Gamidaurspitz (2309 m) an Heiligabend bei frühlingshaften Temperaturen


Publiziert von marmotta , 25. Dezember 2012 um 16:34.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:24 Dezember 2012
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT2 - Schneeschuhwanderung
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1475 m
Abstieg: 1475 m
Strecke:Mels, Hienzi (P. 838) - Ebenwald - Hinterwald - Vermiiboden (P. 1540) - Gamidaurspitz NW-Grat (P. 1940 - P. 2043 - P. 2151) - Gamidaurspitz retour
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Mels, Hienzi
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Mels, Hienzi

Als ich kürzlich diesen Bericht mit all den schönen, anmächeligen Fotos sah, wurden sofort Erinnerungen an meine bisherigen Ski- und Schneeschuhtouren auf Garmil und Gamidaurspitz wach und nährten den Wunsch, so bald als möglich dieser schönen Ecke im Sarganserland wieder einmal einen Besuch abzustatten. Vor allem am Gamidaurspitz lässt sich im Winter -nur unweit vom Pistenrummel im Skigebiet Pizol- Ruhe und Bergeinsamkeit erleben.
 
Da ich wegen anderweitiger Verpflichtungen nur den halben Tag Zeit hatte und deshalb bereits um 13 Uhr wieder zurück an der Bushaltestelle cff logo Mels, Hienzi sein musste, stand mir nur ein recht schmales Zeitfenster zur Verfügung. Für die Besteigung des Gamidaurspitz sollte es aber alleweil reichen.
 
Der Zufall will es, dass ich auf der Anreise im Zug eine dieser Gratis-Zeitungen in die Finger bekomme. Als ich sie aufschlage, erschrecke ich: Auf der dritten Seite ist ein Foto eines Berges abgebildet, das den Abgang einer riesigen Lawine zeigt. Ohne den Text dazu zu lesen, erkenne ich sofort, dass es sich um mein heutiges Tourenziel, den Gamidaurspitz handelt! Drei Skitourengänger hatten am Vortag bei der Einfahrt in die steile und (bis gestern) mit massenhaft Triebschnee gefüllte Nordflanke des Berges eine Lawine mit gigantischen Ausmassen ausgelöst. Dabei ist ein 39-jähriger Familienvater ums Leben gekommen. Obwohl auf der von mir geplanten Route keine Gefahr besteht, lässt mich dieser Vorfall doch nicht ganz unbeeindruckt und sollte mich gedanklich während der gesamten Tour beschäftigen…
 
Als einziger Fahrgast entsteige ich noch in der Dämmerung an der Haltestelle cff logo Mels, Hienzi dem Kleinbus Richtung Weisstannental. Nach wenigen Metern auf der vereisten Fahrstrasse montiere ich die Schneeschuhe. Das traditionelle Weihnachtstauwetter hat dem Schnee arg zugesetzt: Eine nasse, schwere und im Wald dreckige Pampe ist übrig geblieben - ich bin nicht traurig, dass ich mit den Schneeschuhen und nicht mit den Tourenski unterwegs bin. Da sich dies bis zum nächsten ergiebigen Schneefall vermutlich auch kaum ein anderer Tourenskifahrer antut, habe ich keine Skrupel, die vorhandene Skiaufstiegsspur Richtung Ebenwald zu benutzen. Zumindest im Aufstieg wäre es ausserhalb dieser Spur wohl eine unfassbare Plackerei gewesen, die Spur hingegen war hartgefroren und brach auch mit den Schneeschuhen kaum einmal durch (insofern hielten sich die von mir angerichteten "Schäden" in Grenzen…).
 
Im Aufstieg zur Alp Ebenwald wird es langsam Tag - die ersten Strahlen der Morgensonne tauchen erst die Gipfel der Alvierkette und danach die der Churfirsten in ein zartes Licht. Eine einzigartige Stimmung!
 
Nach ca. 1 h ist P. 1460 an der Alp Hinterwald erreicht. Nun verlasse ich die letzten Spuren der Garmil-Gänger und es bleibt nur noch eine schwache Spur übrig, die hinaus in die Wildnis der Alp Vermii führt: Es ist die (frische) Spur der Unglücksgänger vom Vortag, 3 Stockabdrücke lassen keine Zweifel zu. Irgendwie ein komisches Gefühl: Die sehr sportlich angelegte Spur über den langen Gamidaurspitz-Nordwestgrat und dessen Ausläufer verhilft mir, diesen schönen Aussichtsgipfel überhaupt zu erreichen - in der tiefen, schweren Pampe, in der man bei jedem Schritt bis weit über die Knie einsinkt, hätte ich wohl keine Chance und Moral gehabt, mich an diesem Tag bis auf den Gipfel zu kämpfen. Traurige Ironie des Schicksals!
 
Bei dem um diese Jahreszeit sehr tiefen Sonnenstand verläuft fast mein gesamter Aufstieg im Schatten. Dies ist aber bei Temperaturen von weit über 10 °C (an Stellen, wo der Föhnwind hineinblies, dürften es sogar an die 15 °C gewesen sein!) nicht weiter schlimm. Handschuhe und Jacke sind heute überflüssig. Erst bei P. 2151 erreichen mich die ersten Strahlen der hinter dem Gamidaurspitz stehenden Sonne, der Föhnwind nimmt an Stärke zu und bläst mir bereits hier gewaltig um die Ohren. Der Schnee bleibt bis kurz vor dem Gipfel feucht und schwer, erst in der Gipfelflanke ab ca. 2200 m (windgepresster) Pulver!
 
Nach insgesamt 2 h 45 min stehe ich am Gipfelsteinmann des Gamidaurspitz und geniesse die herrliche Aussicht hinunter ins fast 2000 m tiefer gelegene Rheintal und in die wilde, einsame Ecke des südwestlichen Zipfels des Kantons St. Gallen mit seinen schönen Gipfeln. Eine riesige, unberührte, weisse Arena! Auch die Gipfel der Alvierkette und der Churfirsten sind selbstverständlich präsent und natürlich die bekannten Grössen des Rätikons.
 
Lange verweile ich nicht auf dem Gipfel, zum Einen wegen dem starken Südwestwind, zum Anderen will ich mir auf dem Abstieg Zeit lassen. Ich erkunde noch ein wenig die gigantischen Wächten entlang der Baseggla, bevor ich dann den Abstieg antrete, zunächst die ersten Höhenmeter in herrlich weichem Pulver, bald aber ziemlich ungemütlich entlang der Aufstiegsspur zurück zur Alp Hinterwald. Dort lege ich noch eine ausgiebige Vesperpause ein, bevor ich auch noch das letzte Stück bis hinunter zur Weisstannental-Strasse hinter mich bringe. Dies geht dann wesentlich schneller als gedacht, für den Abschnitt benötigte ich gerade mal eine knappe halbe Stunde.

Tourengänger: marmotta


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Kommentare (3)


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kori hat gesagt: Spur
Gesendet am 28. Dezember 2012 um 18:44
Hallo Marmotta,

hast Du gesehen, wo die Verunglückten abgezweigt sind? Was haben sie falsch gemacht? Aufgrund der Karte schätze ich den Gamidaurspitz als "lawinensicher" ein. Wo muss man genau den Spur legen, damit man nicht ins Lawine kommt?

marmotta hat gesagt: RE:Spur
Gesendet am 28. Dezember 2012 um 19:59
Die 3 Tourengänger sind via Nordwestgrat auf den Gipfel des Gamidaurspitz gestiegen, diese Route schätze ich als sicher ein und wäre auch bei den an diesem Tag herrschenden Verhältnissen als Abfahrtsroute zu verantworten gewesen. Skifahrerisch wesentlich reizvoller ist natürlich die Nordflanke, weshalb die Tourengänger vom Gipfel nordostseitig in den Sattel unterhalb des felsigen Gipfelkopfs bzw. den Nordostgrat abgestiegen oder -gerutscht sind. Über das genaue Vorgehen der 3 Tourengänger kann ich natürlich nur mutmassen, jedoch hat man in meinen Augen bei derart heiklen Verhältnissen (lt. SLF war es, insbesondere für diese Region, lawinentechnisch der gefährlichste bzw. heikelste Tag des bisherigen Winters) und Gefahrenstufe 4 ("gross") in der Nordflanke des Gamidaurspitz nichts verloren!!

kori hat gesagt: RE:Spur
Gesendet am 28. Dezember 2012 um 22:26
Danke für die Information.

Aufgrund den Zeitungsberichten über den Unfall war es nicht klar, warum die Leute bei Stufe IV in einen Steilhang eingefahren sind. Bei einem Berg, welcher bequem über den Grat erreichbar ist. Kann ein einminütiger Abfahrt so verführerisch sein?

ich möchte auch den Gamidaurspitz in diesem Winter machen, und es ist gut vorher zu wissen, wenn es doch nicht so "einfach" wäre... ich werde die richtige Routenwahl beachten.


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