Pizol: Traverse Wildseehörner und Lavtinahörner


Publiziert von Delta Pro , 11. August 2010 um 09:30.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:10 August 2010
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG 
Zeitbedarf: 5:15
Aufstieg: 1140 m

Umrundung des Pizolgletschers – 11 Hörner und der Pizol: eine Tour durch zwei wilde, vergessene Gipfelketten
 
Prolog: Die Traverse von Bergketten mit einer Reihe von zackigen Felsgipfeln gefällt mir ganz besonders. Unvergessen ist hier die Kreuzberg-Überschreitung vor zwei Jahren. Dass zwei vergleichbare Ketten über Jahre direkt vor meinen Augen herumtanzten, habe ich erst jetzt gemerkt: Mindestens zweimal im Jahr bin ich auf dem Pizolgletscher, und schon Dutzende Male habe ich die wilden, zerrissenen Gipfelgestalten zu beiden Seiten, die Wildseehörner und die Lavatinahörner abgelichtet. Wieso nicht auf dem Weg zur Arbeit diese Ketten mitnehmen?
 
Wildseehörner und Lavatinahörner sind Gipfelziele, die der Vergangenheit angehören. Über die letzteren schreibt der SAC-Führer treffend: „Für Kletterer zu brüchig, für Bergwanderer zu schwierig“. Könnte doch was für Delta sein?! Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von alten Routen in den Wänden der Lavatinahörner. Im neuen Führer sind diese nur noch pro Forma, ohne Schwierigkeitsangabe drin. Ich gehe davon aus, dass die Gipfel schon seit Jahren nicht, oder kaum mehr begangen werden. Auf allen Gipfeln findet man noch Rümpfe von Steinmännern, die zeigen, dass sich hier einmal Menschen herumgetrieben haben. Die Wildseehörner werden wohl noch etwas häufiger besucht, auch da die Traverse weniger ausgefallen ist als diejenige der Lavatinahörner, und als Anmarsch zum Pizol auch noch etwas mehr Sinn macht.
Ich empfand die Tour als anspruchsvoll. Die Struktur der Gipfel mit den moosigen Flanken und ausgesetzten, nassen Bändern, den steilen, teils brüchigen Felsaufschwüngen und den tiefen Scharten war mir ungewohnt und unterscheidet sich deutlich von anderen Touren. Es braucht wohl etwas Übung, um sich dort zurecht zu finden. Oft sind verschiedenste Wege möglich, weshalb ich noch selten auf einer Tour so viele Rückzieher machen musste. Die Schwierigkeitsbewertungen im Führer könnten durchaus strenger sein. So musste ich in mehreren mit WS bezeichneten Routen die Segel streichen, da ich mich nicht traute Kletterstellen mit einem guten IIIer frei zu ziehen. Oft erschien mir die Idealroute auch einfach zu heikel, weshalb aus der geplanten Überschreitung eine Traverse mit teils grosszügigen Umgehungen der Hauptschwierigkeiten in den Flanken wurde. Grundsätzlich kann man sich über grosse Teile der Traversen im T5-Bereich bewegen. Wirklich steile Kletterstellen sind nur relativ selten zwingend, und meist nur zum Erreichen der Gipfel erforderlich.
Aber ein Paradies für Gipfelsammler findet man hier! Während die Wildseehörner immerhin 6 Gipfel aufweisen, wird’s auf der anderen Seite noch besser: Es gibt 12 Lavatinahörner! Von diesen 18 potentiellen Gipfeln habe ich immerhin 11 erreicht. Die anderen warten noch, insbesondere die Vollendung der Traverse der Lavatinahörner.
 
Traverse Wildseehörner (T6, III, WS+)
Von der Pizolhütte zügig (25min) zu Wildseelücke und dann in abwechslungsreichem Aufstieg links gegen die Wildseehörner. Der Aufstieg ist bei günstiger Routewahl nicht schwierig (T4-T5). Am ersten Turm (Wilseehorn 1=W1) wird’s aber schon lustig: Gemäss Führer kann man ihn am einfachsten von Norden oder Süden, oder auch von Osten und Westen besteigen, Schwierigkeit WS. OK, eine Vielzahl von Routen. Ich umrunde den Turm zweimal und erblicke nicht eine einzige Linie, die mir wirklich einladend erscheint. Nach drei Versuchen in der trockenen Südwand gebe ich auf. Die Schwierigkeit liegt nicht unter III. Mit Seilsicherung würde ich’s aber sicher wagen. Etwas enttäuscht, dass die Tour schon mit einem Misserfolg beginnt, ziehe ich weiter.
In wenigen Schritten auf W2, um Abstieg über den steilen, aber gut gestuften Südgrat (T5). Durch Schrofen in der Westflanke in leichter Kraxelei (T5, I) auf W3, den höchsten Gipfel der Wildseehörner, der mit einer Messstation gekrönt ist. Abstieg in die Scharte W3/W4, über ein kurzes Grätchen mit kleinem Felsenfenster auf ein breites Band und auf diesem nach rechts in die Westflanke. Dort wiederum in leichter Kraxelei auf den Gipfel von W4 (T5, I).
Abstieg in die Scharte W4/W5. Die Felsbastion im Grat sah mir wenig einladend aus und ich entschloss mich von Anfang an die Umgehung durch die Flanke anzupacken. Steiler Abstieg nach Westen. Dann startete ich diverse Versuche, um zurück auf den Grat zu kommen, die sich alle im T6 der übleren Sorte verliefen: ein nasses moosiges Kriech-Band, ein glitschiger Kamin, eine rutschige Platte. Alles nicht besonders schwierig, jedoch bei den aktuellen Verhältnissen mit meiner moderaten Risikobereitschaft nicht zu schaffen. Also stieg ich durch die Rinne ziemlich weit gegen den Wildsee ab, und erreichte schliesslich über ein angenehmes aufsteigendes Band die Südwestseite von W5. Über Gras bis unter den imposanten, gegen Osten überhängenden Gipfelturm. Diesen westlich traversieren und auf dem Nordgrat in kurzer, aber steiler und exponierter Kletterei (knapp III) auf den Gipfel.
Von der Scharte W5/W6 bergauf, bis der Grat in einen Riss abfällt. Die Wand die aus diesem Riss führt, ist mit ZS bewertet, meiner Einschätzung nach mindestens eine IV, wenn nicht mehr, dazu noch schlecht sicherbar. Na ja, früher hat man das locker gemacht… Abstieg gegen rechts im Riss bis man auf Bändern wieder hinaufqueren kann. Spannender Aufstieg über Gras und plattige Felsstufen zum Gipfel von W6 (T5+, II). Der Weg ist im Abstieg recht unübersichtlich. Man merke sich, wo man im Aufstieg durchgekommen ist.
 
Pizol (T4)
Ich benötigte für die Traverse von der Wildseelücke zum Pizolgletscher rund anderthalb Stunden, d.h. ein nicht zu langer Arbeitsweg. Meinen Pegelstangen auf dem Gletscher geht’s gut. Messend über den eingeschneiten Gletscher in den Pizolsattel und über den Grat (anregende Kraxelei, I-II) auf den Gipfel.
 
Traverse Lavatinahörner (T6, II, WS)
Man könnte die Traverse direkt auf dem Pizolgipfel mit Lavatinahorn 12 (L12) beginnen. Der erste Abschwung war mir jedoch deutlich zu heikel und ich stieg auf dem Gletscher ab und querte unter die markante Scharte (Giblisattel Pt 2716) vor L11. Mit dem Gletscherrückgang ist es äusserst mühsam geworden, den Sattel zu erreichen. Steiler, loser Schutt, steinschlaggefährdet (T6). Der Aufstieg auf L11 über den Südgrat ist dann aber erstaunlich einfach (T4+) und endet auf einem fantastischen Gipfel.
Durch die senkrechte Nordwand verlaufen diverse Route, für den Abstieg allerdings völlig ungeeignet. Ich stieg weit über den Westgrat ab (T5+), bis ich im Geröll unter der Felswand zum Grat zurückqueren konnte. In anregender Kraxelei über einen Buckel und links an L10 vorbei. Den Gipfel habe ich von Nordosten über eine rund 10m hohe Felsstufe erreicht (T6, II). Es wären verschiedene Varianten möglich. L9 ist ein kleiner, aber kecker Felsturm im Grat. Auch dieser ist erstaunlich einfach von der Nordostseite zu besteigen (10m, II). Weiter zu L8, den man über einen kleinen Grat erreicht (T5). Die Besteigung von L7 ist wenig lohnend, da der Gipfel etwas abseits des Hauptkammes steht. Obwohl er von Süden schwierig aussieht, kommt man von Norden über moosigen Fels (in der Mitte Querung nach rechts) gut auf den Gipfel (T6-). Den schlanken Felsturm von L6 fasst man besser ohne Kletterausrüstung gar nicht ins Auge. Einfache Umgehung in der Ostflanke an den Fuss von L5. Dieser kleine Felsturm zeichnet sich vor allem durch sein Felsenfenster aus. Nach ein paar beherzten Kletterzügen (II) steht man auf diesem und erreicht über das Grätchen den Gipfel.
Dann ist wieder fertig lustig mit den schnellen Gipfelerfolgen. L4 schützt sich gegen Süden mit einer durchgehenden rund 15m hohen, senkrechten Wand. Der im Führer beschriebene Riss ist schnell gefunden. Für ein WS ist’s aber wieder ausgesprochen haarig (guter IIIer) und nach mehreren Versuchen entschliesse ich mich auch hier das Risiko nicht einzugehen, vor allem da wegen des Nebels der Weiterweg nicht einsehbar ist und abklettern sicher kein Vergnügen darstellen würde. Umgehungen gegen Westen sind nicht möglich. Ich steige etwas gegen Osten ab und lasse mich dann von Gamsspuren auf ein Band leiten. Dieses wird bald äusserst ausgesetzt (Fotoapparat blieb im Rucksack). Als ich nach einem Eck sehe, dass es sich nicht bessert, habe ich definitiv genug und arbeite mich schon etwas verkrampfter wieder zurück auf sicheren Grund. Fertig Lavatinahörner für heute!

Tourengänger: Delta
Communities: T6


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Kommentare (4)


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xaendi hat gesagt:
Gesendet am 11. August 2010 um 10:07
Delta at its best! Gratulation und Bewunderung von meiner Seite!

Hitsch hat gesagt:
Gesendet am 11. August 2010 um 11:03
Der Delta schnappt mir auch alles vor der Nase weg :D. Die hab ich auch geplant, aber Aufgrund von Abschlussprüfungen auf Eis gelegt. Zumal es doch arg schwierig aussieht.

Gratulation zu der tollen Teilbesteigung der Hörner.

Delta Pro hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. August 2010 um 11:15
Nun, was hab ich denn weggeschnappt? Die stehen doch noch alle dort ;-) (vielleicht mit ein paar Steinen weniger drauf).
Die Traverse selbst ist nicht mal so arg schwierig. Wenn man bereit ist immer wieder mal grössere Umgehungen zu machen, und evtl. auf ein paar Gipfel verzichtet, kommt man durchaus mit T5 durch (ausser wahrscheinlich bei L1-L4).
Gruss - und freu mich auf die nächste Beschreibung
Delta

Hitsch hat gesagt:
Gesendet am 11. August 2010 um 11:34
Weggeschnappt, insofern, dass ich gerne einmal auf unbekanntem Terrain (aus Sicht der Hikr) unterwegs wäre. Aber entweder sind die Berge gar arg schwierig oder ich finde keine Informationen darüber (ohne Führer).

Aber werd die Tour hoffentlich dieses Jahr noch wiederholen. Jetzt erst noch mal die Prüfungen durchbringen, dann hab ich einen Monat gut Zeit ehe dann die ETH beginnen würde.


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