Rauchpause am Schibenstoll


Publiziert von ossi , 18. Oktober 2010 um 20:48.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum: 6 Oktober 2010
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: VII+ (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Churfirsten   CH-SG 
Zeitbedarf: 1 Tage
Strecke:Rauchpause am Schibenstoll
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Chäserruggbahn und zu Fuss via Glurissattel-Schnüerliweg zum Einstieg (1 Std.)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Vom Gipfel zu Fuss nach Unterwasser
Kartennummer:SAC Kletterführer Churfirsten-Alvierkette-Fläscherberg

Klettern an den Churfirstenwänden. Das ist Klettern. Und Bergsteigen. Und Alpinwandern. Und gefühlsmässige Herausforderung. Und immer wieder ein Saisonhöhepunkt. Und überhaupt.

Allgemeines zur Rauchpause: Nach spätestens einer Seillänge wird klar, weshalb die Tour nicht im Plaisir drin steht... Die Rauchpause wurde im Jahre des Herrn 1988 eröffnet. Sie bietet neben kompakter Felskletterei über Steilplatten einige Risse und Verschneidungen sowie kurze Grasbänder (die aber nicht weiter stören). Im unteren Teil ist der Fels stellenweise gut zu prüfen, bevor man ihn belastet. In der oberen Wandhälfte gibt's dann nichts mehr herumzumäkeln. Vermutlich wird die Route nur selten gemacht.

Neben der reinen Kletterei überzeugt die Rauchpause vor allem durch ihr Gesamterlebnis. Der Zustieg bietet grossartiges Alpinwandern, der Aufenthalt in der exponierten Südwand mit ihrer Lebendigkeit (Steinböcke, Grasbänder, t.w. Steinschlag) bietet mehr als reines Sportklettern. Idealerweise beklettert man die Churfirstenwände im kurzen Zeitfenster der ersten Herbsthälfte, wenn die Tage noch genug lang sind, die Sommerhitze sich aber verflüchtigt hat.

Wältis legendärer Führer preist die Tour als gut abgesichert. Dies kann ja sein, im plaisir würde die Route aber als "so...so" bezeichnet, eine VII- muss obligatorisch zwischen den Haken geklettert werden.
Die Platten sind alle mit Bohrhaken abgesichert. Sobald die Kletterei einem Riss oder einer Verschneidung folgt, wird die Absicherung wesentlich freizügiger: Teilweise steckt nichts, oftmals ältere Normalhaken, einmal eine alte Sanduhrschlinge. Stände müssen teilweise verstärkt werden. Wer sich der Route gewachsen fühlt, der findet in der Rauchpause zwar eine sehr gut durchdachte Absicherung, die aber auf alles Überflüssige verzichtet. Dank des Topos im Führer ist die Route sehr gut zu finden.

Die Schwierigkeiten liegen unseres Erachtens teilweise ein gutes Stück höher als im Führer angegeben. Das mag einerseits am Bewertungsmodus der damaligen Zeit liegen. Andererseits fühlen sich die Kletterstellen in dieser Wand vielleicht auch schwieriger an, als sie tatsächlich sind: Etwas Reserven sollte man hier jedenfalls mitbringen. Unser Bewertungsvorschlag ist jeweils kursiv in der französischen Skala angegeben.

Zustieg: Am schnellsten und unterhaltsamsten vom Chäserrugg über den Schnüerliweg zum Einstieg. Hierzu wandert man zum Glurissattel, um von dort aus ins linke (östliche) Couloir abzusteigen (kaum Trittspuren, T6). Zuletzt findet man links (an der Hinterruggwand) eine Abseilstelle auf den Schnüerliweg hinunter (ca. 15m). Nun folgt man dem Schnüerliweg in die Mitte der Schibenstoll Südwand bis kurz vors Chiantiegg, wo sich der Einstieg befindet (T5).


Die Seillängen der Rauchpause:

1. SL II (3a): Über Gras und Schrofen ohne Haken zu einem Standplatz. Wir haben erst nach der ersten SL Stand gemacht und angeseilt. So ginge die SL auch als T6+ durch.

2. SL VII- (6b+): gut abgesicherte Platte mit sehr feiner Stelle. Anschliessend einfacherer Riss, wo auch selber gesichert werden darf.

3. SL VI- (5c+): Am Anfang ist der Fels sorgfältig zu prüfen. Mit zwei Bohr- und einem Normalhaken auf 35m nicht gerade übertrieben zugeschlossert. Der Stand oben braucht verstärkt zu werden.

4. SL VI+ (6a): Schöne Rissverschneidung, am Ende eine lose Schuppe. Neben dem im Führer eingezeichneten Bohrhaken fanden wir in der Mitte der SL einen gut gesetzten Friend, den wir natürlich drin liessen.

5. SL VII- (6a+): Tolle Plattenkletterei. Nach dem fünften Haken scharf nach rechts bis zu Normalhaken und dann gerade hoch zu Stand. Auch möglich: Vom fünften Haken leicht rechts haltend gerade hoch bis unter Steilstufe (ca.6m) und dann etwa zehn Meter einfach nach rechts queren zu Stand (keine Haken, ich konnte aber eine Schlinge legen).

6. SL VII, Ae (6b, Ae): Zuerst endloses Gerampfe entlang der Bohrhakenreihe, dann eine psychisch wenig erfreuliche Querung über eine Platte.

7. SL VII+, 6c: Ojeoje, gut abgesichert und guter Fels, dennoch liegt im plattigen Quergang in der oberen Hälfte ein ordentlicher runout drin. Mich hat's hier pendelsturzmässig gute fünf Meter ins Seil reingesemmelt, wobei eine alte Sanduhrschlinge die ganze Belastung aufgenommen hat: Allfällige Wiederholer sollen dies bitte bedenken.

8. SL I (T6): Super-Seillänge für T6-Liebhaber. 25 Meter Magerwiese vom Feinsten!!

9. SL VI (6a+): Der Witz des Tages sozusagen. Eine ausgezeichnete, solide Verschneidung. Herrliche Kletterei, aber sicher nicht VI und mit einem rostigen Normalhaken auf 35m auch nicht zugebohrt. Einen gut gesetzten Keil hab ich in der Route steckenlassen: Allfällige Wiederholer werden es vielleicht zu schätzen wissen.

10. SL II (3a): Hübsche Gras-Fels-Kletterei ohne fixe Sicherungen über die hübsche Garschellaschicht aufs Haupt des Schibenstolls.

Abstieg: In der Abenddämmerung ruckzuck auf dem Normalweg zurück nach Unterwasser. Zuletzt war's dunkel.

Das Rauchen hab ich mir übrigens 1996 auf einem Fenstersims im Hotel Praia Lido in Rio de Janeiro abgewöhnt. Ist das jetzt eine Rauchpause??


Tour mit Röbi

Tourengänger: ossi


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

T4-
T5
7 Sep 12
Toggenburger Seven Summits · Bergamotte
T4
27 Jun 10
Toggenburger 'Seven Summits' · xaendi
T4
6 Jul 14
Sieben Churfirsten · xaendi
T4
16 Jun 12
7 Churfirsten · xaendi
T4+
11 Aug 12
Churfirsten-Überschreitung · Daenu
T4
T3
2 Okt 07
Churfirsten in einem Tag? · MunggaLoch

Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

mde hat gesagt: Endlich!
Gesendet am 18. Oktober 2010 um 21:52
Hoi Ossi!

Habe mich schon auf Deinen Bericht aus der Rauchpause gefreut. Der Grund: zu dieser Route habe ich auch eine innige Beziehung. Wollte die auch jahrelang immer machen. Im 2007 hab ich's dann realisiert, allerdings, so gut gefallen wie Dir hat es mir nicht. Wobei, bei mir geht's ja noch, meine Liebste ordnet die Rauchpause aber auch nach geschätzten 200 gemeinsamen Mehrseillängentouren eindeutig ganz zuunterst auf der Liste ein!

Also ich meine wirklich schlecht ist sie nicht, und fand ich sie auch nicht. Aber wirklich gut auch nicht. So ein bisschen ein mässiger Zustieg zur tollen 5. SL, die Hakenleiter wollte ich freiklettern, hab's dann aus Zeitmangel nicht mal probiert. Die 6c obendran nochmals ein bisschen ein Gewürg und dann wieder vorwiegend Gras.

Vielleicht lag's auch ein bisschen an den Umständen. Nicht allzu früh auf dem Chäserrugg los, dann die T6-Manöver an den Einstieg, die Route rauf und den etwas ätzenden Ostabstieg runter. War nötig, da wir noch den Tandem-Gleitschirm auf dem Hinterrugg deponiert hatten. Knapp vor Einbruch der Dunkelheit waren wir dann oben auf dem Hinterrugg, immerhin stand der Wind perfekt an, so dass wir mit dem ganzen Karsumpel immerhin mühelos in die Luft kamen. Landung dann mit dem letzten Licht in Unterwasser...

Nach Hause, noch kurz überlegt, ob wir tatsächlich den Wecker früh stellen sollen. Schliesslich und vernünftigerweise auf ja entschieden, und am nächsten Tag dann die Excalibur an den Wenden geklettert - das war dann richtig Klettern :-)

ossi hat gesagt: RE:Endlich!
Gesendet am 19. Oktober 2010 um 12:54
Hehe! Ich gebe ja zu, reines Sportklettern war das nicht.

Mir hat's halt gefallen, weil so viele Aspekte die Kletterei bereichert haben: Neben dem Dauerbammel von wegen Absicherung kamen Exponiertheit, Vielfalt des Geländes (wie etwa Gras), Suchen der Idealline, prüfen des Gesteins allerhand interessante Sachen dazu. Ah ja, unterbewertet ist sie definitiv auch.

Aber ich geb zu, dass ich die Rauchpause nicht unbedingt wiederholen werde. Da gibt's ja noch mehr ähnliche Touren in den Churfirsten...;)

Mein Tourenpartner hat kurz zuvor die "Männer von Memmental, 7a+", gemacht. Trotz einiger Blocks in der Schlüssellänge hat er alles frei geklettert, in der Rauchpause nicht. Das zeigt wohl einmal mehr, wie subjekitv die Schwierigkeiten eingeschätzt werden und wie sehr das ganze drumherum die Herausforderung mitgestalten.

Wünsche Dir gute Touren und verrate mir doch bitte, wie man ein 7a on sight klettern kann. Gibt's da ein Müsli oder kann man so eine Art 7a-Lizenz kaufen?

mde hat gesagt: RE:Endlich!
Gesendet am 19. Oktober 2010 um 14:25
@ anderes an den Churfirsten: vom klettertechnischen Aspekt her sind die Touren in der zentralen Südwand am Zuestoll und im oberen Teil der Chäserrugg-Südwand her sicher lohnender. Die Kombination von harter Sportkletterei und trotzdem viel Abenteuer gibt's in hoher Ausprägung in der Brisi-Südwand. Die beiden Sportklettertouren am Selun-Ostgipfel fand ich auch prima, die Jabadabadu am Tristencholben auch. Frümsel-Ostwand gefällt mir hingegen weniger.

@ Bewertung: die Stelle zu Beginn der 2.SL fand ich auch klar schwerer wie die angegebene 7-, mehr so in Richtung 7/7+. Die Cruxlänge eben ein bisschen ein Gewürge, nicht mehr als 7+, aber unangenehm. Den Rest fand ich so ungefähr passend. Und die Rauchpause braucht sicher etwas Erfahrung in solchem Gelände, was ganz anderes wie die Cheselenflue-Touren ist's auf jeden Fall.

@ 7a-Lizenz: also zu kaufen gibt's da nix, die muss man sich verdienen! Ich habe mein Kraftniveau nochmals deutlich steigern können, seit ich zum Training (in der Halle) mehrheitlich nur noch aufs Bouldern gesetzt habe, und auf die Pump-Ausdauerrouten verzichtet habe. Der Schlüssel zu Onsight-Begehungen am Limit liegt aber für mich ganz wesentlich im Ausbouldern und anschliessendem Rotpunktklettern von Routen, die schwerer (als 7a) sind. Das öffnet einem die Augen dafür, was wirklich noch geht, an welch kleinen Griffen man sich eigentlich noch festhalten kann, bzw. wie wenig es braucht, um an der Wand zu bleiben. Mit diesen Erfahrungen fühlt man sich in den 7a's dann auch irgendwie freier und hat die Reserven, um im Onsight nach der richtigen Sequenz zu suchen - das mentale (unter Druck und Anstrengung cool zu bleiben) macht ja sowieso auch einen wesentlichen Teil aus. Daneben darf man aber auch nicht vergessen, viele Klettermeter im "einfacheren" (für mich so 6a-6c)-Gelände abzuspulen, wo man die Sache im Griff hat, und das Vor- und Aufwärtsstreben ohne zu zögern im Gehirn einbrennen kann.

ossi hat gesagt: RE:Endlich!
Gesendet am 19. Oktober 2010 um 19:18
Danke für Deine 7a-Ausführungen! Ich dachte, wenn ich genügend Cumulus-Punkte sammeln würde, gäbe es den 7a im Sonderangebot....;)


Kommentar hinzufügen»