Ungeplant auf den Roslenfirst (2151 m)


Publiziert von marmotta , 9. Februar 2012 um 18:49.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum: 8 Februar 2012
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT3 - Anspruchsvolle Schneeschuhwanderung
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-AI   CH-SG 
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Strecke:Wildhaus - Flürentobel - Alp Tesel - Schnüer (Umkehr auf ca. 1560 m) - Alp Tesel - Alp Grueb - Mutschensattel - Roslenfirst retour
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Wildhaus, Post
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Wildhaus, Post
Kartennummer:LK 1115 Säntis (1:25.000)

So überlaufen der Alpstein im Sommer ist, so einsam ist er in weiten Teilen im Winter. Das kommt nicht von ungefähr, sind doch nur wenige Gipfel mit Skis oder Schneeschuhen leicht erreichbar und für Anfänger geeignet. Die meisten Touren haben ausgesprochen alpinen Charakter und führen durch abschüssiges, felsdurchsetztes Gelände. Aufgrund der Steilheit des Geländes tut der Tourengänger oft gut daran, Pickel und Steigeisen mitzuführen. Ein Grundsatz, den ich heute sträflich missachtete und prompt in Schwierigkeiten geriet…
 
"Schon wieder auf den Roslenfirst - fällt dem denn gar nichts anderes mehr ein?" werden Viele jetzt sagen. Doch wie bereits der Titel verrät, war dies nicht von Anfang an geplant und steckte allenfalls als Plan B in der Tasche. Ich entschuldige mich in aller Form, dass ich leider wieder die fast tupfengleichen Bilder wie von dieser Tour anbiete.
 
Nach der kältebedingten Bergpause letzes Wochenende hatte ich für den heutigen "milden" Wintertag recht ambitionierte Pläne. Diese sahen zunächst einmal einen direkten Aufstieg von Wildhaus über die Alp Tesel zur Chreialp vor. Im Sommer ein einfacher und vielbegangener Aufstieg, welcher auch den direktesten Zugang zur Zwinglipasshütte SAC vermittelt - im Winter die Crux meiner geplanten Tour.
 
Nachdem ich erst mit einstündiger Verspätung in Wildhaus gestartet war (wieso wartet eigentlich das Postauto nicht auf einen verspäteten Regionalexpress?), stürmte ich regelrecht das Flürentobel hinauf, zum Einen, weil es hier unten grimmig kalt war und zum Anderen, um wieder etwas von der verlorenen Zeit aufzuholen. Irgendwann schreibe ich mal ein Buch über meine Langzeitaufenthalte in diversen avec-Shops, in denen ich wegen knapp verpasster Busse oder Züge einen nicht unerheblichen Teil meiner Freizeit unfreiwillig verbringe.
 
Das noch immer schattige Teseltal erreichte ich so immerhin bereits nach einer guten halben Stunde. Seit dem letzten Schneefall hatte noch keiner gespurt, eine alte, überschneite Spur war aber noch gut zu erkennen. Diese führte auf Höhe der Alp Tesel nicht etwa Richtung Mutschensattel, sondern Richtung Chreialp-Zwinglipasshütte. Diese Route bin ich bereits mehrfach im Winter gegangen und war nie auf nennenswerte Schwierigkeiten gestossen. Daher hatte ich aus Gründen der Gewichtsersparnis Pickel und Steigeisen gleich zuhause gelassen. Ein Fehler - denn die aussergewöhnlichen Schneemengen dieses Winters und die am Morgen angetroffenen Verhältnisse mit teils hartgefrorenem Schnee machen den "Sommerweg" zu einem ernsthaften Unternehmen. Das Wegtrasee ist gänzlich in der 40-45° steilen und von Felsabbrüchen gesäumten Flanke verschwunden und nicht mal ansatzweise zu erkennen. Ich folgte den teilweise noch auszumachenden alten Spuren steil den Hang hinauf und erreichte nach Passieren eines schwach ausgeprägten Absatzes über einer Felswand rechtshaltend eine offene Schneeflanke, die sich immer steiler zu einem legföhrenbestandenen Absatz hinaufzieht, den man bereits von unten erkennen kann. Etwa 20 m unterhalb des Absatzes fand ich im hartgefrorenen Schnee mit den Füssen, an denen sich dummerweise noch immer die Schneeschuhe befanden, keinen Halt mehr. Die Steilheit beträgt hier mind. 45°! Schlagartig wurde mir klar, dass ich ziemlich in der Klemme sass bzw. hing. Weiter rauf wollte ich unter diesen Umständen ohne entsprechende Ausrüstung nicht, das war klar. Aber beim Blick nach unten fragte ich mich, wie ich da mit den Schneeschuhen rückwärts wieder absteigen solle. Es ging dann (zum Glück) irgendwie, kostete mich aber unglaublich viel Kraft und Energie - die Tritte nach unten mussten sehr vorsichtig und sorgfältig gesetzt werden, ein Rutscher hätte fatale Folgen gehabt! Für die Hände gab es ausser den Trittmulden nichts zum Halten, hätte ich doch bloss wenigstens meinen Pickel dabei gehabt!
 
Im Sommer wäre das klassisches T6-Gelände, aber wie ist das Ganze im Winter zu bewerten? Da ich ja noch die Schneeschuhe an den Füssen hatte, ist das wohl meine erste Tour, die ich als WT6 einstufen würde. Weil dies aber nur verwirren würde (der Abschnitt wird bei durchschnittlichen Verhältnissen im Winter üblicherweise mit WT4 bewertet) und womöglich einige Leute von der wirklich problemlosen Schneeschuhwanderung auf den Roslenfirst abhalten könnte, habe ich die Schwierigkeit für diesen Part meiner Tour nicht in die Gesamtbewertung für diesen Bericht einfliessen lassen.
 
Wieder zurück im Teseltal, war ich nervlich und kräftemässig eigentlich schon ziemlich angegriffen. Doch nach Hause gehen ohne wenigstens mal kurz die wärmenden Sonnenstrahlen gespürt und eine schöne Aussicht von oben genossen zu haben, das wollte ich dann auch nicht gerade! Also marschierte ich durch das schattige und dank scharfer Bise a…kalte Tälchen via Alp Grueb zum Mutschensattel. Im Schlusshang zum Mutschensattel erreichte ich dann auch endlich die wärmende Sonne, wobei sich der Wind noch immer unangenehm bemerkbar machte. Vom Mutschensattel erreicht man in wenigen Minuten den höchsten Punkt des Roslenfirst (2151 m), der eine einmalige Aussicht auf die sagenhaften Kreuzberge und rundherum auf die meisten Highlights des Alpsteins bietet. Ich suchte mir ein windgeschütztes Plätzchen etwas weiter unten auf der Nordseite des Roslenfirsts, wo es sich in der Sonne gut aushalten liess. Genüsslich liess ich meine Blicke schweifen auf die wilden Gipfel der mittleren Kette mit ihren schönen Kalkwänden.
 
Beim Abstieg zurück nach Wildhaus hatte ich dann den Wind im Rücken und die Sonne im Gesicht. Bald wurde es so warm, dass ich sowohl auf Jacke als auch Handschuhe verzichten konnte. Wer hätte das in der gegenwärtigen "Eiszeit" gedacht?
 
Skifahrerisch wäre die Tour definitiv kein Highlight gewesen, so war ich nicht traurig, diesmal die Schneeschuhe genommen zu haben. Man hatte ständig die Wahl zwischen Trieb- und Kartonschnee. Die Verhältnisse wechselten dauernd, meist war der Schnee windgepresst. 

Fazit:

Der Aufstieg von Tesel zur Chreialp über die "Schnüer" setzt momentan alpine Erfahrung und u.U. auch entsprechende Ausrüstung voraus (Pickel sehr hilfreich, je nach Schneebeschaffenheit optional Steigeisen). Grundsätzlich ist der Aufstieg auch bei den derzeit vorherrschenden Verhältnissen möglich, wie ja die vielen alten Spuren beweisen. Aufgrund der Steilheit und Exponiertheit hätte jedoch ein Rutscher fatale Folgen, weshalb ich die Route derzeit ausdrücklich nicht empfehlen kann! Die Zwinglipasshütte lässt sich von Wildhaus alternativ über den Mutschensattel und den Chreialpfirst erreichen (WS, WT3), was zwar einen enormen Umweg darstellt, aber momentan bedeutend einfacher und weniger mühsam ist.       


           

Tourengänger: marmotta


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Kommentare (2)


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--- hat gesagt:
Gesendet am 9. Februar 2012 um 19:40
Salü Marmotta :-)

Ha, beinahe hätten wir uns getroffen. Ich wollte gestern ebenfalls von Wildhaus her starten und Richtung Mutschen aufsteigen, wegen Triebschneelawinengefahr entschied ich mich kurzerhand doch um und ging ab Starkenbach zum Selun. Trotz deiner kraftraubender Aktion hast du tolle Bilder geschossen!

Liebe Grüsse mounti-Ayla


Dolmar hat gesagt: Servus
Gesendet am 10. Februar 2012 um 15:47
da ging`s mir am 29.01 mit der Wegfindung hinauf nach chreialp ähnlich, wußt4 nie so recht ob ich hier richtig bin. Glücklicherweise war es aber noch nicht vereist. Zum Glück bist du gut aus der Sache rausgekommen.


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