gewinnen zügig an Höhe, bis wir plötzlich, vielleicht noch 50 Hm unter dem zum Greifen nahen Gipfel, auf ein unerwartetes Hindernis stoßen. Da tut sich doch glatt ein von unten nicht einsehbarer und recht ausgesetzter Grat auf, bei guten Bedingungen problemlos begehbar (im Führer angeschrieben mit SG I), aber jetzt stattlich zugeschneit, verweht und überwechtet. Oh weh, unser Seil liegt einige hundert Hm tiefer am Gletscher und vernünftigerweise hat keiner Lust, ohne Sicherung über diesen Grat zu balanzieren. Also drehen wir zerknirscht und ohne den Gipfel in der Tasche um und machen uns an den Abstieg, der uns ohne weitere Vorkommnisse (wieder mit Seil) zur Hütte zurück führt.
Es gibt aber auch eine gute Nachricht. Die Route auf die Wilde Leck lässt sich tatsächlich gut einsehen und zeigt sich schneefrei und bestens begehbar, also günstige Vorzeichen für die für den kommenden Tag geplante Besteigung. 
Abends auf der Hütte haben wir noch einmal eine gute Idee, nämlich am nächsten Tag nach (hoffentlich erfolgreicher) Begehung der Wilden Leck gleich noch ins Tal abzusteigen und zumindest ein Stück heimwärts Richtung Norden über den Fernpass zu fahren, um übermorgen am Samstag nicht gänzlich in die Rückreisewelle zum Ferienende in NRW zu geraten und in enormen Staus stecken zu bleiben. 

Freitag, 30.8. Diesmal sind wir noch früher auf den Beinen, packen alles ein, melden uns in der Hütte ab und sind noch vor 7 h unterwegs zum Ostgrat der Wilden Leck, unsere ´Königsetappe´ hat bei prächtigem Wetter begonnen.
Unser Aufstieg verläuft plangemäß. Den Weg zum und über den Sulztalferner kennen wir schon und bringen ihn zügig hinter uns. Noch im flachen Bereich des Sulztalferners biegen wir nach rechts ab und erreichen teils über Blockwerk, teils über den nach rechts hoch ziehenden Wilde Leck Ferner, den Fuß der Wilde Leck Südwand. Von hier aus kann man den gesamten weiteren Routenverlauf gut einsehen. Vor uns die Südwand, durch die der Abstieg verläuft, darüber der Gipfel und von ganz rechts zum Gipfel hochziehend der Ostgrat, über den wir aufsteigen wollen.
Um zum Einstieg zu gelangen müssen wir erst gut 100 Hm über steiles und sehr mühsames Blockwerk zum Grat hochkraxeln. Das ist äußerst anstrengend und unlustig, wir bringen es aber leidlich hinter uns.
Übrigens sei der Hüttenwirt der Amberger Hütte an dieser Stelle bestätigt, denn es ist tatsächlich möglich, ohne Gletscherberührung und daher ohne Gletscherausrüstung (sprich Pickel und Steigeisen) diese Tour zu begehen. Man halte sich dazu einfach immer rechts vom Gletscher. Der Weg über den Gletscher ist allerdings wesentlich bequemer. 
Den Aufstieg über den Ostgrat haben wir gut im Griff. Die erste Hälfte ist nicht schwerer als SG II-III und wir gehen seilfrei.
Zugegebenermaßen ersteigen wir dabei aber nicht den „Walter Pause Gedächtniszacken“ (den vom Titelbild), sondern umgehen ihn. Den Zacken mitzunehmen wäre wohl SG IV mit einer komplizierten Abseilaktion, aber wir wollen nicht unnötig Zeit darauf verschwenden und verzichten.
Im zweiten Teil der Route stoßen wir auf die Schlüsselstelle (Piazriß oder Platte daneben, SG IV) und gehen ab da angeseilt bis zum Gipfel. Die Route ist ab der Schlüsselstelle deutlich anspruchsvoller, rechts des Grates geht es eindrucksvoll und beinahe senkrecht in die Nordwand hinunter und fixe Sicherungspunkte gibt es in der Route überhaupt nicht.
Die Absicherung mit Schlingen, Keilen und Friends ist aber gut möglich. Zuletzt erreichen wir den Gipfelaufbau und geraten hinsichtlich der Routenführung ins Grübeln. Laut Topo müssten wir den Riss in der Mitte nehmen (angeblich SG III), rechts sieht es aber etwas besser aus, eventuell sogar links. Zuletzt gehen wir rechts, es ist eine feine Seillänge, aber wohl nicht der Originalweg, denn wir bewegen uns definitiv noch einmal im SG IV. Wir kommen aber gut rauf und stehen damit endgültig am Gipfel der Wilden Leck mit ihrem futuristischen Gipfelkreuz.
An dieser Stelle muss endlich die phantastische Aussicht dieser Tour gewürdigt werden. Schon im Anmarsch ist das Panorama großartig, mit dem weiß verzierten Schrankogel und seinen Nachbarn.
Am Grat selbst ist es der Blick hinunter in die dunkle Nordwand und auf den originellen ´Walter Pause Gedächtniszacken´ sowie der sich ständig weitende Horizont über dem weißen Gletscher.
Und jetzt am Gipfel haben wir endlich Zeit die großen Stubaier Gipfel zu bewundern, das Zuckerhütl, den Wilden Pfaff und weiter im Westen die Ötztaler. Das ist schon vom allerfeinsten.
Am Gipfel werden noch rasch am rauen Urgestein aufgerissene Finger verarztet, dann geht es an den Abstieg durch die Südwand.
Und der ist nicht zu unterschätzen, ehrlich gesagt ist es der schwierigste und gefährlichste Teil der Tour. Dankenswerter Weise ist die Abstiegsroute mit roten Farbtupfern markiert, ohne diese wäre das ein wirklich halsbrecherischer Weg, denn die Wand ist steil, ausgesetzt, brüchig, schlecht einzusehen und die Wegfindung von oben wäre ohne vorausgegangenen Aufstieg durch die Südwand wohl ein gefährliches Glücksspiel. Wir seilen einige Male ab, teilweise an dubiosen Schlingen und müssen auch noch einen Seilklemmer auflösen, glücklicherweise an einer relativ einfachen Stelle. Insgesamt ist die Abstiegsroute nicht schwerer als SG II-III, aber man darf sie halt nicht verfehlen !
Am Wandfuß angekommen quälen wir uns wieder über das mühsame Blockwerk zurück und auch beim Übergang zurück auf den Sulztalferner ist Vorsicht geboten. Zwar gibt es keine richtige Randkluft, aber durch Abschmelzen klafft zwischen Fels und dem darüber stehenden Eis ein Spalt und es ist nicht ersichtlich, ob bzw. wie tief man durch das Eis einbrechen würde. Zuletzt finden wir einen sicheren Übergang und der weitere Rückweg birgt keine weiteren Tücken mehr.
Wir haben es also geschafft, Hurra, der Wilde Leck Ostgrat ist erfolgreich begangen. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber doch noch. Insbesondere als Dreierseilschaft waren wir  nicht die Schnellsten und kommen erst deutlich nach 18 h zur Amberger Hütte zurück. Da es also schon reichlich spät ist und wir verständlicher Weise kaputt sind ist von einem weiteren Abstieg und einer teilweisen Heimfahrt noch am gleichen Abend keine Rede mehr. Leider ist die Hütte aber mittlerweile durch die anströmenden Wochenendgäste voll belegt und für uns bleibt nur das überfüllte Winterlager. Na ja, wir haben sicher schon komfortabler übernachtet, aber auf der Hütte ist beste Stimmung, das österreichische Bundesheer feiert eine erfolgreiche Ausbildungswoche, die Rekruten lassen die eine oder andere Flasche kreisen, gesungen wird auch und der Wein ist nicht schlecht. So gestärkt finden wir dann doch noch zu einer gesunden Nachtruhe. Ende gut, alles gut.

Tourengänger: Michael26


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