Kurzbericht 

Sometime ago: Stechelberg-Jungfrau 1. Klasse retour


Publiziert von lorenzo , 8. Mai 2019 um 22:33.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Jungfraugebiet
Tour Datum:28 September 1997
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 
Zeitbedarf: 14:00
Aufstieg: 3250 m
Abstieg: 3250 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Stechelberg oder mit dem Auto
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Rottalhütte SAC Interlaken
Kartennummer:LK 1248 Mürren und 1249 Finsteraarhorn; W. und M. Munter, Berner Alpen, Rother 1984; D. Silbernagel, S. Wullschleger, Berner Alpen, topo.verlag 2016; B. Mc. Donald, Klettern für Freiheit, AS Verlag 2013

Im Frühsommer 1995 traf ich nach einem Aufstieg mit Steigeisen vom Hinderste Chirel auf dem Winterhore den "Niesen-Yeti" aus Riedere-Rothbad mit seinen Big Foot. Beim tollen Panorama u.a. auf Grand Combin, Weisshorn, Gastlosen, Engelhörner und den Brienzersee erzählte er mir von seinen Alleingängen vom Tal aus auf die Jungfrau, den Dom und das Weisshorn, bevor er sich verabschiedete und Richtung Männliflue aufmachte. So öffnete er mir eine Türe, diese begehrten Gipfel auf eine elegante und unkomplizierte Art zu besteigen.

Das Jahr 1997 bescherte mir böse Zeiten auf dem Bödeli: nicht nur, dass ich es bei der Arbeit mit miesen Einzel- und Familiengeschichten und üblen Machenschaften u.a. im Tourismus- und Immobilienbereich zu tun hatte, auch mein damaliger Chef machte mir das Leben schwer - was dieser natürlich umgekehrt interpretierte... Die Zustände im hehren Berner Oberland schienen nicht besser zu sein als in der faktisch weitgehend immer noch von Patriziern regierten Stadt Bern. Wenn ich dann bei schönem Wetter in der Mittagspause mit dem Velo von Unterseen zum Sendli fuhr, um mir im türkisenen Brienzersee ein kühlendes Bad zu genehmigen, schaute ich jeweils sehnsüchtig von der Höhematte durch das enge  Lauterbrunnental hinauf zur alles überragenden, im Sonnenlicht leuchtenden Jungfrau mit ihrem Hochfirn, und träumte davon, dort oben zu stehen, enthoben den miefigen und stickigen Niederungen der Alltagswelt. "Klettern für Freiheit" wie in Polen lautete meine Losung, freilich nach Marke "Eigenbräu" und ohne heroische Besteigungen von Achttausendern auf neuen Routen oder im Winter...

Ende September 1997 hielt das schöne Herbstwetter immer noch an, die Felsen waren bis 3500m trocken und darüber lag der erste, bereits verfestige Schnee. Nach einer abwechslungsreichen Kletter- und Hochtourensaison, die mich u.a. mit Kobi über den Biancograt auf den Piz Bernina, mit Andy durch "Spasspartout" am Reissend Nollen und alleine über den Spigolo Nord auf den Pizzo Badile geführt hatte, und einer letzten Vorbereitungstour eine Woche vorher von Kandersteg auf das Blüemlisalphorn und zurück, lief ich am 28. September 1997, am letzten Sonntag des Monats bei sternenklarer Nacht um 4 Uhr im noch dunklen Stechelberg los.

Von einer abenteuerlichen Tour mit Kobi über das Katzenwegli und die teilweise bereits vereisten Strälblatti zur Silberhornhütte und auf den Schwarzmönch im vorigen, und einer nicht weniger haarsträubenden mit Andy auch über das Katzenwegli auf den Mönchsbüffel diesen Sommer war mir der Hüttenweg vom Abstieg her bis zu Bim Chalten Brunnen zwar bekannt, als aber kurz nach der Abzweigung bei P. 976 im Schein meiner Stirnlampe die Gedenktafel mit der Aufschrift "Alasdair May - Tim Frost - Jungfrau" und daneben eine Zweite mit dem Namen des jungen Innerschweizers Dani Gisler, der erst 20-jährig an der Ebnefluh ums Leben gekommen war, aufleuchtete, wurde mir beim Betreten des gefahrvollen und mythischen Reichs der unnahbaren Jungfrau doch etwas mulmig und unheimlich zumute.

Ich riss mich zusammen und kam in der Dunkelheit, die mich vorläufig vor weiteren bedrohlichen Eindrücken schützte, zügig vorwärts. Schon bald betrat ich Bim Chalten Brunnen Neuland, passierte das berüchtigte Bärefluecouloir und erreichte bei beginnender Dämmerung um 7 Uhr die Rottalhütte, umringt von der felsigen Rottalwand im Osten und den imposanten Nordwänden von Gletscherhorn und Äbeni Flue im Süden. Der Hüttenwart schüttete gerade den restlichen Kaffee, den er für zwei Seilschaften, die um 5 Uhr zum Innere Rottalgrat gestartet waren, zubereitet hatte, im Freien aus und entschuldigte sich, dass er mir nun keinen mehr anbieten konnte.

Am Ende des Bandes in der Westflanke deponierte ich meine Stöcke, stieg über die nordseitig trockenen Kalkplatten weiter und überholte beim zweiten Fixseil die hintere Seilschaft. Auf brüchigem Gneis gelangte ich zum dritten Fixseil und schon stand ich am Rand des Hochfirns und zog meine Steigeisen an. Vorsichtig stieg ich über diesen zwar kleinen, aber nicht zu unterschätzenden Gletscher und erreichte nach dem anregenden Gneisriegel auf ca. 4000m um 11.30 den Jungfraugipfel, wo bereits die vordere Seilschaft das prächtige Gipfelpanorama genoss.

Ich schwebte im siebten Himmel, machte ein paar Fotos und schickte einen freundlichen Gruss zum Chef hinunter nach Unterseen... Nach einer halbstündigen Gipfelrast machte ich mich auf den Abstieg über dieselbe Route, da mir jener über die Normalroute wegen der Spaltengefahr auf dem im Herbst erst dünn verschneiten Jungfraufirn als zu unberechenbar erschien, und ich zudem meine Stöcke am Innere Rottalgrat abholen wollte. Unter dem obersten Fixseil seilte ich mich auf dem brüchigen Gneis einmal ab. Ein farbiges und längliche Gebilde auf den Kalkplatten erwies sich zum Glück als wohl fortgeblasener leerer Schlafsack, und kurz darauf stand ich erleichtert bei meinen zurückgelassenen Stöcken. Beim Sattel unter der zweiten Stufe kam mir ein deutscher Hüttenbesucher entgegen, gratulierte mir und machte ein Foto von mir. Wir stiegen zur Hütte ab, wo ich den Schlafsack deponierte, und ein anderer Hüttenwanderer die Air Glaciers bestellte, weil er sich nicht mehr durch das Bärefluecouloir hinunter getraute. Der Deutsche und ich wanderten dagegen bei schönem Herbstlicht im Rottal zurück nach Stechelberg.

Glücklich und zufrieden fuhr ich am rechten Thunerseeufer - am linken herrschte wie immer sonntags bei schönem Wetter der übliche Stau - nach Hause zurück, denn ich war nicht nur auf der Jungfrau gewesen, sondern hatte am Montag frei und würde den Chef frühestens am Dienstag wieder sehen...Aber eben: Tage wie diese gibt es nicht alle Tage! Und auch die Droge "Jungfrau" wirkte nicht ewig, so dass ich ein gutes halbes Jahr später meine Stelle auf dem Bödeli schliesslich doch noch kündigte. Neben der Fertigstellung meiner Dissertation warteten neue Aufgaben, und viele noch unbekannte Gipfel riefen mir zu...

Stechelberg-Rottalhütte SAC

Aufstieg:von Stechelberg (910m) auf der Strasse Richtung Trachsellauenen bis zur Abzweigung bei P. 976. Auf dem weiss-blau markierten Hüttenweg nach NE unter die Staldenflue und dieser entlang nach SSE bis zum Altläger. Nun nach ESE über die Weiden von Madfura (Vorsicht wegen Eisschlag von der Silberlouwena) zu Bim Chalten Brunnen (2019m, Abzweigung des Silberhornhüttenwegs) und weiter zur Bäreflue. Durch ein mit Drahtseilen und Eisenstiften abgesichertes Couloir nach NE hinauf und nach SSE wieder über Weiden zur rechten Moräne des Rottalgletschers bei P. 2533. Diesem entlang über Geröll, Schneefelder und Felsstufen zur Rottallhütte SAC, 3-5h, T4.

Abstieg: auf der gleichen Route oder ab Altläger auf eingezeichneten Bergwegen Richtung S nach Stuefestein (1557m) und von dort entweder nach WSW hinunter nach Trachsellauenen (1202m) oder nach NW hinab nach Sichellauenen (1002m) und auf der Strasse zurück, 2h 30min bis 4h, T4.

Rottalhütte SAC-Innere Rottalgrat-Jungfrau
Aufstieg: von der Hütte nach NW auf dem eingezeichneten Pfad (Steinmänner, Markierungen) über mehrere Felsstufen zu P. 2927 am Beginn des Innere Rottalgrats und diesem folgend auf einem breiten, aus Kalk bestehenden Geröllrücken (Pfadspuren, Steinmänner) unter eine 1. Steilstufe bei ca. 3150m. Diese wird in der W-Flanke auf plattigem und abwärtsgeschichtetem Kalk (bei Vereisung sehr heikel) umgangen: auf einem Band und über Stufen linkshaltend empor bis ca. 3250m (Steinmann), ca. 30m gerade hoch zu einem Schuttband und weiter im Zickzack durch Rinnen und über Stufen zurück zum Grat bei einem Felskopf mit Eisensitften. Kurzer Abstieg nach N in einen Schnee- oder Geröllsattel auf ca. 3500m am Fuss der 2. Steilstufe, wo sich der Innere Rottalgrat in der S-Flanke des Usser Rottalgrats verliert. Nach links (W) durch ein plattiges Schrägcouloir aus Kalk (2 Fixseile) hinauf zum Kontaktband  zwischen Kalk und Gneis auf ca. 3600m. Zuerst gerade, dann nach rechts (E) hoch (II+, Bh, z.T. brüchig) unter die 3. Steilstufe auf ca. 3690m. Über diese (3. Fixseil, dann III, Sicherungspunkte) nach links (W) hinauf  zum Usser Rottalgrat (Steinmann). Auf diesem zu dessen oberen Ende bei P. 3790, nach ENE über den Hochfirn (vereinzelte Spalten) zu einem Felsriegel, und nach dessen Erkletterung (II) über Gipfelfirnfeld und -felsen auf die Jungfrau (4158m), 4-6h, ZS.

Abstieg: auf der gleichen Route, 3-5h, ZS, oder über die Normalroute zum Jungfraujoch: rechts (W) entlang dem SE-Rücken auf Firn (35 Grad) und leichten Felsen (Sicherungsstangen) hinunter bis auf ca. 3900m und Querung nach SE (Sicherungsstange) zum Rottalsattel (3885m, Vorsicht bei Blankeis oder Triebschnee). Vom Sattel nach NE absteigen oder abseilen (ev. Wächte, Bergschrund) und nach E entlang der Rottalhorn N-Flanke und über den Firnrücken der Kranzbergegg hinunter bis vor P. 3506. Nach SE über Firn und Felsstufen (Steinmänner) hinab zu einem Band auf ca. 3470m und auf diesem nach NE eicht absteigend zu Stand. 15m abklettern (II) oder abseilen und auf einem Schuttrücken nach E zum Regenmesser auf ca. 3400m. Nach N über einen Firn- oder Eishang (40 Grad) ca. 40m hinunter auf den Jungfraufirn (Bergschrund) und auf diesem Richtung NNE (Spalten) zum Spinxstollen (3572m), 3-4h, ZS.

Material: übliche Kletterhochtourenausrüstung mit 40-50m Einfachseil, 4 Express, 3 Schlingen, 2-3 kleinen bis mittleren Friends, Kk-Set und 2 Eisschrauben.

Fahrplan: 4 Uhr Stechelberg, 7 Uhr Rottalhütte, 11.30 Jungfrau, 15.45 Rottalhütte, 18 Uhr Stechelberg.

Fotos: analog mit einer Rollei 35 S und nachdigitalisiert.

Tourengänger: lorenzo


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