Kurzbericht 

Von Pakistan auf das Weisshorn


Publiziert von lorenzo , 8. Mai 2019 um 22:33.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Mittelwallis
Tour Datum:12 September 1999
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 13:30
Aufstieg: 3080 m
Abstieg: 3080 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Täsch oder mit dem Auto zum Parkplatz Schali
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Weisshornhütte SAC
Kartennummer:LK 1328 Randa: J. Mock, K. O'Neill, Trekking in the Karakoram & Hindukush, Lonely Planet 1996; H. Biner, Hochtouren im Wallis, SAC 1994; D. Silbernagel, S. Wullschleger, Walliser Alpen, topo.verlag 2010

Bei einem Kurs während dem Studium hatte eine Mitstudentin aus dem Wallis einen kräftigen und stämmigen Kommilitonen und Bergsteiger ebenfalls aus dem Wallis mit herausforderndem Blick gefragt, wo er am Wochenende gewesen sei: "eppa üfem Wysshore?" Seither glaubte ich zu wissen, dass man nicht nur als Walliser auf dem Weisshorn gestanden haben muss, um in den Augen der Walliserinnen, die durchwegs "gächi Wybera" sind, Ansehen und Anerkennung zu geniessen. Besagter Mitstudent hat denn auch nicht nur bei den Frauen Erfolg gehabt, sondern ist später Bergführer und Chefarzt geworden. Ich machte aber im Verlauf der Zeit freilich die umgekehrte Erfahrung, dass eine Besteigung des Weisshorns weder für beruflichen noch nuptialen Erfolg garantiert...

Anfangs der 90er Jahre hatte mir einmal ein Führer erzählt, dass ein Kunde von ihm unbedingt aufs Schreckhorn wollte. Als er ihn darauf aufmerksam gemacht habe, dass es sich dabei um eine anspruchsvolle Tour handle, habe der Kunde erwidert, dann wolle er halt aufs Weisshorn...Sie seien dann zur Vorbereitung zuerst über die Normalroute auf den Kingspitz geklettert, worauf es sowohl mit dem Schreck- als auch dem Weisshorn gut geklappt habe. Angespornt von dieser Führeranekdote wollte ich natürlich auch auf die beiden Gipfel. Nachdem mir im Sommer 1994 mit Kobi beim zweiten Versuch eine Besteigung des Schreckhorns gelungen war, fieberte ich auf das Weisshorn, neben dem Matterhon wohl einem der schönsten Berge der Alpen. Einen ersten Versuch im Herbst 1999 eine Woche nach der Besteigung der Jungfrau brach ich aber bereits beim Fluhgletscher ab, weil mir die Jungfrau noch wie Blei in den Knien hockte und es bei zwar wolkenlosem Himmel empfindlich kalt war. "Weisshorn ein anderes Mal" schrieb ich in mein Tourenbuch.

Nach meiner ersten Besteigung des Bietschhorns am 21.8.1999 machten meine Freundin und ich vom 23.8.-10.9.1999 eine Reise durch Pakistan. Über Istanbul flogen wir nach Karachi, wo wir u.a. das Mausoleum vom Stadtsgründer Muhammad Ali Jinnah besichtigten, bevor wir nach Lahore, der früheren Hauptstadt des Subkontinents weiterflogen. Hier besuchten wir u.a. das Alamgiri-Tor, das eindrückliche Lahore-Fort aus der Mogulzeit, die Badshahi- und Wazir Khan-Masjid und den Gurdwara-Tempel der Sikhs. Mit dem Zug führen wir über Gujrat nach Rawalpindi. Sobald das Wetter es zuliess, flogen wir mit einer 4-motorigen Fokker der PIA nach Gilgit. Wir kamen am Nanga Parbat vorbei, und durften 
von der Pilotenkabine aus diesen westlichsten Achttausender aus nächster Nähe betrachten. Einer der beiden Piloten verglich ihn anhand einiger Fels- und Firnkuppen, mit einer schlafenden Frau...

In Gilgit kauften wir K2-Zigaretten und traditionelle Pakols, so dass mir zum stolzen Pashtunen nur noch der ehrwürdige schwarze Bart, ein Qamis und eine selbstgeschmiedete Knarre aus Peshawar fehlte...Von Gilgit aus fuhren wir mit einem Bus durch das Gilgit- und Industal zur Raikhot Bridge und wanderten zuerst lange unter sengender Sonne durch das zunächst wüstenhaft kahle Tal des Ritkhot, bevor wunderbar duftende Minze die "Strasse" zu säumen begann und das von bewässerten Feldern umgebene kleine Dorf Tato und darüber wie eine Fata Morgana der weiss leuchtende Nanga Parbat auftauchten. Auf Fairy Meadows, einer grünen Oase inmitten einer Hochgebirgswüste aus Fels und Eis wähnten wir uns wirklich wie auf einer Märchenwiese. Hier konnten wir ein Zelt mieten und in einer Lodge essen, mit den Betreibern interessante Gespräche (auf Englisch) führen und den Standort des einstigen Nanga Parbat Basislagers besuchen.

Wieder in Gilgit organisierten wird eine Busfahrt über den Karakorum Highway nach Karimabad, von wo aus wir das Baltit-Fort besuchten. Dem Hunza-River entlang fuhren wir weiter nach Minapin und wanderten hinauf nach Tagaphari, dem Rakaposhi Basecamp. Hier hauste der Betreiber in einer Steinhütte, vermietete aber auch Zelte, verkaufte sogar Coca Cola und bewirtete uns mit Fleisch von einem auf den Schultern eigens herauf getragenen Schaf. Hingerissen von ihrer unermesslichen Grösse, bestaunten wir den riesigen Gletschergipfel Diran Peak im Südosten und den steil aufragenden Felsgipfel Rakaposhi im Südwesten, 
beides stolze Siebentausender, in der Abendsonne. Am nächsten Tag wanderten wir auf Moränenzügen in Richtung von Letzterem und wieder zurück, mit dem Gefühl, angesichts dieser ungewohnten Dimensionen kaum vom Fleck gekommen zu sein. Anderntags kehrten wir nach Minapin und Karimabad zurück, und einen Tag später wieder nach Gilgit, wo wir auf einen Flug nach Rawalpindi warten mussten. Zurück in Rawalpindi, besuchten wir die Hauptstadt Islamabad mit der berühmten Shah Faisal Masjid.

Nach drei Wochen flogen wir von Karachi über Istanbul zurück in die Schweiz. Beim Anflug von Kloten konnte ich am Horizont die Berner und Walliser Alpen, darunter das hell aufleuchtende Firndreick des Weisshorns erkennen. Obwohl wir noch landen, nach Hause fahren und auspacken mussten, begann ich schon neue Pläne zu schmieden. Die Einrahmung und Abrundung unserer Pakistanreise mit ihren für mich wohl für immer unerreichbaren Luftschlössern Nanga Parbat, Rakaposhi und 
Diran Peak neben dem Bietsch- auch mit dem für mich bisher fast ebenso mächtig scheinenden, jetzt aber redimensionierten und dadurch in Griffnähe gerückten Weisshorn war ein verlockender Gedanke. Da die Verhältnisse am Weisshorn optimal und das Wetter herbstlich stabil zu sein schienen, ich zudem von den letzten Wochen auf 3-4000m Höhe gut akklimatisiert und villeicht auch dank den köstlichen getrockneten Aprikosen aus dem Hunzatal in guter Form war, packte ich nach dem Auspacken sofort den Rucksack und fuhr am nächsten Tag, dem letzten Samstag unserer Ferien durch den Lötschberg und das mich an die Täler im Karakorum erinnernde Visper- und Mattertal, wo ich eine im Duty Free in Karachi mit letzten Rupien gekaufte Kassette einlegte, nach Täsch. Hier kehrte ich im Hotel Monte Rosa zum Abendessen ein und campierte auf dem Parkplatz Schali im Auto.

Am nächsten Tag zog ich frühmorgens mit der Stirnlampe los. Nachdem ich mich beim Haus im Schali an einem unangenehm bellenden Hund vorbeigemogelt hatte, ging es in der Dunkelheit in nicht enden wollenden Kehren hinauf nach Jazz und weiter zur Weisshornhütte, wo sich der Hüttenwart nach der Bewirtung der WeisshornaspirantInnen wohl noch einmal hingelegt hatte. Bei anbrechender Morgendämmerung erreichte ich den Fluhgletscher, traf aber erst nach dem Frühstücksplatz auf andere Seilschaften, die ich dank meiner Akklimatisierung alle überholte. Nach schöner Kletterei über die Türme des Fels- und gleichmässigem Steigeisengehen über den griffig-knirschenden Firngrat erreichte ich schon bald den von lichten Wolken umspielten Gipfel, wo mir der Erlöser zulächelte. Ich machte eine kurze Pause  und genoss das überwältigende Rundumpanorama über die drei grossen Grate. Auch der konzentrierte Abstieg ging ohne Probleme, wobei ich an einigen Türmen mit einem 20m 7,5mm Seil, dass ich drei Wochen zuvor beim Abstieg über den Bietschhorn W-Grat gefunden hatte, abseilte. Auf dem Fluhgletscher trafen dann auch einige Seilschaften, die über den N-Grat aufgestiegen waren, ein, und unter der Hütte begegnete ich einigen Gemsjägern - die Jagdsaison hatte gerade erst begonnen -, denen ich auf Anfrage ein bisschen stolz von meinem Gipfelglück erzählte. Zurück im Schali packte ich meine Sachen und warf einen letzten Blick durch das Schalikin hinauf zum Hohlichtgletscher, über dem die Konturen des Zinalrothorns im herbstlichen Abendlicht glühten. Ein langjähriger Traum hatte sich erfüllt, und der nächste blinkte schon am westlichen Horizont...


Sie isch mit mer zrügg cho, i üses brave Land
e aber scho gli drufabe gö üsi Wäge usenand
i ha se sythär nümme gseh, i dänke chum me dra
e aber mängisch fallt mer wider i, was i lengscht vergässe ha.
(D'Rosmarie und i, H. Amman, P. Hofer)

 

Weisshornhütte
Aufstieg: vom Bahnhof Randa (1409m) zur Brücke über die Matter Vispa (1404m) und auf dem Hüttenweg über Rötiboden (1977m) oder vom Parkplatz Schali in Täsch (1428m) nach Schali (1426m) und auf dem Bergweg über Schalachra (1625m) und Schalubärg (2013m) nach Jazz (2246m) und gemeinsam weiter auf dem Hüttenweg zur Weisshornhütte SAC (2933m), 3-5h, T3.

Abstieg: auf der gleichen Route, 2-4h, T3.

Weisshorn E-Grat
Von der Weisshornhütte SAC (2993m) auf dem eingezeichneten Weg zum östlichsten Teil des Schaligletschers ("Fluhgletscher"), der auf ca. 2680m  horizontal zum "Wasserloch" unter dem Couloir, das von der Scharte N von P. 3143 S eines Wasserfalls herunterzieht, gequert wird. Rechts ausholend und das Couloir nach links aufsteigend querend (Fixseil) zu P. 3143. Nach NNE auf Firn oder bei Vereisung auf den E Randfelsen und E eines Felsgrats hinauf, und abhängig von der Firnlage über Platten, Bänder oder Stufen (verschiedene Varianten, 2-3+) nach NW auf eine Schulter ca. 3460m. Weiter nach NW auf dem Felsgrat zu einer Firnschulter ca. 3540m (die bei guter Firnlage auch direkt von S erreicht werden kann), auf einem Firngrat unter die Felsen und links hinauf zu einer Felsschulter ca. 3620m (Steinmann). Über ein Rippensystem (Steinmänner, Wegspuren, Steinschlag in den Couloirs) zu P. 3914 ("Frühstücksplatz"). Nun auf dem eigentlichen zuerst felsigen E-Grat zum Lochmatter Turm, über 2 weitere Türme und einen letzten Gendarm N umgehend (III, z.T. Bh) zum Beginn des Firngrats bei ca. 4050m. Über den zuerst schmalen, dann breiter werdenden Grat zu P. 4176, auf ca. 4300m einen Bergschrund N umgehend und zuletzt über einige Felsen zum Gipfel (4506m), 5-7h, ZS.

Abstieg: auf der gleichen Route, wobei von den Türmen und von der Schulter ca. 3620m abgeklettert oder bis max. 20-25m abgeseilt werden kann, 3-5h, ZS.

Material: übliche Hochtourenkletterausrüstung mit 40m Einfachseil, 3 Express, 3 Schlingen, 3 kleinen bis mittleren Friends, Kk-Set und 2 Eisschrauben.

Fahrplan: Schali 3.30, Weisshornhütte 6.30, Frühstücksplatz 9.15, Weisshorn 11.30, 15 Uhr Weisshornhütte, 17 Uhr Schali.

Fotos: ausser das erste und letzte analog mit einer Rollei 35 S und nachdigitalisiert.

Tourengänger: lorenzo


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