Bös Fulen (2801m) über schuttiges Band und Nordostgrat


Publiziert von Chrichen , 9. Juli 2017 um 16:42.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum: 4 Juli 2017
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   CH-SZ   Glärnischgruppe 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1600 m
Strecke:ca. 17 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem PW bis Linthal Brauwaldbahn (Parkplatz vorhanden CHF 5.- für einen Tag)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit dem PW

Der Bös Fulen ist bekannt als Kantonshöhepunkt von Schwyz. Am leichtesten lässt er sich jedoch von Braunwald im Glarus aus erreichen. Der Normalweg führt über ein breites rampenartiges Schuttband zum Nordostgrat, und über diesen in einer traumhaften Überschreitung zum Gipfelkreuz. Je nach Jahreszeit/Verhältnissen handelt es sich eher um eine Hochtour oder um eine anspruchsvollere Alpinwanderung.

Eigentlich stand auch der Bös Fulen nicht unbedingt zuoberst auf meiner Liste. "Bös" klingt nicht so toll, "Fulen" klingt nicht so toll - und in Beschreibungen liest man von "Schutt", "brüchig", "mühsam" und "ausgesetzt". Dennoch hat mich Stevo47 in nur 5 Minuten überzeugt, das Projekt anzugehen. Zu Recht, denn wie ebenfalls in vielen Berichten zu lesen ist, handelt es sich um einen schönen Gipfel mit einem wunderbaren Grat aus weitgehend festem und gutgriffigem Kalkstein. Auf der Route über das breite Band in der Südwand gibt es natürlich wie erwartet auch Schutt en masse. Oder in Stevo47's Worten: Wo Fulen draufsteht ist auch Fulen drin :-).

Gumen - Bützi - Schäferhütte - Firnfeld (T2, T3)
Von Braunwald aus fahren wir mit der Gondel zum Gumen hoch und starten unsere Tour morgens nach 08:30. Auf dem Wanderweg gehen wir bis zum Bützi. Von dort aus laufen wir nun weglos in Richtung NNW. Nach Überschreiten eines Grashügels folgen wir einer grasigen Rippe um dann über Karrenfelder links haltend eine weitere Rippe zu erreichen. Danach geht es wieder über Karst und Wiesen der nun schon sichtbaren Schäferhütte beim P.2468 entgegen. Öfter sieht man Wegspuren. Markierungen findet man im unteren Teil kaum, dagegen gibt es hie und da kleine Steinmännchen. Es scheint verschiedene Wege zu geben, was wenig erstaunt, da das Gelände recht sanft ist. Den Bös Fulen sieht man schon früh, so dass die Richtung klar ist. Im oberen Teil findet man immer mehr weisse Striche, die die Route markieren. Schneefelder hat es fast keine mehr.

Von der Schäferhütte (die scheinbar gar keine ist) hat man bereits einen guten Einblick in das schuttbeladene breite Band. Markant zieht es in der Südwand nach Osten zum P.2757 hoch. Eine Nebelwand verdeckt heute zwar zunächst die Sicht zum oberen Bereich. Die anderen, anspruchsvolleren Routen der Südwand sind gut auszumachen.

Weiter geht es den Abbrüchen nach Siwellenboden entlang zur kleinen Moräne unterhalb vom Gipfel. Wir lassen uns zuerst von einem Steinmann auf einem Hügel in die falsche Richtung lotsen, was wir mit einem Exkurs durch ein Blocksteinfeld wieder korrigieren. Die Moräne kann einfach erstiegen werden. Danach gehen wir über Schnee in die Mulde hinunter, wo sich noch der kümmerliche Rest eines Gletscherchens befindet. Auf einem Stein deponieren wir die Stöcke. Sie wären nur hinderlich beim weiteren Aufstieg.

Firnfeld - Schuttiges Band - P.2757 - Bös Fulen (T5, II, WS)
Der Zustieg zum Band über Firnschnee wirkt aus der Distanz unglaublich steil. Wir ziehen mit Steigeisen und Pickel los, um dann vor Ort festzustellen, dass sich die Neigung ziemlich in Grenzen hält. In gutem Trittschnee erreichen wir den Einstieg zum Band. Das wäre sicherlich ohne Steigeisen gegangen.

Zuunterst vom Band geht es nun zuerst einige Meter über glatte feuchte Felsplatten einem Schneefeld entgegen. Dank guten Griffen an der begrenzenden Felswand geht es recht passabel voran. In der zweiten Hälfte helfen Untergriffe. Wie ich beim Schneefeld angekommen bin, rutsche ich jedoch in einem Moment der Unachtsamkeit auf dem glatten Fels aus und finde mich Sekundenbruchteile später auf der Platte langsam herunterschlitternd wieder. Glücklicherweise kommt die Fahrt nach 2-3 Metern zum Stillstand. Ein kurzer Check: Loch im Handschuh und beim Knöchel vom kleinen Finger etwas aufgeschürft, sonst nichts. Die Kleider sind noch ganz. Glück gehabt!! Wie beim Leiterlispiel heisst es nun wieder aufstehen und nochmals hinauflaufen, dieses Mal mit voller Konzentration. Beim Schneefeld angekommen, gehe ich einige Tritte hoch, sorge für guten Stand und sichere Stevo47 behelfsmässig mit einem T-Anker nach.

Weiter gehen wir über Schnee und Schutt bis zum oft beschriebenen Felsspalt, der das Band über einen weiten Bereich zerschneidet. An der oberen Begrenzung steigen wir über harten Restschnee am Spalt vorbei und danach weiter hoch. Leider verpassen wir die vorhandene Wegspur und gehen zuweit links. Wie wir sie entdeckt haben, traversieren über feinen Schutt aufsteigend allmählich der Spur entgegen. Das ist etwas mühsam, wobei die Steigeisen recht guten Halt geben. Nicht zuletzt deshalb lassen wir sie weiterhin an den Füssen, obwohl es im oberen Bereich keine Schneefelder mehr gibt. Weiter oben trifft man mehr und mehr auf grosse Stein- und Felsbrocken. Mit einem wachsamen Auge findet man die optimale Route hindurch mit einigen einfachen I-er Kraxelein (Begehungsspuren). Eine willkommene Abwechslung zum rutschigen Schutt. Gegen oben hin recht steil erreichen wir schliesslich den P.2757, wo nun die Gratüberschreitung beginnt. Schlichtweg genial ist der Ausblick zu dem was vor uns liegt.

Wir versorgen die Steigeisen und nehmen das 30m Seil heraus, da wir das Gehen am laufenden Seil üben wollen. Auf der Gratschneide gehen wir der ersten Schlüsselstelle entgegen, einem steilen und exponierten Aufschwung. Beschreibungen zufolge kann dieser überschritten oder in der Nordflanke umgangen werden. Die Flanken-Variante sieht abenteuerlich aus, weshalb wir davon absehen. Die direkte Überschreitung erscheint mir schöner, sicherer und einfacher. Die Stelle wird in einigen Berichten mit III angegeben, ich würde sie aber höchstens als ein sehr exponiertes T5, II einschätzen. Es gibt gute Griffe und grosse Tritte, der Fels ist relativ fest. Am besten geht es knapp neben der Gratschneide auf Tritten der Nordseite. Für den Vorsteiger gibt es kaum vertrauenswürdige Sicherungsmöglichkeiten, der Nachsteiger kann von oben her an einem grossen Felsbrocken gut gesichert werden (etwas längere Bandschlinge von Vorteil). Retrospektiv gesehen würde ich die Stelle auch guten Gewissens seilfrei gehen.

Nach einem schönen Abschnitt mitten auf dem Grat (ca. T4) folgen wir deutlichen Spuren in die Nordflanke. Damit wird eine weitere Schlüsselstelle umgangen. Durch eine schöne Rinne geht es anschliessend wieder auf den Grat und über diesen dem Gipfelaufbau entgegen (ca. T4). Hier wartet nochmals ein Schlussaufstieg im T5-Bereich. Beim Gipfelkreuz gratulieren wir uns und legen eine gemütliche Pause ein. Zahlreiche Quellwolken versperren heute die Aussicht ein wenig. Dagegen ist es umso schöner, inmitten der fluffigen Wolken über den Grat zu schreiten.

Bös Fulen - P.2757 - Schuttiges Band - Firnfeld (T5, II, WS)
Für den Abstieg wählen wir denselben Weg wie für den Aufstieg. Alle Kraxelstellen sind auch im Abstieg unproblematisch, nur der erste Schritt beim schmalen steilen Aufschwung verlangt etwas Überwindung von mir. Da wir viele Fotos machen und uns Zeit lassen, kommen wir nur langsam voran. Beim P.2757 packen wir das Seil ein und wechseln wieder auf Steigeisen. Sie haben sich im Schutt bewährt, und weiter unten warten z.T. recht harte Schneefelder. Erstaunlich angenehm geht es über das schuttige Band hinab, dieses Mal der Spur folgend. Nach dem Felsspalt gehen wir der plattigen Stelle entgegen, die wir dieses Mal etwas mühsam umgehen. In weichem Schnee rutschen wir in die Mulde hinab und gehen zurück zu unserem Stockdepot.

Firnfeld - Schäferhütte - Bützi - Ortstockhaus - Unterstafel - Braunwald (T3 - T1)
(Fast) gleich wie beim Hinweg laufen wir zurück zum Bützi. Dieses Mal fallen uns noch einige weisse Markierungen mehr auf im oberen Teil. Schnell wird klar, dass wir uns zuviel Zeit gelassen haben und die letzte Bahn ab Gumen nicht mehr erreichen werden. Deshalb laufen wir via Ortstockhaus nach Braunwald hinunter. Im Ortstockhaus geniessen wir eine kleine Erfrischung. Danach laufen wir ziemlich weit über eher unschöne Kiesstrassen via Unterstafel zurück nach Braunwald. Der Weg über Grotzenbühl wäre vermutlich schneller gewesen. Der gemütliche Ausklang der Tour hat dennoch seine schönen Seiten.


Ein wenig muss man sich den Bös Fulen über's Band schon erkämpfen. Ganz so schlimm wie erwartet war das Schuttband aber definitiv nicht. Den Felsspalt fanden wir nicht sonderlich bedrohlich. Das Band auf der Wanderskala einzuschätzen fällt mir recht schwer. Spontan würde ich auf T4+ tippen. Der darauf folgende Grat ist schlichtweg wunderbar. Trotz spektakulärer Lage bewegt man sich über weite Strecken eher im T4-Bereich. Die beiden zwingenden Schlüsselstellen - der schmale Aufschwung und die Stelle direkt am Gipfelkopf - sind T5, II. Der schmale Aufschwung ist sehr exponiert. Wer sich im ausgesetzten T5 wohl fühlt, wird gut ohne Seil auskommen. Auf dem Band herrscht potentiell Steinschlaggefahr. Deshalb ist ein Helm dringend zu empfehlen. Der Grat bietet relativ festes Gestein, was wesentlich zum Spassfaktor beiträgt. Wo sich nicht gerade ein schönes Weglein in der Flanke anbietet, ist es besser auf der gut gangbaren Gratschneide zu bleiben.

Tourengänger: Chrichen, Stevo47


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Kommentare (4)


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Stijn hat gesagt: Bös Fulen
Gesendet am 9. Juli 2017 um 17:42
Gratuliere zum Bös Fulen und Danke für den detaillierten Bericht. Diese Tour steht bei mir auch noch auf der Wünschliste :).
LG, Stijn

Chrichen hat gesagt: RE:Bös Fulen
Gesendet am 10. Juli 2017 um 07:42
Vielen Dank! Die Tour wird Dir sicherlich auch gefallen.
Viele Grüsse, Christian

Felix hat gesagt:
Gesendet am 21. Juli 2017 um 18:59
super Bericht!!

lg Felix

N_Altitude hat gesagt: Guter Bericht!
Gesendet am 24. Juni 2018 um 20:23
Hoi, dank Deines Berichts haben wir heute den Bös Fulen gut vorbereitet besteigen können. Deine Ansichten bestätige ich hier gerne. Wir hatten heute vermutlich etwas mehr Schnee, was aber eher positiv war (die plattigen Passagen unterhalb des "Riss" blieben uns damit vermutlich erspart).

Viele Grüsse und weiterhin gute Touren
Nick


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