Das Val Sementina hat mich in seinen Bann gezogen. Die Wanderapotheke ist wieder aufgefüllt und die Wunden verheilt. Ich habe mir auf der Swissmap eine Querung des tiefeingeschnittenen Grabens ausgeheckt. Schaut schon etwas wild aus. Aber wenn der Fluss nicht gerade die ganze Talsohle braucht, wäre da noch ein Durchkommen möglich. Nur 70 Meterchen weit.
Damit diese Passage eher begehbar ist, mache ich mich früh auf die Tour. Beim Parkplatz Gaggio 480m führt in gleicher Richtung der Anfahrtsstrasse ein Weg zu einem Rustico. Dessen Besitzer muss mit seinem Grundstück Ärger gehabt haben. Oder genauer mit den Wanderern, welche auf dem offiziellen Weg (LK) stets seine Ruhe gestört haben. DURCHGANG VERBOTEN heisst es auf Italienisch. Besitz kann wehtun. Somit 120m zurück zum Parkplatz und den Weg hoch gegen die Kirche San Bernardo. Nach 20hm und 120m nach links wieder zum eingangs erwähnten Weg zurück. Jenseits des armen Bürgers.
Vorerst sanfter, später kritischer, exponierter Weg nur für Schwindelfreie. Fussgänger – Verbotstafel zu Recht. Einige Geländer entschärfen. Doch einmalig, 1.4 km quasi horizontal in den unheimlichen Graben einzutauchen. Und dann der Blick zum 90m hohen Wasserfall. Wie aus einer Höhle schiesst das Wasser in die Tiefe und prescht in die Felsbrocken. Zweites Highlight: Die Fassungsröhren führen durch einige kleinere Tunnels in einer abweisenden Wand. Damit auch Passagen von 60cm Breite und 170cm Höhe! Ich erreiche die Wasserfassung 520m des Flusses.
Hoppla. Der „Talboden“ misst ganze sechs Meter Breite. Genug für den Riale. Links und rechts steile Felswände. Mein Plan zerschmilzt in Sekundenschnelle. Nur ein ganz schmales Band führt auf der Gegenseite aus dem Canon hinaus. 20cm breit, darunter 5 m Felswand, darunter der Fluss, darunter der 90m hohe Wasserfall. Zum Trost wische ich noch einige Blätter vom Einlassrost mit dem bereit gestellten Laubrechen weg. Und tschüss!
Zweihundert Meter zurück - wieder durch die phänomenalen Tunnels – bis zum ersten Graben. Nun habe ich zwei Möglichkeiten: Auf der Rippe links steil hinauf oder über die Stiegen und Leitern der höher gelegenen Wasserfassung rechts steil hinauf. Ich entscheide mich für die rechte. Schön sportlich in die Höhe, dann über Gamsspuren (oder stammen sie von Menschen) hinaufkraxeln (T5). Immer schön auf der Rippe bleiben und eher links halten. So turne ich mich 200 hm hoch und erreiche den schön herausgeputzten Weg unterhalb Monti Leone 729m.
Nach links geht’s nach Sella 926m. Auch nicht immer trivial (T3), aber nach den Strapazen von vorhin direkt eine Wohltat. Mittagessen Menü 1 mit Haselnussstängeli zum Dessert auf der wunderschönen Terrasse inmitten der Wildnis und Abbrüchen. Die verschneite Cima d‘Erbea grüsst von weit oben herab. Ja, diese Bocchetta war schön. Von hier kann ich den Gegenhang studieren. Ein Projekt: von Ör nach Monte di Dentro.
Frank Seeger hat in www.alpi.ticinese.ch nicht nur diesen schwer zu findenden Weg beschrieben, sondern eine auf der LK nicht eingetragene leichte Route von Sella nach Pianello 1030m (T3). Auf dem Hinweg zurück. Nach 170 m erscheint linkerhand eine neu errichtete Steintreppe, der Anfang eines traumhaften Weges mit wenig Steigung. Flugs erreiche ich die teils gut unterhaltenen Häuser.
„Rennstrecke“ nach Pientina 1051m (T2), Zwischenstation der Mornera-Seilbahn (Halt auf Verlangen). Zwei Wegweiser zeigen gegen rechts unten: „Mondo“ und „Monte Carasso“. Aber aufgepasst. Dieser Weg ist schwer auszumachen und ohne LK unmöglich zu finden. Grosso modo holt man ziemlich rechts aus. Jedoch ist jegliche Beschreibung unnütz. Es braucht einiges Weg-Gespür.(T4-)
Nachdem ich mich im Laub durchgeraschelt habe erreiche ich den zunehmend ausgeprägten Weg zur Kirche San Bernardo 616m, welche von Bellinzona her gut sichtbar sich vom Grau oder Grün der Wälder weiss getunkt abzeichnet.
Nun ist es nicht mehr weit zum Parkplatz (T2). Hemdsärmelig verzehre ich Schokolade und Apfel an der wärmenden Frühlingssonne. Es lenzt!
Morgen ist astronomischer Frühlingsanfang.
Kommentare (7)