Dreiländerspitze (3197 m) - Gewitter-Poker gewonnen


Publiziert von marmotta , 13. Juli 2010 um 01:07.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Silvretta
Tour Datum:10 Juli 2010
Hochtouren Schwierigkeit: WS-
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Dreiländerspitz-Gruppe   CH-GR   A 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 1300 m
Strecke:Bielerhöhe - Wiesbadner Hütte (Sommerweg) - Obere Ochsenscharte - Dreiländerspitze - Wiesbadner Hütte - Bielerhöhe (Fahrweg)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:mit PW zur Bielerhöhe (Mautgebühr 11,50 € für PKW)
Unterkunftmöglichkeiten:auf der Bielerhöhe: Gasthaus Piz Buin (www.pizbuin-silvretta.at) oder Madlenerhaus des DAV Wiesbaden (www.madlenerhaus.at) oder auf der Wiesbadener Hütte
Kartennummer:LK 1178 Gross Litzner (1:25.000)

Die Dreiländerspitze (3197 m), auf deren Gipfel die 3 Bundesländer bzw. Kantone "Vorarlberg", "Tirol" und "Graubünden" zusammenlaufen, zählt zu den renommierteren Gipfeln der Silvretta und erhält dementsprechend sommers wie winters viel Besuch. Im Vergleich zum benachbarten Modegipfel Piz Buin (3312 m) hält sich der Ansturm hier jedoch noch in erträglichen Grenzen, so dass man die Rast am schmalen, exponierten Gipfel durchaus auch an schönen Sommertagen zu Tagesrandzeiten für sich alleine geniessen kann. Trotz der etwas luftigen -aber dank massenhaft guter Griffe und Tritte in bombenfesten Silvretta-Gneis einfachen- Kletterei am Gipfelkopf kann die Dreiländerspitze gerade noch als "Wander-3000er" durchgehen, der sich aufgrund des Gletscherschwundes und damit nicht mehr gegebener Spaltengefahr auf dem Vermuntgletscher auch hervorragend für Sologänger eignet.
 
Bei der derzeit anhaltenden Gluthitze hilft nur noch der Sprung in kühle Gewässer - oder die Flucht in die alpinen Hochlagen, wo tagsüber dank nachmittäglicher Quellbewölkung oft erträglichere Temperaturen herrschen und kühle Nächte für erholsamen Schlaf sorgen. So ging es mal wieder für ein Wochenende in das mir neben dem Alpstein vertrauteste Gebirge, die Silvretta.

Da am Vormittag noch verschiedene Dinge zu erledigen waren, starteten wir erst spät (12.00 Uhr) am östlichen Ende des Silvretta-Stausees, in dem sich zur Zeit wegen Bauarbeiten nur sehr wenig Wasser befindet. Wehte am See noch ein angenehm kühlendes Lüftchen, war auf dem von Alpenrosen gesäumten Sommerweg zur Wiesbadener Hütte in der flirrenden Hitze bald einmal das grosse Schwitzen angesagt. In dementsprechend gemütlicher Gangart erreichten wir nach ca. 2 h 15 min die hotelmässig ausgebaute DAV-Hütte, wo reges Treiben herrschte. Ohne uns lange dort aufzuhalten, marschierten wir den weiss-blau-weissen Markierungen nach zur Oberen Ochsenscharte, zuletzt über die sanft geneigten Firnhalden des schwindenden Vermuntgletschers bis zur Tafel (ca. 2970 m) auf der Grenze zwischen den Bundesländern Vorarlberg und Tirol. Hier eröffnete sich uns der eindrückliche Blick über den Jamtalferner hinunter zur Jamtalhütte und nach Osten auf die Vordere Jamspitze (3176 m). Kurz unterhalb der Scharte wechselten wir noch mit zwei Berggängern, die von der Dreiländerspitze herunterkamen, ein paar Worte. Sie zeigten besorgt auf den Himmel, der sich im Nordosten bereits verdunkelt hatte - von dort war auch immer wieder Donnergrollen zu vernehmen. Die Frage war nun: reicht es noch für die Besteigung der Dreiländerspitze oder war ein rascher Abstieg zurück zur Wiesbadener Hütte geboten?

Der Wetterbericht hatte noch am Morgen die Gewitterneigung im Gebiet als sehr gering bzw. nicht vorhanden eingestuft, doch was nützt der beste Wetterbericht, wenn sich das Wetter nicht daran hält... ;-)

Wie wichtig und unerlässlich die ständige Beobachtung des Wetters und das Bereithalten von schnellen Rückzugsmöglichkeiten ist, habe ich einmal vor vielen Jahren am Grossen Seehorn erlebt, wo ich kurz unterhalb des Gipfels (ich war damals mit einem Kameraden bei bereits pechschwarzem Gewitterhimmel eingestiegen!!) von einem unglaublichen Unwetter mit dem kompletten Programm (Blitz und Donner, Orkanböen und Graupel) überrascht worden war und es wohl nur einigen Schutzengeln zu verdanken habe, dass ich noch am Leben bin. Ich schreibe dies nicht, weil ich´s besonders toll oder heldenhaft finde, was ich damals gemacht habe (eher im Gegenteil), sondern weil es mir in diesen Tagen mit verlockendem hochsommerlichen Wetter, jedoch mehr oder weniger hoher Gewittergefahr, besonders wichtig ist, noch einmal audrücklich auf die Gefahren hinzuweisen (natürlich "weiss es jeder", aber schaden kann´s auch nicht, denn es passieren leider immer noch genug Unfälle).

In unserem Fall sprachen nach Einschätzung der Lage alle Faktoren dafür, dass das Wetter innerhalb der nächsten Stunde stabil bleiben würde - im Übrigen gibt es bei der Besteigung der Dreiländerspitze mit Ausnahme des letzten Abschnitts auf dem Westgrat, für den je nach Tempo in Auf- und Abstieg 20 min benötigt werden, überall schnelle Rückzugsmöglichkeiten über die Firnhalden des Vermuntgletschers.

Während Jutta, die ohnehin zu keiner Zeit den Gipfel besteigen wollte, bereits den Abstieg über den Wanderweg zur Wiesbadener Hütte antrat, travesierte ich leicht ansteigend das Firnfeld hinüber zur Nordwestflanke der Dreiländerspitze. Dort im Zick-Zack in immer steiler werdendem Firn (im Spätsommer evtl. Blankeis) bis zu den Felsen des Westgrates, der mit Vorteil möglichst hoch erreicht wird. Man kann auch bereits weiter unten auf den Grat wechseln (was ich im Aufstieg tat), muss sich dann aber mit steilem Schutt und einer etwas unangenehmen Felsstufe (II, Haken) herumplagen. Auf dem Westgrat angelangt, erreicht man auf Wegspuren, Bändern und einzelnen Felsplatten- oder Stufen (I) schnell den Vorgipfel, von dem man -etwas in die Südflanke ausweichend- zur Scharte zwischen Vorgipfel und dem kleinen, exponierten Hauptgipfel mit Gipfelkreuz und Buch hinüberklettert. Von der Scharte etwas ausgesetzt auf gutem Band in der Nordseite zu den finalen Gipfelfelsen, die sich am besten wiederum auf der Südseite über ausgeprägte Risse erklettern lassen (I-II). Dank der vielen Begehungen ist alles bombenfest, und die hübsche Kraxelei macht dank guter Griffe und Tritte richtig Spass. Leider ist das zerfledderte und vollgeschriebene Gipfelbuch völlig unbrauchbar - die kurze Überlebensdauer von gerade mal 4 Jahren zeugt von der Beliebtheit dieses fantastischen Aussichtsgipfels. Ich hatte den Gipfel kurz vor 17.00 Uhr erreicht und genoss die Einsamkeit und die fantastische Stimmung, die durch das Farbspiel von Sonne im Süden und schwarzem Himmel im Norden erzeugt wurde.

Da ich mir nicht sicher war, ob das Wetter tatsächlich den ganzen Abend stabil bleiben würde, trat ich bald wieder den Abstieg an und hatte bereits 45 min später wieder die Wiesbadner Hütte erreicht, wo wir noch gemütlich auf ein Bier einkehrten. Wie meist in der Silvretta, traf sich dort mal wieder die halbe Bodensee-Hegau-Oberschwaben-Connection, so dass es noch sehr nett war und wir mal wieder staunten, wie klein die Welt doch ist... :-)

Leider mussten wir jedoch den gastlichen Ort noch vor Ausgabe des Abendessens verlassen, da uns ja noch ein 1,5-stündiger Hatsch auf der Fahrstrasse bis zu unserer Unterkunft auf der Bielerhöhe bevorstand. Die Motivation, diese Meter noch unter die Füsse zu nehmen, war erwartungsgemäss nicht besonders hoch, wurde aber dadurch aufrecht erhalten, dass im Gasthaus Piz Buin die warme Küche um 20.00 Uhr schliesst, was wir dann gerade so schafften. Ach ja, ein WM-Fussballspiel gab´s danach im Gastraum auch noch anzuschauen - mit vielen Uruguayer Fans... :-/

P.S.: Das Wetter blieb den ganzen Abend und die ganze Nacht stabil - ein Gewitter gab es nicht, für einmal hatte der vielgescholtene Wetterbericht Recht behalten!

Tour mit Jutta  


    

Tourengänger: marmotta, nevada


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Kommentare (2)


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HikrAlex hat gesagt: Schöner Bericht
Gesendet am 16. März 2011 um 00:04
Als ich deinen Bericht gelesen und die Bilder angeschaut hab, da dacht ich: jaja die dreiländerspitz, so oft am silvrettasee gewesen und nie hoch gestiegen...
ich hätte mal ne frage: wie schauts da mit dem (kümmerlichen?)gletscher aus? gibts spalten auf dem weg? ab welcher höhe befindet sich der weg aufm gletscher?

marmotta hat gesagt: RE:Schöner Bericht
Gesendet am 21. März 2011 um 22:25
Danke für den Kommentar! Die Dreiländerspitze ist ein wirklich lohnendes Gipfelziel - auch ich hatte sie viele Jahre (meist von der Jamtalhütte aus) im Visier, aber nie zuvor bestiegen. Der Aufstieg hat (bei günstigen Verhältnissen) eher den Charakter einer (alpinen) Wanderung, denn einer Hochtour. Nach meiner Einschätzung ist auf dem Vermuntgletscher, insbesondere im Bereich zwischen Ochsenkopf und Dreiländerspitze, nicht mit grösseren Spalten zu rechnen. Sollte es einige (Mini-)Spalten geben, sind diese bis in den Frühsommer sicherlich gut mit Firn verfüllt. Schlussendlich muss es aber jeder für sich selbst entscheiden bzw. die Situation selbst vor Ort beurteilen (ich war an diesem Tag der einzige Sologänger, die Tourengänger, die ich traf, gingen angeseilt).

Man betritt den Gletscher bzw. Firn ab einer Höhe von ca. 2800 m, wobei ich nicht genau sagen kann, wo jetzt der Gletscher anfängt, da ja wie erwähnt noch einiges an (Alt-)Schnee lag. Die Route ist bis zur Ochsenscharte markiert (weiss-blau-weiss).

G.
marmotta


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