Val Sementina: Der Wasserfall, die Wasserfassung und eine Direttissima


Publiziert von Seeger , 20. März 2011 um 22:56.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:20 März 2011
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Cima dell'Uomo 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 894 m
Abstieg: 894 m
Strecke:7.8 km: Parkplatz Gaggio 480m– Wasserfassung 520m – Monti Leone 729m – Sella 926m – Pianello 1030m – Pientina 1051m – San Bernardo 616m – Parkplatz Gaggio 480m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto: Bellinzona - Monte Carasso – Parkplatz beim Reservoir in Gaggio, ö.V.: Busverbindung Bellinzona – Monte Carasso, wrw-markierter Wanderweg durch die Rebberge (45 Min)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Kartennummer:1313 Bellinzona

Das Val Sementina hat mich in seinen Bann gezogen. Die Wanderapotheke ist wieder aufgefüllt und die Wunden verheilt. Ich habe mir auf der Swissmap eine Querung des tiefeingeschnittenen Grabens ausgeheckt. Schaut schon etwas wild aus. Aber wenn der Fluss nicht gerade die ganze Talsohle braucht, wäre da noch ein Durchkommen möglich. Nur 70 Meterchen weit.
Damit diese Passage eher begehbar ist, mache ich mich früh auf die Tour. Beim Parkplatz Gaggio 480m führt in gleicher Richtung der Anfahrtsstrasse ein Weg zu einem Rustico. Dessen Besitzer muss mit seinem Grundstück Ärger gehabt haben. Oder genauer mit den Wanderern, welche auf dem offiziellen Weg (LK) stets seine Ruhe gestört haben. DURCHGANG VERBOTEN heisst es auf Italienisch. Besitz kann wehtun. Somit 120m zurück zum Parkplatz und den Weg hoch gegen die Kirche San Bernardo. Nach 20hm und 120m nach links wieder zum eingangs erwähnten Weg zurück. Jenseits des armen Bürgers.
Vorerst sanfter, später kritischer, exponierter Weg nur für Schwindelfreie. Fussgänger – Verbotstafel zu Recht. Einige Geländer entschärfen. Doch einmalig, 1.4 km quasi horizontal in den unheimlichen Graben einzutauchen. Und dann der Blick zum 90m hohen Wasserfall. Wie aus einer Höhle schiesst das Wasser in die Tiefe und prescht in die Felsbrocken. Zweites Highlight: Die Fassungsröhren führen durch einige kleinere Tunnels in einer abweisenden Wand. Damit auch Passagen von 60cm Breite und 170cm Höhe! Ich erreiche die Wasserfassung 520m des Flusses.
Hoppla. Der „Talboden“ misst ganze sechs Meter Breite. Genug für den Riale. Links und rechts steile Felswände. Mein Plan zerschmilzt in Sekundenschnelle. Nur ein ganz schmales Band führt auf der Gegenseite aus dem Canon hinaus. 20cm breit, darunter 5 m Felswand, darunter der Fluss, darunter der 90m hohe Wasserfall. Zum Trost wische ich noch einige Blätter vom Einlassrost mit dem bereit gestellten Laubrechen weg. Und tschüss!
Zweihundert Meter zurück - wieder durch die phänomenalen Tunnels – bis zum ersten Graben. Nun habe ich zwei Möglichkeiten: Auf der Rippe links steil hinauf oder über die Stiegen und Leitern der höher gelegenen Wasserfassung rechts steil hinauf. Ich entscheide mich für die rechte. Schön sportlich in die Höhe, dann über Gamsspuren (oder stammen sie von Menschen) hinaufkraxeln (T5). Immer schön auf der Rippe bleiben und eher links halten. So turne ich mich 200 hm hoch und erreiche den schön herausgeputzten Weg unterhalb Monti Leone 729m.
Nach links geht’s nach Sella 926m. Auch nicht immer trivial (T3), aber nach den Strapazen von vorhin direkt eine Wohltat. Mittagessen Menü 1 mit Haselnussstängeli zum Dessert auf der wunderschönen Terrasse inmitten der Wildnis und Abbrüchen. Die verschneite Cima d‘Erbea grüsst von weit oben herab. Ja, diese Bocchetta war schön. Von hier kann ich den Gegenhang studieren. Ein Projekt: von Ör nach Monte di Dentro.
Frank Seeger hat in www.alpi.ticinese.ch nicht nur diesen schwer zu findenden Weg beschrieben, sondern eine auf der LK nicht eingetragene leichte Route von Sella nach Pianello 1030m (T3). Auf dem Hinweg zurück. Nach 170 m erscheint linkerhand eine neu errichtete Steintreppe, der Anfang eines traumhaften Weges mit wenig Steigung. Flugs erreiche ich die teils gut unterhaltenen Häuser.
„Rennstrecke“ nach Pientina 1051m (T2), Zwischenstation der Mornera-Seilbahn (Halt auf Verlangen). Zwei Wegweiser zeigen gegen rechts unten: „Mondo“ und „Monte Carasso“. Aber aufgepasst. Dieser Weg ist schwer auszumachen und ohne LK unmöglich zu finden. Grosso modo holt man ziemlich rechts aus. Jedoch ist jegliche Beschreibung unnütz. Es braucht einiges Weg-Gespür.(T4-)
Nachdem ich mich im Laub durchgeraschelt habe erreiche ich den zunehmend ausgeprägten Weg zur Kirche San Bernardo 616m, welche von Bellinzona her gut sichtbar sich vom Grau oder Grün der Wälder weiss getunkt abzeichnet.
Nun ist es nicht mehr weit zum Parkplatz (T2). Hemdsärmelig verzehre ich Schokolade und Apfel an der wärmenden Frühlingssonne. Es lenzt!
Morgen ist astronomischer Frühlingsanfang.  
 


Tourengänger: Seeger
Communities: Ticino Selvaggio


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Kommentare (7)


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bobi hat gesagt: Valle Sementina
Gesendet am 23. März 2011 um 21:03
Also so als 20-Jähriger (das war vor 44 Jahren!), sind wir mal von der Wasserfassung oberhalb des Wasserfalles bis nach Monte Sella immer im Bachbett der Sementina gekraxelt. Das war Canyoning, bevor es das überhaupt gab). Es war allerdings im Sommer und Niedrigwasser. Aber es geht. Aber eines stimmt: Die Valle Sementina ist immer wieder super!
Gruss Bobi

Seeger hat gesagt: RE:Valle Sementina
Gesendet am 23. März 2011 um 23:00
Ciao bobi
Ich war wahrscheinlich in der falschen Jahreszeit dort. Obwohl wenig Wasser nicht gerade einladend bei dieser Kälte.
Von Sella her - respektive dem zentralen Wegpunkt - wäre die Fortsetzung noch zu machen. Auch in unserem Alter :-)
Also mache Dich auf. Der nächste Sommer kommt bestimmt.
Cari saluti
Andreas

Pyramido hat gesagt: RE:Valle Sementina
Gesendet am 10. Oktober 2011 um 03:18
Hallo Bobi

Sofern ich mich nîcht ganz fest täusche, dürftest du Bobi Jecklin sein. Es freut mich, dass ich dich hier - nach vielen Jahren und ganz unerwartet - wieder einmal "treffen" darf.

Ich bin Beat Wiederkehr - ich denke, dass uns die - allerdings nicht gemeinsamen - Erlebnisse im Val Sementina miteinander verbinden, und natürlich auch die Erinnerungen an die längst vergangenen Ferientage mit unseren Eltern an den Hängen oberhalb Monte Carassos. Die Besuche bei deinen lieben Eltern und die Apfelschnitzli, die ich dort (meistens mit meinem Bruder Jürg) geniessen durfte, gehören zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen überhaupt. Das habe ich übrigens deiner Mutter - kurz vor ihrem Tod, wie ich danach erfahren habe - auch mal geschrieben.

Auch ich war vom Wasserfall fasziniert - mein (2005 leider allzu früh verstorbener) Vater Kurt übrigens ebenfalls, er hat ihn immer mal wieder aufgesucht, mehrheitlich jedoch von unten. Einmal waren wir allerdings zusammen auch an seinem "anderen Ende".

Als Bergsteiger hat mich natürlich der Morisciolo-Grat immer besonders in seinen Bann gezogen - insbesondere das von eurem Anwesen aus so schön sichtbare "Spitzli" namens "il Gügin" (SAC-Clubführer Tessiner Alpen 2 von Giuseppe Brenna, S. 487). Du hast mir damals erzählt, dass du mal auf der Nase links davon warst. Um 1987 bin ich von unserem Häuschen aus alleine losgezogen (ohne meinem Vater zu sagen wohin...), bin nach Sementina abgestiegen, um von dort aus dem ganzen Grat westlich des Tals zu folgen. Dabei gelang es mir, auch das Spitzli zu besteigen (Schwierigkeitsgrad ca. II). Leider gab es kurz darauf einen Defekt an meiner Minox-Kamera, was auch den eingelegten Film mit den Fotos von dieser Tour unbrauchbar machte. Die Hiker auf hikr.org machen aber glücklicherweise immer wieder sehr gute Fotos - hier siehst du den Gügin, wenn auch aus etwas ungewohnter Perspektive:

http://www.hikr.org/gallery/photo530801.html?post_id=37308#1

Ich war inzwischen auf vielen Viertausendern und auch auf einigen weltbekannten Bergen - ich komme aber immer wieder zum Schluss, dass die Tessiner Berge in Bezug auf Wild- und Schönheit kaum ihresgleichen finden - und dies weltweit.

Ich habe bei diesem wunderbaren Herbstwetter schon viele Touren unternommen - eine davon auch im Tessin, und zwar konnte ich den prächtigen Grat vom Ritomsee zum Pecianétt - und anschliessend zum Pécian (der Gipfel oberhalb von Ambri mit dem riesigen Kreuz) - traversieren. Ich habe diese Woche noch Ferien und hätte gerne auch noch erstmals die Cima d'Erbea Ost und West bestiegen und wenn möglich auch den Sentiero dei Frati und den Morisciolo-Grat (inklusive Gügin) begangen. Seit ca. 8 Jahren soll es ja einen Weg geben, der die Capanna Albagno mit der Alpe di Morisciolo verbindet.

Angesichts des Schnees, den es, wie ich ebenfalls auf einem Foto auf hikr.org gesehen habe, bis auf ca. 1700 m hinunter gegeben hat, muss ich dieses Vorhaben aber wahrscheinlich auf nächstes Jahr verschieben. Es ist ja schön, wenn man noch Träume hat... Ein solcher ist übrigens auch der Sosto oberhalb von Olivone. Dort bin ich vor einem Jahr ca. 80 Meter unter dem Gipfel umgekehrt.

So, das wärs vorerst. Ich hoffe, es geht dir und deiner Familie gut - ich wünsche euch jedenfalls alles Gute!

Viele Grüsse aus Konolfingen BE, auch an Dorli

Beat

bobi hat gesagt: RE:Valle Sementina
Gesendet am 10. Oktober 2011 um 20:54
Hallo Beat!
Die Welt ist klein! Deine Nachricht freut uns riesig! Wenn Du in Monte Carasso bist, schau mal vorbei, es hat meistens ein paar Apfelschnitzli (und auch Kaki- und Birnenschnitzli).
Träume dauern manchmal etwas länger. Der Camoghe, Sassariente und Monte Zeda (Val Grande) mussten lange warten. Sentiero dei Frati geistert noch herum, die neue Verbindung Albagno -Moriscolo auch. Aber eigentlich sind wir eher Wanderer und nicht Kraxler.
Alles Gute und Gruss
Bobi

Seeger hat gesagt: RE:Valle Sementina
Gesendet am 10. Oktober 2011 um 23:41
Ciao Beat und Bobi
Mein Vorschlag: Macht doch zusammen von Albagno zur Mosrisciolo. Ist wbw-markiert und schätzungsweise ein T3+. Hat an der heiklen Stelle ein Seil/Leiter. Übernachtung in Cap Albagno oder Mognone. Beide super!
Viel Mut und
cari saluti
Andreas

Pyramido hat gesagt: RE:Valle Sementina
Gesendet am 11. Oktober 2011 um 02:43
Hallo Andreas

Zuerst mal Danke für deinen sehr gut abgefassten und informativen Bericht! Dass du mir damit sozusagen die Türe geöffnet hast, nach vielen Jahren wieder einmal mit Bobi Kontakt zu haben, ist ein erfreulicher Zusatzeffekt. Ich habe gehört, dass der Schnee in diesem Gebiet schon wieder weg sei - voraussichtlich werde ich den Morisciolo-Grat in den nächsten Tagen begehen, nebst der Besteigung von Cima d'Erbea W und E sowie der Cima dell'Uomo. Ob ich mich auch an den Sentiero dei Frati heranwagen werde, bin ich mir noch nicht sicher.

Anche da mia parte cari saluti
Beat

Pyramido hat gesagt: RE:Valle Sementina
Gesendet am 11. Oktober 2011 um 02:56
Hallo Bobi

Auch ich habe mich über deine Nachricht sehr gefreut, vielen Dank!
Gerne schaue ich mal in Monte Carasso vorbei - wenn ich an die erwähnten Köstlichkeiten denke, läuft mir bereits das Wasser im Mund zusammen...;-)

Wahrscheinlich werde ich bereits in den nächsten Tagen - für die ja Kaiserwetter angesagt ist - versuchen, den Morisciolo-Grat zu begehen, inklusive Besteigung der beiden Cime d'Erbea und der Cima dell'Uomo (dies wäre nach 1980 und 89 das dritte Mal). Ob ich mich auch noch an den Sentiero dei Frati heranwagen werde, wird sich zeigen. Ich habe Respekt vor solchen Passagen. Gemäss Brenna ist ein kleiner Teil davon abgerutscht - soll aber trotzdem begehbar sein... Ich werde wohl den Pulsschlag bis zum Hals spüren, sofern ich mich dort "durchhangeln" werde...

Schön, dass du die drei erwähnten Traumziele erreichen konntest!

Ebenfalls alles Gute und viele Grüsse

Beat

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