Der Klettergarten Chinesische Mauer und der lange Weg zurück nach Mittenwald


Publiziert von alpensucht , 17. Juli 2012 um 03:06.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Wetterstein-Gebirge
Tour Datum:19 Mai 2012
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: VI (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 16:30
Aufstieg: 100 m
Abstieg: 300 m
Strecke:Chinesische Mauer - Leutasch Reindlau - Lochlehn - Unterleutasch - Mittenwald ca. 9km

Einige Zeit nach Sonnenaufgang machen wir uns von dem herrlichen Ort im Wald auf, um diesen schönen Tag im Klettergarten Chinesische Mauer zu verbringen. Nur eine halbe Stunde benötigen wir bis zu den Wänden (T3, keine Markierung, deutliche Wegspuren), die sich unterhalb des Öfelekopfs ins Leutaschtal hinab ziehen.
 
Die Schwierigkeiten beginnen bei 5c (UIAA 6) und gehen bis in den 8. französischen Grad. Es gibt einige Mehrseillängenrouten (4 SL), die aber mindestens Kletterei im Grad 6a+ (UIAA 7-) erfordern. Es sollte also der Besucher des Klettergartens schon einige Klettererfahrung mitbringen, um Spaß haben zu können. Für mich persönlich und auch zweier meiner Begleiter stellt der Grad 5c schon eine große Herausforderung dar, sind wir in Berlin doch kaum über den UIAA Grad 6 hinaus geklettert!
 
Es bleibt uns dreien nichts anderes übrig, als die wenigen 5c-Routen anzugehen, von denen die erste von Jonas, unserem erfahrensten Kletterer, vorgestiegen wird. Es handelt sich um die Route „Café Lila“ (5c+) im Sektor Astoria, welche wir immerhin bis zum letzten Haken vor dem Überhang im Nachstieg klettern können (ca. 10m), danach wird der Fels überhängend und deutlich zu schwierig für unsere Fertigkeiten. Mittels Umlenkung am Stand können meine beiden Partner toprope klettern. Die beiden anderen suchen sich inzwischen die für sie größeren Herausforderungen im 7. Grad (UIAA).
 
Als zweite Route nehmen wir auf Hinweis einiger Einheimischer „Tai Gin Seng kurz“ (20m, 5c, Sektor Samurai) in Angriff. Mit eigentlich etwas zu wenig Material kann ich die Route rotpunkt begehen und gelange im oberen Teil relativ locker zum Standplatz. Die Schlüsselstelle befindet sich am Anfang des zweiten Drittels und kann im Notfall auch rechts in einer einfachen Verschneidung umgangen werden. Die beiden anderen steigen sauber nach, bevor wir endlich eine verdiente Mittagspause einlegen. Unter den Überhängenden Felsen „schneit“ es ständig Magnesia von den über uns kletternden Seilschaften, was unseren Appetit nicht gerade fördert.
 
Als wir nach der Pause noch wegen des fehlenden Materials auf unsere beiden Könner im Sektor Samurai warten, ruft es plötzlich irgendwo über uns „STEIN!“. Wir stürzen alle blitzschnell an die Wand heran, schon kracht ein honigmelonengroßer Brocken wenige Meter neben dem seelenruhig weiter sichernden Kletterkollegen von nebenan auf. Gerade noch sehr erschrocken über die krasse Wucht dieses Steins, pfeift es auf einmal über mir und ein vielleicht kinderfaustgroßer Stein schlägt knapp neben mir, wo ich vor wenigen Sekunden noch stand, auf und springt im nächsten Moment hinab in den Waldesgrund. Verwunderlich war, wie nahe am Überhang der Stein aufprallte. Außerdem hatte ich gerade meinen Helm (die Mehrheit von uns hatte keinen) an den sichernden Kumpel verliehen…
 
Nach dem Schreck nehmen wir uns die erste Seillänge vom Pagodenpfad (20m, UIAA 6- im Hauptsektor) vor. Gleich ganz unten befindet sich die Schlüsselstelle, an der schon einer unserer Könner zu knabbern hat. Es sind einige für 6- besonders schwierige Bewegungsabläufe nötig. Dennoch gelingt mir auch diese Route flash und wieder haben die beiden anderen große Freude beim Nachsteigen. Als wir mit der Route fertig sind, beginnt für uns die Zeit des Wartens, weil die anderen beiden den Pagodenpfad alle vier Seillängen durchsteigen (max. 6a+).
 
Wir schießen indes unzählige Fotos von der herrlichen Gegend des Leutaschtals und den umliegenden Bergen und ich suche noch etwas rechts vom Hauptsektor in leicht brüchigem Fels nach seilfrei begehbarem Fels. Den finde ich auch und klettere dort vergnügt zwischen Blumen und Kräutern im I. und II. Grad. Viel mehr trau ich mir nicht zu ohne Sicherung und bei solch brüchigem Gelände. 15m hoch und wieder runter und wieder ist eine halbe Stunde vergangen.

Als die Sonne langsam unterzugehen beginnt, kommen auch Jonas und Alexej wieder runter und gemeinsam beschließen wir, noch an diesem Abend bis nach Mittenwald zurück zu laufen. Etwa 20 Uhr brechen wir also auf und machen uns auf den langen Weg bis nach Mittenwald, von wo wir mit der ersten Bahn am nächsten Tag zurück nach Berlin fahren wollen.

Erst durch den Wald bis Leutasch-Reindlau, dann auf der Straße bis ganz hinab schaffen wir es mit etwas Zuckerwasser und den letzten Riegeln geteilt und bei vielen schönen Kinder- und Jugendliedern gegen 0:30 Uhr bis nach Mittenwald. Dort hilft uns noch ein Einheimischer mit viel Dosenravioli über die Nacht und den Hunger.
 
Ein guter Tag geht zu Ende und der Neue beginnt quasi schon wieder mit der ersten Bahn nach München. Der Klettergarten ist eigentlich für seine sehr geringe Steinschlaggefahr bekannt und die Routen sind auch in den oberen Seillängen gut ausgesichert. „Die Haken und die Schwierigkeiten da oben sind so, dass man genügend Angst und damit Adrenalin aber noch keine Todesangst hat beim Vorsteigen.“ (Jonas’ Aussage bei Austausch über deren Mehrseillängentour).

Der lange Weg zurück nach Mittenwald war für uns nicht nur eine Pflichtübung, weil wir am nächsten Morgen frühzeitig heimfahren wollten, sondern bedeutete uns vor allem Teamwork, Grenzerfahrung im Umgang mit Kraftreserven (wenig Verpflegung, Schuhetausch, weil mein Bergstiefel nur noch unter äußersten Schmerzen getragen werden konnte u.a.) und nicht zu letzt auch eine Menge Spaß beim gemeinsamen Gesang und dem taktvollen Gleichschritt in die Nacht hinein. Es ist wahrhaftig ungeheuer viel Wert, gute Freunde/Seilpartner für die Berge gefunden zu haben!!
 
Danke euch Jonas, Jonas, Laura und Alexej für die coole Zeit!
 
Trotz der mittelprächtigen bis schlechten Bedingungen sind wir wieder mit unvergesslichen Eindrücken heim gefahren.

Tourengänger: alpensucht


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