Mittagstöckli (1875m) und Schijenstock (1923m) - klein, aber fein


Publiziert von Mueri , 25. November 2012 um 18:24.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum:24 November 2012
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   Schilt-Mürtschengruppe 
Zeitbedarf: 3:15
Aufstieg: 800 m
Abstieg: 800 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Anfahrt mit PW nach Mullern

Eigentlich sollten ja der Haggenspitz und der Kleine Mythen für die heutige Nachmittagstour hinhalten...Weil aber mein Kollege und ich bereits mehrere Male auf diesen Voralpen-Gipfeln waren, überzeugte ich meinen Kollegen, dem Glarnerland einen Besuch abzustatten - genauer gesagt: einem ganz unscheinbaren Grat, der weit weniger überlaufen sein dürfte als ihr formschöner und imposanter Nachbar, Mr. Fronalpstock alias Jelmoliberg, und die Mythen.

Dieses Grätchen schien die Bedingungen zu erfüllen, die wir im Voraus stellten: Eine eher kurze Nachmittagtour soll's sein, und allzu hoch dürfen die zu erklimmenden Gipfel nicht liegen, zumal mein Kollege keine Steigeisen in Griffnähe hatte (und auch ich nicht sonderlich motiviert war, mich mit den Bergschuhen mühsam durch den Schnee zu kämpfen). Ein bei der Anfahrt erster Blick von der Linthebene aus hoch zum Grätchen stimmte skeptisch. Der Zustieg von Norden zur Fronalpscharte schien schneebedeckt zu sein, und der noch vortags verheissene blaue Himmel färbte sich zusehends grau.

Abbrechen, bevor wir beginnen? Nein! Darin waren wir uns einig. Und ebenso einig waren wir uns, dass wir keine unnötigen Risiken eingehen werden, ja die Situation immer wieder beurteilen werden und allenfalls zum Rückzug blasen müssen. Los ging's ab dem Restaurant Alpenrösli (Mullerenberg). Anfänglich der Strasse entlang, ab 'Hofalpli' eher intuitiv stiegen wir in meist tragendem Schnee zur Fronalpscharte auf. Der Schnee ermöglichte einen bequemen Aufstieg - und noch weit mehr: Unter der Fronalpscharte angekommen liessen sich zwar keine Drahtseile finden, mit Hilfe derer man gemäss anderen Berichten zur Scharte aufsteigt. Dafür hinterliessen Vierbeiner, meist Gämsen, deutliche Spuren im Schnee, sodass wir die Drahtseile rechts von uns liegen liessen und Tierspuren folgend auf den Grat gelangten.

Dass die Nordseite des Grätchens in weisser Pracht erscheint, wussten wir bereits bei der Anfahrt. Doch wie wird sich wohl das Grätchen präsentieren? Für mich persönlich - ich hatte das Grätchen bereits einmal im Alleingang bestritten - war klar, dass eine Fortsetzung der Tour schneefreie Verhältnisse voraussetzt. Und diese trafen wir oben auf dem Grat an!!! Die vorerst eher pessimistische Stimmung schlug um.

Direkt dem Grat entlang an einer Tanne vorbei gelangten wir in exponierter Kraxelei in gut gestuftem Gelände aufs Mittagstöckli. Ab dort folgte bald ein vorübergehend grosszügig breiter Grat. Richtung Schijenstock verjüngt sich der Grat zusehends, bevor er vor der Scharte, von der aus man anschliessend auf den Vorgipfel des Schijenstocks gelangt, richtig schmal wird. Zudem muss zu dieser Scharte abgeklettert werden, was sich für mich als der unangenehmste Teil der Überschreitung erwies. Alternativ kann man für dieses letzte Stück vor der Scharte jedoch den Grat verlassen und südöstlich (ca. 5 Meter weiter unten) auf einem Tierpfad fast horizontal zur Scharte gelangen (es sei denn, man setze sich zum Ziel, möglichst auf dem Grat zu bleiben).

Der Aufstieg zum Vorgipfel des Schijenstocks über gut gestuften Fels und Graspolster ist steil und teils ausgesetzt. Am besten folgt man m. E. dem Grat und lässt sich nicht von einem südlich vom Grat liegenden, von West nach Ost verlaufenden Ausläufer in Versuchung führen. Das hat mir bei meiner ersten Besteigung unangenehme Momente beschert. Vom Vorgipfel geht's ausgesetzt weiter zu einer weiteren Scharte, zu der wir nordseitig abstiegen, und dann unschwer auf den Gipfel des Schijenstocks. 

Die Gipfelbucheinträge, mitunter auch von Hikr'n, belaufen sich auf ca. fünf pro Jahr. Angesichts der rassigen Tour, die sich auch als Nachmittagstour eignet und das Herz von T6-Liebhabern definitiv zum Klingen bringt, mag diese Frequenz erstaunen. Übrigens, die spärlichen Einträge lassen sich nicht damit rechtfertigen, dass das Gipfelbuch gut versteckt sei;-)

Nach der quasi schneefreien Gratüberschreitung folgte der Abstieg über den felsdurchsetzten, aber technisch einfachen Nordhang des Schijenstocks. Naja, im Abstieg wären Steigeisen ganz nützlich gewesen, zumal die Schneeoberfläche an gewissen Orten dermassen fest und vereist war, dass man auszurutschen drohte. So kam wenigstens der Eispickel an vereinzelten Stellen zum Einsatz...

Nach dem intuitiven Aufstieg zum Fedensattel kehrten wir, zumal der existierende Wanderweg vom Fedensattel hinunter zum Mullerenberg eingeschneit war, nach einem Blick auf die Geländekarte zurück zum Ausgangspunkt der Tour. Gerade noch geschafft, bevor es völlig eindunkelte, aber für ein Foto des ganzen Grätchens reichte es leider nicht mehr. Zu dunkel war es bereits.


Tour mit Cédric

Fazit: Meines Erachtens zu Unrecht so selten von Menschen begangene Tour (ganz im Gegensatz zu den Gämsen, die gewisse Abschnitte des Grates rege nutzen; zu beurteilen anhand der Spuren und der Fäkalien).
Eine Tour ganz nach dem Motto 'klein, aber fein': eine Delikatesse, die nicht allzu viel Zeit benötigt und aus der Ferne auch nicht magisch alle Blicke auf sich zieht, jedoch einen Genuss bietet für T6-Liebhaber, die ausgesetzte Gratwanderungen und Kraxeleien nicht scheuen und ein gewisses Flair für einsame Touren haben.


Tourengänger: Mueri


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