Panoramatour im Glarner Hinterland

Es kam  für einmal alles etwas anders, als geplant. Wir hatten den Erbser Stock im hinteren Sernftal im Visier, planten eine etwas zu anspruchsvolle Anmarschroute, fanden zwar prächtiges Wetter aber auch über weite Strecken sehr anstrengenden Bruchharsch vor und mussten vom ursprünglichen Plan auf den Gipfel zu steigen abkommen. Sagen wir's so - auf der Karte sah das etwas einfacher aus, als es dann draussen in der Natur daherkam. Trotzdem blieb uns eine bemerkenswert schöne Schneeschuhtour beschert. 

Noch am gleichen Tag haben wir auch von anderer, einheimischer Seite bestätigt erhalten, dass wir auf einer selten begangenen Route unterwegs waren, dass es auch für Kenner der Gegend zumindest ein Hochziehen der Augenbrauen wert gewesen wäre, wenn wir die Tour durchgezogen hätten. Ein paar Worte zum eben nicht bestiegenen Erbser Stock dann noch weiter unten.

Los ging's nachdem wir von der Postautohaltestelle Elm Sportbahnen mit einer LSB-Fahrt hinauf zum Unter Ämpächli gefahren waren. Nach einem kurzen Aufenthalt im Restaurant dort machten wir uns auf den Weg, noch ohne Schneeschuhe auf gut präpariertem Winterwanderweg zum Hängstboden bis zu einer Stelle, wo der Fahrer des Spurfahrzeugs den Weg sein liess und aufhörte, nach dem er offensichtlich auch noch eine Pinkelpause eingelegt hatte. Das muss ungefähr bei P. 1631 gewesen sein, vorher habe ich wohl was die grösste Gams in meinem Leben war gesehen, trampelte unter uns im Wald herum. Hier montierten wir die Schneeschuhe und machten uns auf einer von vielleicht einem Skifahrer und einem Fussgänger verursachten Spur durch den Wald hinüber zum unteren Teil der Bischofalp, wo wir uns dann in grandioser Schneelandschaft wieder fanden. Bei etwa 1590 m überquerten wir den Bischofbach und folgten auf einer wegen der Schneebeschaffenheit schier endlos scheinenden Traverse der traversierenden Abfahrtsspur eines Skifahrers. 

Diskurs: Meine Charmante Begleitung hat einen Freipass dafür, uncharmant zu sein. Dann nämlich, wenn ich auf einer Tour das Wort "Abkürzung" verwenden sollte. Sie steht unter ständiger Anweisung, mir in solchen Fällen einen Pickel, Skistock oder sonstigen harten Gegenstand über den Schädel zu ziehen. Ist OK für mich. Heute kam ein weiterer Begriff zur Liste der Worte oder Aussagen, die ich besser nicht mehr verwenden sollte: "Ich will nicht zu viel Höhe verlieren" bringt mir seit dieser Tour auch Haue ein. Ende Diskurs.

Die Traverse war obereklig, sehr anstrengend und streckenweise nicht ganz ungefährlich - und wir versuchten uns hoch am Hang zu halten, was in Retrospekt wohl (m)ein Fehler war. Diese Hangtraverse hat aber mit herrlichen Vistas gedankt - von denen es allerdings keine Fotos gibt, denn ums Fotografieren war mir auf der Strecke wahrlich nicht. Irgendwann habe ich dann der wieder so fantastisch vorspurenden Charmanten Begleitung den Krampf abgenommen, uns noch über die letzten paar Hm durch tiefen Pulverschnee wühlend in einigermassen normal begehbareres Gelände zu bringen. Uff. Wir waren uns wortlos einig - über die Traverse würden wir heute ganz sicher nicht auch noch auf dem Rückweg gehen wollen.

Nach einem steilen Aufstieg durch eine Waldschneise und dem kurzen Treff mit einer grösseren Schneeschuhgängergruppe, die gerade von der Leglerhütte und dem Klein Kärpf abstieg, war interne Beratung angesagt. Mit Feldstecher, Karte und GPS erkundeten wir die möglichen Varianten für den Weiterweg und entschieden uns, in einem Bogen durch die Alp Ober Erbs zu gehen um auf der anderen Seite des Erbsbachs zum Tritt zu kommen, der uns den Weg hinunter zur Skihütte Obererbs eröffnen würde. Dieses Teilstück war insbesondere wegen der kurzen, aber ausgesetzten Traverse zum Tritt nicht ganz ohne. Nach dem der Tritt geschafft war, gingen wir quer über einen Lawinenhang, der trotz der offiziell nur mässigen Lawinengefahr auch seine Gefahren bergen kann, das war nass da. Hier querten wir die Bahn eines bereits abgegangenen Schneebretts und waren dann schon glücklich, wieder auf etwas flacheres, weniger exponiertes Gelände zu kommen. 

Einkehr auf der Skihütte Obererbs, wo wir von Hüttenwart Hansruedi nicht nur sympathisch bewirtet wurden, sondern auch noch Informationen zu unseren Optionen für den Abstieg erhalten und besprechen konnten. Als wir Hansruedi erklärten, auf welchem Weg wir seine Hütte erreicht hatten, zog er die Augenbrauen in die Höhe. Das sei sehr selten, dass da jemand durchgehe. Den Erbser Stock hätte er heute auch nicht empfohlen. Spielte keine Rolle, Kondition, Schneebedingungen und Zeit hatten uns eh schon vom Plan abgebracht. Nebenbei erwähnte Hansruedi, es sei lokal im Gespräch, die Besteigung bald unmöglich zu machen, da es sich da oben um ein Tierparadies handle, das man zu schützen gedenke. Lokalpolitik und so. Gute Sache - ein paar Berge dürfen wir den Wildtieren schon überlassen, wir haben genug davon. 

Unser Abstieg von der Hütte erfolgte dann mehr oder weniger in der Falllinie durch den Wald, hinunter zur Strasse nach Elm, die wir bei P. 1261 erreichten. Als wir auf der schneebeckten und vereisten Strasse in Richtung Elm wanderten hat uns prompt ein freundlicher Glarner mit dem Auto aufgelesen und zur Haltestelle Sportbahnen Elm mitgenommen. Auf meinen Dank für den Transport wusste er nur die typische Antwort eines Glarners, die uns die Leute dort so sympathisch macht.

"Mir luegid, das es üüsä Gescht guat gooht, da hine. Dä chömmend si wider. "

Mir chömmend wider.