Piz Palü (3901 m) via Ostpfeiler & Überschreitung OW


Publiziert von alpinos , 17. Juli 2010 um 18:37.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Berninagebiet
Tour Datum:14 Juli 2010
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Palü-Gruppe   Bernina-Gruppe   I 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1500 m
Strecke:Berghaus Diavolezza - Fuorcla Trovat - Vadret Pers - Ostpfeiler - Piz Palü-Ostgipfel - Piz Palü-Hauptgipfel - Piz Spinas - Fuorcla Bellavista - Fortezza - Vadret de la Fortezza - Isla Persa - Vadret Morteratsch - Chamanna da Boval SAC
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV bis Bernina Diavolezza; Luftseilbahn zum Berghaus Diavolezza

Hochtourenwoche Juli 2010 - Teil III
[Tour Robert mit Reto]

Von der Diavolezza lässt sich die Nordwand des Piz Palü bestens in seiner ganzen Breite bestens studieren. Dabei fallen dem Betrachter neben dem Normalaufstieg über die Ostschulter und dem Spinasgrat im Westen die drei Nordgrate ("Pfeiler") als mögliche Aufstiege ins Auge (Extrembergsteiger und Eiskletterer werden sich von den Aufstiegen über die Eiscouloirs und Hängegletscher begeistern lassen). Der einfachste und zugleich objektiv sicherste der drei Pfeiler ist der Ostpfeiler hinauf zum Ostgipfel. Die unteren zwei Drittel dieser Nordwandrippe bestehen aus bestem Kletterfels, das obere Drittel ist mit Firn bedeckt. Der Zustieg erfolgt zunächst entlang des Normalwegs, bis man auf ca. 3250 m Höhe unter dem mächtigen östlichsten Eiscouloir hindurch quert und den Grat erklimmt. Die Kletterschwierigkeit bewegt sich um den III. Grad, kurze Stellen sind im IV. Grad anzusiedeln. Ein Turm in der Mitte des Grates ist mit IV+ zu bewerten, er kann aber östlich umgangen werden. An schwierigeren Stellen sind alte Klemmkeile oder neuere Bohrhaken angebracht; man findet aber auch einige Klemmkeile und Schlingen entlang der Route. Der Firngrat ist, je nach Verhältnissen, ca. 40-45° steil. Als Abstiegsvarianten können anschließend entweder die Normalroute über die Ostschulter oder der Felsgrad über den Spinasgrat gewählt werden.



Nach angenehmer Nachtruhe im recht ruhigen Berghaus Diavolezza starteten wir um halb vier in den heutigen Tag. Wir folgten zunächst dem weiß-blau markiertem Wanderweg zum Fuße des Piz Trovat, dann weiter über Blockgelände, etwas Schnee und Geröll zum Fuorcla Trovat (3019 m). Hier stiegen wir über Schutt und Geröll etwas beschwerlich auf den Gletscher ab, den wir um 4:15 Uhr erreichten (eine Alternative wäre gewesen, dem Grat noch ein Stück nach SO zu folgen und auf der niedrigsten Stelle auf den Gletscher abzusteigen; sicherlich angenehmer). Nun folgten wir der ausgetretenen Spur zum Fuße des Piz Cambrena hinüber und stiegen dann in mehreren Schleifen durch die steile Spaltenzone. Mittlerweile war es hell geworden und wir konnten die riesigen Spalten eingehend bewundern.

Auf der folgenden flacheren Gletscherzone auf ca. 3250 m zweigte schon eine ältere Spur in Richtung des Ostpfeilers ab. Wir folgten dieser in einer weiten Linkskurve der Höhenlinie folgend nach Westen und dann unter dem östlichsten Eiscouloir hindurch direkt zum Grat. Der Übergang zum Fels war gut machbar; etwas Müll und zahlreiche Steigeisenkratzer bestätigten, dass wir den Einstieg gefunden hatten. Um kurz vor sechs machten wir kletterten wir über einige Felsstufen und Simse hinauf auf den Grat. Anschließend folgten wir immer dem Gratverlauf. Das Klettern war der reinste Genuss; hatten wir am Vortag noch Bedenken wegen Steilheit und Ausgesetztheit, so ließ uns der großartige, solide Fels diese Sorgen schnell vergessen. Es lief einfach optimal, das Klettern, das Zusammenspiel in unserer 2er Seilschaft, das Wetter; und das alles mit atemberaubenden Tiefblicken und beeindruckender Rundumsicht. Den Turm etwa in der Mitte des Pfeilers umgingen wir östseitig. Nach nur zweieinviertel Stunden hatten wir den Gra bis zum Firn hinauf erklettert.

Wir legten eine kurze Verschnaufpause ein und genossen die warme Sonne. Dann legten wir die Steigeisen an, nehmen die Pickel zur Hand und starteten in die Firnpassage. Auch hier wieder optimale Verhältnisse: größtenteils wunderbarer Trittschnee, nur ein zwei kurzen Stellen war harten Firn und etwas Eis und die Frontzacken kamen zum Einsatz. Die Tiefblicke hinab auf das steil unter uns liegende Eiscouloir waren eher Genuss als Bedrohung. Nach nur 30 min hatten wir das Firnstück des Ostpfeiler erklommen und erreichten in Hochstimmung um neun Uhr nach nur fünf Stunden Gehzeit den Ostgipfel des Piz Palüs (3889 m).

Leider war mittlerweile stärkerer Wind aufgekommen und hatte Wolken über dem Berg gesammelt, sodass wir zunächst nicht viel sahen. Wir ließen uns nicht beeindrucken und stiegen frohen Mutes über den schmalen, recht ausgesetzten Firngrat hinüber zum Hauptgipfel des Piz Palüs (3901 m). Hier war auch Nebel. Schade eigentlich. Aber wir hatten ja noch einen Gipfel vor uns, Piz Spinas (3823 m). Über den nun breiten Grat stiegen wir zu selbigem hinab und nun waren endlich die Wolken verschwunden und wir konnten die gigantische Aussicht genießen. Weiter ging es auf dem Felsgrat in wunderbarer Kletterei hinab zur Fuorcla Bellavista (3688 m), die wir etwa gegen halb elf erreichten.

Wieder zogen sich mehrere Spuren über den Gletscher. Wir folgten der Spur hinab zur Fortezza (3482 m). Oberhalb der Fels war heute besondere Vorsicht geboten: der Schnee verdeckte noch einige Spalten, die Schneebrücken trugen aber nicht mehr wirklich und so brach ich einmal mit dem Fuß bis zur Hüfte in eine Spalte ein, obwohl Reto gerade drüber gelaufen war. Dank unserer schnellen Reaktion verliefen diese Zwischenfälle aber ohne Folgen. Oberhalb der Kletterstelle machten wir eine Mittagsrast. Von hier aus konnten wir noch einmal den Ostpfeiler betrachten und vollbrachte Tat genießen.

Weiter ging's dann über Felsen zu den beiden Abseilstellen und dann über jetzt schon ziemlich aufgeweichten Schnee hinab zum Vadret de la Fortezza. In direkter Linie hielten wir auf die Felsen der Isla Persa (2720 m) zu und folgten anschließend einigen Schneefeldern hinab Richtung Vadret Morteratsch. Zum Schluss ging es etwas mühsam über Schott und Felsblöcke zum kleinen See. Über die Seitenmoräne erreichten stiegen wir schließlich zum Gletscher ab und überquerten diesen hinüber zur westlichen Seitenmoräne. Über lockere Blöcke, Geröll und Schutt kämpften wir uns auf die Moräne hinauf und erreichten nach etwa zehn Stunden Gehzeit um zwei Uhr die Chamanna da Boval SAC (2495 m).



Was für ein Erlebnis! Ich habe jede Minute dieser Tour genossen. Die Spalten des Vadret Pers; der großartige Ostpfeiler mit Felskletterei und den herrlichen Firngrat zum Schluss; die Überschreitung des Piz Palü mit den Tiefblicke auf die Gletscher zu beiden Seiten; und schließlich die Überquerung des Vadret Morteratsch. Eine herrliche kombinierte Hochtour mit allem was man sich wünschen kann. Und zu guter Letzt hat das Zusammenspiel in unserer Seilschaft so optimal funktiert, dass wir uns voll auf das Klettern und das Steigen konzentrieren konnten. Vielen Dank Dir, Reto, für diese herrliche Tour, die guten Laune und den Vorstieg in schwierigen Passagen. Es hat einfach riesigen Spaß gemacht!

Tourengänger: alpinos


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