Scherenturm - Scherenspitzen: Im dichten Alpstein-Nebel gestochert


Publiziert von marmotta , 18. September 2010 um 23:30. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:18 September 2010
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG   Alpstein 
Strecke:Laui - Alpli - Troosen - Schrenit - Scherenturm - Scherenspitzen, Westgipfel und retour
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Unterwasser, Post, mit PW bis Laui (gebührenpflichtig)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Unterwasser, Post
Kartennummer:LK 1114 Nesslau (1:25.000)

Obwohl sie auf der LK weder mit einer Höhenkote noch mit einer Namensbezeichnung auftauchen, sind sie doch fast so etwas wie das Wahrzeichen des Westlichen Alpsteins: Die wilden Felszinnen der Scherenspitzen mit dem Scherenturm und einigen kleineren Felsnadeln daneben heben sich markant aus der Silhouette der nördlichen Alpsteinkette ab. Der Wanderer macht gewöhnlich einen grossen Bogen um diese wilde, zerklüftete und alpine Ecke des Alspteins - den Kletterer reizt sie um so mehr, wenngleich die Anzahl der Begehungen im Vergleich zu den "glorreichen Zeiten" des Alpinen Kletterns im Alpstein doch markant zurückgegangen ist. Wie von Delta und Alpin_Rise ausgeführt und beschrieben, bietet sich eine Überschreitung (oder besser Aneinanderreihung) der Gipfel vom Scherenturm bis zum mächtigen Gamschopf an, den man auf dessen Ostseite im gehobenen Alpinwanderbereich wieder verlassen kann. Ähnliches hatten wir heute im Sinn - doch wieder einmal hat uns das unberechenbare (und keinem Wetterbericht folgende) Alpstein-Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht und zumindest einen Teil der geplanten Tour im stockdichten Nebel untergehen lassen...

Der Start in Unterwasser war vielversprechend: Einige Nebelbänke schickten sich gerade an, sich aufzulösen - einem strahlend schönen Herbsttag im Alpstein schien nichts mehr im Wege zu stehen. Also: Sonnencreme raus, Sonnenbrille auspacken, die langen Tourenhosen gegen die kurzen tauschen... doch halt! Wir sind im Alpstein, und da gibt´s nicht nur ein ganz spezielles Gebirge, sondern eben auch ein ganz spezielles Wetter. Und so durften wir die Schönheiten des Alpsteins gerade einmal während ca. 5 Minuten geniessen - genauso so lange riss der wolkenverhangene Himmel auf und gab die wilden Gipfel über dem Kessel der Alp Schrenit frei, auf die wir heute steigen wollten.

Die Alp Schrenit (1646 m) erreichten wir mit völlig verdreckten Schuhen, da der Alpweg an diesem Wochenende dem Abtrieb von Hunderten von Schafen diente und dementsprechend schmierig und versch.... war. Nach kurzer Pause, während der wir (vergeblich) auf die Auflösung des nun immer dichteren Nebels warteten, stiegen wir dann mal Richtung Gamsturm auf, den man allerdings auch nur ansatzweise erahnen konnte. Irgendwie ist es schon blöd, wenn man die Gipfelziele noch nicht einmal sieht, obwohl man unmittelbar vor ihnen steht. Wir stiegen dennoch weiter nach Nordwesten über die gegen Ende immer steiler werdende Geröllbahn zum Sattel zwischen Schwarzchopf und Scherenspitzen auf (zum Schluss T4).

Dort packten wir unsere Kletterausrüstung aus und stiegen (einer verblassten roten Markierung folgend) zum Einstieg der Kletterrouten an Scherenturm und Scherenspitzen. Um zu einem kleinen Geröllkar zwischen Scherenturm und Scherenspitzen zu gelangen, muss eine kurze Stufe über einen etwas überhängenden Block überwunden werden (II), diese Passage kann auch etwas weiter westlich durch einen sehr steilen Kamin (T5-T6) umgangen werden, was ich dann im Abstieg auch tat.

Scherenturm (ZS-, III)

Neben einer etwas schwierigeren Route durch die zentrale Südwand ist auch die "Normalroute" im östlichen Teil der Südwand gut eingerichtet (BH). Ein etwas überhängendes Wandstück gleich beim Einstieg fordert 2-3 Kletterzüge im III. Grad, anschliessend geht´s einfacher durch eine steile Rinne mit massenhaft guten Griffen und Tritten (II), bis man -kaum hat der Spass angefangen- auch schon den schmalen, exponierten Gipfel erreicht (kein Gipfelbuch). Wir sicherten uns - geübte Berggänger dürften die kurze Kletterei aber durchaus auch im Abstieg seilfrei meistern, wenngleich die Steilheit (die Wand ist praktisch senkrecht) und die Exponiertheit nicht zu unterschätzen sind. In jedem Fall sollte man den 3. Grad auch im Abstieg sicher beherrschen. Vom Gipfel seilten wir zum Bergfuss ab (1x20 m, Abseilstand=Kette am Gipfel).


Scherenspitzen, Westgipfel (WS+, II+)

Herrlich griffige Kletterei entlang der Westkante bzw. oben in kurzem, steilem Kamin in bombenfestem Kalk. Die Kletterschwierigkeiten übersteigen den oberen 2. Grad kaum - hier verzichetete ich zugunsten eines zügigeren Vorankommens sowohl in Auf- als auch Abstieg auf eine Seilsicherung, für geübte Berggänger sicher absolut vertretbar (beim Scherenturm hätt ich mich es -ohne Routenkenntnis- nicht getraut). Die Exponiertheit und Steilheit ist zwar auch hier gewaltig (gut, manches hat man im dichten Nebel gar nicht gesehen, was vielleicht auch besser war...), doch der bombenfeste Fels gibt ein Gefühl der Sicherheit. Der exponierte Gipfel bot kaum Platz für uns Drei - die Aussicht war ebenfalls äussert bescheiden: gesehen hat man eigentlich nur den durch eine ins Bodenlose hinabziehende 5m-Scharte getrennten Ostgipfel der Scherenspitzen. Mal sehen, wer hier als erste(r) eine Slackline-Überschreitung wagt... :-)

Dafür gibt´s ein schönes und sicher aufbewahrtes Gipfelbuch, in dem sich neben 2 Bleistiften auch Spitzer und Radiergummi (!) finden (falls das Gipfelbuch irgendwann doch mal voll werden sollte, kann man sich damit dann wieder Platz schaffen?). Die Scherenspitzen zählen zu den einsameren Alpsteingipfeln: Unser Eintrag im Gipfelbuch war erst der 5. in diesem Jahr!

Nachdem wir wieder an unseren Rucksäcken angelangt waren, irrten wir im völlig dichten Nebel, der kaum eine Sicht von mehr als 10-20 m zuliess und alles um uns herum ziemlich gespenstisch wirken liess, hinunter zur Alp Schrenit. Dort kurzer Schwatz mit dem Älpler und Spiel mit dem hyperaktiven Hüt(t)e(n)hund, bevor es über die Alp Mutteli zur Fahrstrasse ging, die über Laui nach Unterwasser führt. Wie bereits am Morgen hatten wir hier abermals Glück: Ein nettes Paar nahm uns mit dem Auto mit und ersparte und somit den langweiligen Hatscher auf der Teerstrasse. Danke vielmals!

Tour mit Gosia und Berglurch

Tourengänger: Berglurch, marmotta


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Kommentare (4)


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alpstein hat gesagt:
Gesendet am 19. September 2010 um 09:07
>geübte Berggänger dürften die kurze Kletterei aber durchaus auch im Abstieg seilfrei meistern, wenngleich die Steilheit (die Wand ist praktisch senkrecht) und die Exponiertheit nicht zu unterschätzen sind.

Da kommt die typisch deutsche Bescheidenheit zum Vorschein ;-) aber im Ernst, wenn Du nicht "geübt" bist, wer dann.

Beste Grüße
Hanspeter.

Berglurch hat gesagt: Scissor Sisters...
Gesendet am 19. September 2010 um 10:11
Das stimmt, marmotta ist im Abklettern wirklich geübt...
Das Abseilen hingegen - das dürfte von ihm aus sicher noch gerne mit weniger blauen Flecken abgehen ;-)

G
Lurch

marmotta hat gesagt: Eieiei...
Gesendet am 19. September 2010 um 15:39
...dass Du aber auch alles verraten musst! ;-)

marmotta hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. September 2010 um 15:38
Na ja, ob ich nun "geübt" bin oder nicht, ist -wie so vieles im Leben- relativ.... :-)

Wegen der Bescheidenheit: Das kann ja nur ironisch gemeint sein, denn kürzlich war hier noch irgendwo zu lesen, "wir" hätten eine "grossi Schnorre"... :-/

Herzliche Grüsse

Michael


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