...nur noch schnell `ne leichte Klettertour!


Publiziert von hgu , 8. Februar 2010 um 11:55.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Berchtesgadener Alpen
Tour Datum: 9 September 2009
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Unterkunftmöglichkeiten:Zeppezauer Haus (prima AV-Hütte)

Bildbericht derzeit unter:
http://picasaweb.google.com/ueberberg/SalzburgerHochthron02#


Ostwandverschneidung, Untersberg, Salzburger Hochthron ( IV + )

Vor unserer Rückreise nach Köln soll noch schnell `ne kurze Klettertour her.

Aus unzähligen Zetteln fische ich ein Topo hervor. Die Ostwandverschneidung am Salzburger Hochthron.

Ein moderater (IV+) Klassiker, eine alpin angehauchte Tour mit gebohrten Standplätzen und wenigen Zwischensicherungen in festem Fels. 7 Seillängen und mit Seilbahnunterstützung in gut drei Stunden zu machen!

 

Um 11:30 Uhr schweben wir mit der Bergbahn zum Untersberg hinauf. Die letzte Talfahrt um 17:30 Uhr sollte also kein Problem sein.

Um 12:15 stehen wir auf dem Gipfel des Hochthron und suchen den Zustieg zur Abseilpiste. Als Besonderheit werden die Touren in der Ostwand von oben, über eine Abseilpiste erreicht und beginnen etwa in Wandmitte, direkt oberhalb des steilen Schrofenvorbaus.

Um 12:30 Uhr finden wir endlich die Stelle, durch die wir über Steilgras hinab zu einer großen Höhle gelangen.
Vorsichtig tasten wir uns unter Nutzung des Fixseil an die Felsnase heran, an der die Abseilkette montiert ist. Um 13:00 legen wir die Klettergurte an, ich fädele und verbinde unsere Halbseile und beginne mit der ersten Abseilfahrt. Wir brauchen über eine Stunde um die erste Abseilstrecke zu bewältigen. Ich finde den passenden Zwischenstopp nicht, lande auf einem Plateau und muss einige Meter seilfrei durch eine brüchige Rinne queren. Dirk findet den Zwischenstand, hat dann aber große Mühe das Seil ab zu ziehen und so beginnen wir erst nach 14:00 Uhr die nächste Abseilfahrt. Wir machen nach ca. 25 Meter am nächsten Stand Halt, bauen um und seilen erneut ab. Wieder finden wir einen guten Abseilstand, ziehen das Seil ab und lassen es weiter abwärts gleiten.

Nun seile ich erneut ca. 50 Meter ab und lande an einem guten Standplatz mit zwei Bolts, die mit einem roten Seilstück verbunden sind.

Eine intensive Suche nach dem weiteren Weg bleibt erfolglos. Ich bin jetzt oberhalb des steilen Schrofenvorbaus, am Fuße der Felsen und habe noch ca. 200 Meter Absturzgelände unter mir. 200 Meter unter uns, ist deutlich ein Wanderweg zu erkennen, der von der Toni-Lenz-Hütte herunter kommt. Weit rechts sind etwas oberhalb von mir weitere Standplätze zu sehen, zu denen ich mich nun aufmache.

Am anvisierten Standplatz angekommen, erkenne ich eine vergilbte Schrift, die mir den Routennamen verrät: „Wenn der Vater mit dem Sohne“! Ich signalisiere Dirk, dass er zu mir abseilen kann und wir uns dann nach unten, zu dem Wanderweg weiter abseilen können. Dirk weigert sich nach zu kommen. „Es geht nicht weiter abwärts“, erklärt er mir! Erst jetzt begreife ich, dass alle Touren in der Ostwand durch Abseilen von oben erreicht werden und kein Weg durch den steilen Schrofenvorbau nach unten führt bzw. von dort herauf leitet.

Wegen der fortgeschrittenen Zeit –es ist mittlerweile fast 16:00 Uhr- habe ich mit der eigentlichen Klettertour bereits abgeschlossen. Ich sehne mir jetzt nur noch einen Ausweg aus unserer misslichen Lage herbei. 5 Minuten später klettere ich wieder zu Dirk hinauf.

Hier stehen wir nun, eingebunden in unsere Halbseile, mit wenig Material am Gurt und mit fast leeren Rucksäcken auf dem Rücken. „Es sollte ja nur eine ganz kurze Klettertour werden.“

Unter uns saugen 200 Meter schrofigem Absturzgelände an unseren Nerven und über uns wartet blockierend eine ca. 50 Meter hohe, steile Felsmauer.

Wir wissen, es gibt nur zwei Weg aus dieser Wand: entweder wir lassen uns vom Heli abholen oder klettern durch die steile Felsmauer aufwärts und suchen unser Heil in der Flucht nach oben.

Die Hakengalerie über uns weist uns einen Weg durch die steile Plattenflucht. Wir sind uns einig, zuerst der kletternde Versuch, den Heli können wir immer noch rufen.

Alles Material kommt an meinen Gurt und auf geht es. Hoch konzentriert, mit zittriger Hand und weichen Knien löse ich mich vom sicheren Standplatz. Der erste Haken ist nah und schnell erreicht. Auch der zweite Stift, wenige Meter links, lässt sich gut klinken. Ich werde ruhiger und finde tolle Griffe, die mich höher leiten. Die Linie ist logisch und zieht im Zick-Zack durch die Schwachstellen des Felsriegels. Schnell habe ich wegen der hohen Hakendichte meine Pärchen verbraucht und spüre wegen der vielen Richtungsänderungen den zunehmenden Seilzug. Ich lasse mich ein paar Meter ab und sammele einige Pärchen wieder ein. Auf ein neues durchsteige ich den hier befindlichen markanten Riss und genieße nun erstmals diese herrliche Kletterei. Über den festen, rauen und griffigen Fels erreiche ich 30 Meter höher den ersten Standplatz.

Dirk kommt nach, genießt nach anfänglicher Unsicherheit ebenfalls die tolle Kletterei, übernimmt das Material und steigt sofort weiter aufwärts. Links müssen wir uns halten, das ist inzwischen klar! Dirk kann nach wenigen Metern einen alten Haken klinken und verlässt sodann den rauen Fels. Er tastet sich durch einen Schrofenriegel aufwärts und findet hinter einem Absatz einen Abseilhaken; einen gelb markierten alten Torstahlbügel!

Wir erinnern uns an die Beschreibung im Topo und wissen um die dortige Formulierung: „…abkletternd über Schrofen zu gelbem Torstahlbügel.“

Wir sind auf dem richtigen Weg und finden nach einer weiteren Seillänge im Quergang zwei gelbliche, verwitterte Torstahlbügel, die den Einstieg in die Ostwandverschneidung sein müssen! Dirk steigt mutig in die kaminartige Verschneidung ein und erkennt am zweiten Haken, dass dies keine IV- sondern eher eine V+ ist. Der nochmalige Blick ins Topo zeigt, dass wir im Paralleleinstieg, der wesentlich schwereren Einstiegsvariante (VI) sind. Dirk, im hakenlosen und auch seilfreien Agieren in alpinem Terrain mittlerweile erprobt, quert nach links, steigt aus der Verschneidung aus und findet am oberen Wandsockel den ersten Stand unserer Ostwandverschneidung! Es ist nun 17:30 Uhr und ich eile durch die nächste Plattenflucht. Rau und griffig, dafür mit nur einem Haken auf 30 Metern, geht es aufwärts. Ich komme gut voran und kontrolliere mit der Uhr ständig den zeitlichen Ablauf!

Am 2. Stand bin ich nun angekommen und übernehme Dirks Sicherung. Ich finde Zeit über den möglichen weiteren Ablauf zu sinnieren.

„Das wird knapp, noch ein kleiner Patzer und wir biwakieren hier in dieser Wand. Bei Dunkelheit zu klettern ist zu riskant! Wenn wir Gas geben, können mit dem letzten Tageslicht oben raus sein; dann zur Bergstation und eine geschützte Ecke für das nächtliche Biwak gesucht. Der Abstieg zu Fuß ist zu gefährlich, also müssen wir oben am Haus bleiben. Das ist sicher verschlossen, vielleicht ist aber ein Lagerschuppen offen, in den wir uns verkriechen können. Ob wir dort auch etwas Essbares finden und ein Bier, das wäre super!

 

Egal, Hauptsache raus aus der Wand, der Rest wird dann schon gehen!“

Zügig klettern wir in wechselnder Führung bis zum Beginn der Schlüsselseillänge. Fast 19:00 Uhr, die Dämmerung zieht auf und ich starte in die Schlüsselseillänge. 40 Meter, IV+, reichlich Haken und tolle Kletterei! Abdrängende Verschneidung, tiefer Kamin, steile Platte, dann ein kleiner Überhang und rein in die Nische; Stand! Dirk müht sich nach; klemmt, greift, spreizt und zieht sich zu mir hinauf. Tief unter uns liegt die Toni-Lenz-Hütte. Ob wir die evtl. auch bei Dunkelheit finden und erreichen können? Erst einmal weiter hoch, noch zwei Seillängen; raus aus der Wand!

Dirk führt die sechste und ich die letzte Seillänge hinauf zum Ausstieg aus der Ostwandverschneidung des Salzburger Hochthrons. Um 19:35 Uhr winde ich zwei Bandschlingen und das Seil um das Gebüsch am Ausstieg. Ich sichere Dirk an diesem alpinen Stand hinauf. Um 19:45 Uhr steht er neben mir. Schnell alles einpacken, Seil aufnehmen und Schuhe wechseln. Zügig geht’s zur Bergstation; im Geiste auf der Suche nach einem windgeschützten Biwakplatz. Ob die Wartehalle wohl offen ist?

Wir erreichen um 20:00 Uhr die Bergstation und erkennen 50 Höhenmeter unterhalb, seitlich auf einem Geländeabsatz, das Zeppezauerhaus! Da scheint ja noch Betrieb, eine AV-Berghütte, bewartet und unsere Bleibe für die Nacht!

Es folgt eine völlig unkomplizierte Aufnahme in ein komfortables Lager, dass wir mit zwei freundlichen Kletter-Kollegen teilen. Nach der Katzenwäsche große Augen vor der Speisekarte und dürstend die erste Halbe. Dann genießen wir um 20:45 Uhr ein herrliches Nachtmahl. Leberkäse, Bratkartoffel, Salat und zwei weitere frisch gezapfte Halbe, das ist ein grandioser Abschluss einer abenteuerlichen Bergfahrt!

Nach erholsamer Nacht und einem prima Frühstück schweben wir um 10:00 Uhr mit der Bergbahn zu Tale, fahren um 11:00 Uhr über die A 8 gen Norden und sitzen um 17:00 Uhr beim Kaffee in Herkenrath!

Hans-Gerd, im September 2009


Tourengänger: hgu


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