Spiessrutenlauf am Monte Prosa (2723m)


Publiziert von Bergamotte , 24. Mai 2014 um 18:03.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:24 Mai 2014
Ski Schwierigkeit: ZS
Wegpunkte:
Geo-Tags: Gruppo Pizzo Centrale   CH-TI   CH-UR   Gruppo Pizzo Lucendro 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1225 m
Abstieg: 1225 m
Kartennummer:255S / 265S (R. 942)

Den ganzen Winter über hatte ich mich auf den grossen Saisonabschluss am Gotthard gefreut, eine Trilogie aus Monte Prosa, Rotstock und Blauberg. Heute, einen Tag nach Wiedereröffnung des Passes, sollte es soweit sein. Die Meteorologen prognostizierten beinahe ideale Verhältnisse: gute Abstrahlung in der Nacht, nur wenig Bewölkung am Morgen. Eine unglückliche Wetterkonstellation liess dann alles Makulatur werden. Stürmisches Schneetreiben und mein später Entscheid zur Umkehr verwandelten die Rückkehr zum Gotthardpass in einen regelrechten Spiessrutenlauf.

Bei meinem Start um 5:00 herrscht auf dem Gotthardpass (2111m) noch gespenstische Ruhe, was mich zunächst stutzen lässt. Auch ist zu diesem Zeitpunkt bereits offensichtlich, dass mit der Wetterprognose etwas nicht stimmen kann. Doch rechne ich fest mit der baldigen Auflösung der Bewölkung. Das erste Hindernis, die mächtige Schneewand an der Strasse, kann mit etwas Würgen überwunden werden. Dann steige ich zügig Richtung Bassa della Prosa auf (auf der typischen Frühlingsroute zum Pizzo Centrale). Unterwegs breche ich auf dem Bruchharsch regelmässig ein.

Wer den Monte Prosa anpeilt, lässt die Bassa della Prosa links liegen und steigt relativ steil (bis knapp 35°) direkt zum Grat hoch. Natürlich könnte man auch zuerst zum Pässchen hochsteigen und von dort alles dem Grat folgen. Das wäre aber ein (zugebenermassen kleiner) Umweg und der Grat ist im unteren Teil wegen Wechten eher mühsam. Nach wenigen Metern auf dem Grat deponier ich bereits die Skier und steige in fünf zu Fuss zum Monte Prosa Ostgipfel (2723m) - dem Skigipfel - auf. Der Führer erwähnt "wenig schwierige Kletterei", welche ich aber beim besten Willen nicht vorfinde. Es handelt sich ausschliesslich um unschwieriges Gehgelände. Nur wer zum Hauptgipfel weiterzieht, muss etwas Hand anlegen.

Im Süden scheinen sich die Wolken etwas zu lockern und ich erhasche einige schöne Ausblicke. Der kalte Wind und das weitere Programm lassen mich nur kurz pausieren. Mit Fellen rutsche ich direkt zur Bassa della Prosa (2592m) ab, zuunterst ein paar harmlose Wechten. Aber hier wieder der Route Richtung Pizzo Centrale folgend zum Gloggentürmlipass (2675m). Und nun kommt der (für mich) unerwartete Wetterumschwung. Im Nachhinein wäre es zweifellos vernünftiger gewesen, hier abzubrechen und via Pizzo Fortünei zurück zum Gotthardpass zu gleiten. Optimistisch - sonst gar nicht meine Art - hoffe ich immer noch auf eine kurze Störung. Diese "kurze Störung" bringt leider intensiven Schneefall und reduziert die Sicht teils auf 10 Meter. Innert 30 Minuten fallen 3-4 Zentimeter Neuschnee. Ich ziehe weiter Richtung Rotstock. Die Querung zum Sellabödeli ist auch dieses Jahr mühsam und wäre ohne Harscheisen kaum zu bewältigen. Dabei ginge es auch einfacher: Denn wer den Rotstock und nicht den Pizzo Centrale anpeilt, kann bereits auf Höhe P. 2728 abfellen und möglichst höhenneutral westwärts gleiten. Doch bei der schlechten Sicht wollte ich mich an die bekannte Route halten.

Am Fuss vom Rotstock wird mir die Sache schliesslich zu bunt und ich entscheide mich für Abbruch. Zugegeben, ein etwas eigenartiger Zeitpunkt für eine Umkehr, denn der Kulminationspunkt der Tour (der Rotstock) ist beinahe erreicht. Den Gipfel hätte ich trotz Schneegestöber noch gefunden. Doch es reut mich, diesen Gipfel für solche Verhältnisse zu "verschwenden". Lieber komme ich nochmals bei Sonnenschein (tatsächlich war es bereits einen Tag später so weit). Zudem wird mir langsam etwas unwohl. Ich kenne zwar das Gebiet, habe mein Navi dabei und objektive Gefahren wie Spalten oder Felsabbrüche gibt es keine. Trotzdem soll man sein Glück nicht herausfordern.

Über die Aufstiegsroute zurück möchte ich der mühsamen Traversen wegen nicht. Am einfachsten und schnellsten wäre der kurze Aufstieg zur Sunnig Lücke. Doch beim entsprechenden Abzweiger habe ich die Nase so voll vom Whiteout (oder wer mag schon Abfahren im Schritttempo!?), dass ich mich aus dem Bauch hinaus für die Abfahrt durchs Guspis entscheide. Hier kann man zumindest dem Flüsschen folgen und man erreicht zügig wieder "Sichthöhe". Die offensichtliche Crux dabei: Die abschliessende "Wanderung" der Passstrasse entlang zurück zum Gotthardpass. Ganze 75 Minuten kostet mich der Spass (4.5km, 400Hm). Ach ja, zuvor muss noch die reissende Gotthardreuss gequert werden - ohne Brücke kein leichtes Unterfangen. Schlussendlich bleibt mir nichts anderes übrig, als durch knietiefes Wasser zu waten. Glücklicherweise stürze ich in der starken Strömung nicht. Zumindest komme ich auf dieser umständlichen Skirundtour einmal mit frischen Füssen am Ziel an... Ach ja, bei meiner Ankunft auf dem Gotthard drückt bereits wieder die Sonne durch. Und auch der Parkplatz hat sich gefüllt, fast ausschliesslich mit Türlern Richtung Lucendro/Fibbia.

Zeiten
1:30  Monte Prosa Ostgipfel
3:25  Guspis - Gotthardpass
 

Tourengänger: Bergamotte


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