Cingino / Camposecco: akrobatische Steinböcke und Tunnel


Publiziert von zaufen , 19. Juli 2016 um 20:26.

Region: Welt » Italien » Piemont
Tour Datum:16 Juli 2016
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1075 m
Abstieg: 1075 m
Strecke:etwa 18 bis 20 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:mit dem Auto von Villadossola durchs Valle d'Antrona zum Parkplatz an der Staumauer des Campliccioli-Stausees
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Rundweg
Kartennummer:Schweizer Landeskarte

Für die Kinder (15 und 13 Jahre) war es der Höhepunkt des Urlaubs: die Wandertour zur Cingino-Staumauer im Valle d'Antrona mit den darauf herumkletternden Steinböcken und der lange Stollen  unter der Punta della Rossa zum Camposecco-Stausee. Dazu noch technisch und verkehrshistorisch interessante Punkte wie alte Feldbahnen, aufgelassene Standseilbahn, Seilschwebebahn.
Wir machten das auf der Rückfahrt vom Urlaub nach Hause. Bei hikr schon öfter beschrieben, aber nur auf italienisch oder englisch - nun erstmals auf deutsch.
Vom Parkplatz an der Staumauer des Campliccioli-Stausees einige Schritte links in rückwärtiger Richtung auf einem Fahrweg aufwärts bis zur Talstation einer ENEL-Werksseilbahn. Dort rechts auf den Gleisen einer Feldbahn (ist als Wanderweg bezeichnet), die den ostseitigen Wanderweg entlang des Stausees darstellen. Schon dieser verkehrshistorisch interessante Abschnitt mit kurzen Tunnels und Brücken ist reizvoll. Am Ende der Bahnstrecke noch eine (aufgelassene) Seilbahnstation. Der Weg führt dann so weiter, dass kurz hinter dem oberen Ende des Stausees der Bach Torrente Troncone gequert wird. Dahinter links an einem Drehkreuz. Über einen Pfad steigt man aufwärts und erreicht bald den auf der Westseite des Stausees verlaufenden Hauptwanderweg, beschildert in Richtung Cingino nach links weiter aufwärts.
Dieser Weg zieht sich nun länger wechselnd stark steigend ins obere Valle d'Antrona hinein, oft über felsige Stellen.
Auf etwa 1650 Hm geht es rechts weiter ziemlich steil aufwärts zur Alpe Saler, alles ordentlich beschildert und markiert.
Dann wird wieder etwas mehr gequert ins Cingino-Seitental hinein. Nach Passage des Bachs geht es auch durch eine Blockhalde steil aufwärts.
Schließlich wird nach etwa 3 Stunden reiner Gehzeit der Staudamm des Lage di Cingino erreicht. Wir hatten Glück - es schien nicht nur die Sonne strahlend, sondern es waren auch insgesamt 14 Steinböcke, -geißen und -kitze dort, die Salz am Mauerwerk der Staumauer lecken und dazu auf der nach oben immer steiler werdenden fast senkrechten Mauer herumturnen. Die "stambecchi acrobati" sind durchaus schon in Presse und Fernsehen bekannt geworden. Es soll einzigartig sein, dass sie so auf einer Staumauer herumklettern. An Besuch sind sie offenbar schon gewöhnt und wissen sicher auch, dass ihnen auf die Mauer keiner hinterhersteigen kann. Als andere Wanderer einigen Tieren etwas zu nahe kamen, ging es ab auf die Mauer. Aber ungefähr 6 m Entfernung tolerieren sie schon.  Hier gab es natürlich einen längeren Beobachtungs- und Fotoaufenthalt.
Der Weg setzt sich dann so fort, dass man die Staumauer überquert und jenseits auf dem rot-gelb markierten Weg weitergeht, etwas rechts absteigend (kein Wegweiser). Da wird es wieder etwas technischer und hinter einer Hütte geht man ein Stück auf dem Beton, unter dem eine Wasserleitung liegt.
Da erreicht man dann den Eingang in den Tunnel Cingino-Camposecco, in dem die große Wasserleitung vom Cingino-Stausee zum Campliccioli-See mit Kraftwerk geführt wird. Der markierte Wanderweg geht nun durch den 2,8 km langen Tunnel - auch die Schweizer Landeskarte weist die Strecke als unterirdische Wasserleitung wie als Fußweg aus. ENEL toleriert den Durchgang auf eigene Gefahr und sorgt auch für (nicht ganz zuverlässige) Beleuchtung. (Schon in der Toskana hatten die Kinder im Geothermie-Gebiet bei Larderello und dem von ENEL betriebenen Geothermie-Museum gelernt "ENEL ist toll"). Also Lampen mitnehmen, auch Helm ist vorgeschrieben, weil die Höhe des Tunnels nicht gleichmäßig ist. Natürlich setzt dann praktisch doch wieder keiner einen Helm auf - am Ausgang trafen wir jemand mit dementsprechend blutig gestoßenem Kopf. Im Tunnel ist es an vielen Stellen feucht bis nass, zum Teil liegen Metallroste, damit man nicht in die Pfützen treten muss. Festes Schuhwerk also zwingend. Es tropft auch mal von oben und manchmal quillt das Wasser seitlich aus dem Fels oder verschwindet in einer Kluft.  Etwa 40 Minuten kann man für die Tunneldurchquerung rechnen. Vorteil: Fast ebene Strecke. Ziemlich am Ende gibt es eine unbeschilderte und unmarkierte Tunnelgabelung - geradeaus, d.h. der linkere Ast ist der richtige.
Am Ausgang des Tunnels geht es dann in linker Richtung auf einem Höhenweg weiter, oberhalb einer Mauer - sehr bequem zu gehen - überhaupt ist die Gesamtwanderung nur deswegen in der Zeit von 6 Stunden möglich, weil der Höhenweg durch Tunnel und hier anschließend so eben und geradlinig verläuft. Allerdings führt dieser Weg zur Talstation einer alten Standseilbahn, auf deren Trassee / Gleiskörper oder knapp daneben es dann sehr steil aufwärts geht zur Staumauer des Camposecco-Stausees. Schöner See, umgeben von den 3000ern, die das Valle d'Antrona vom Saas-Tal trennen. Wir trafen dort auch noch einen großen Steinbock an, der aber weniger Publikum gewöhnt war als die Böcke am Cingino-See und sofort verschwand.
Die markierte Route passiert an sich nicht die Staumauer, sondern geht bei den ENEL-Gebäuden unterhalb der Staumauer auf die andere Talseite. Der Abstiegsweg Richtung Lago di Campliccioli ist markiert, aber auch wieder ziemlich steinig, felsig und viel weniger begangen als der Weg zum Cingino-See. Das macht den Abstieg durchaus mühsam. Verfehlen wird man den Weg nicht, aber da eine Steilstufe auf die andere folgt und man schon einiges an Weg hinter sich hat, ist Achtsamkeit geboten. Teilweise wird die Runde in der Gegenrichtung beschrieben. Der Einstieg am Lago di Campliccioli ist in der Gegerichtung nicht beschildert (nur leicht markiert) - und ob der Aufstiegsweg insbesondere auch an der Standseilbahn im Abstieg wirklich besser zu begehen ist, ist auch zweifelhaft.
Unten am See dann links am Kraftwerk vorbei, durch einen Tunnel und über den Staudamm zurück zum Parkplatz.

Insgesamt eine Super-Tour - bei dem Wetter, das wir hatten, noch einmal mehr. Taschenlampen oder Stirnlampen mitnehmen, feste Schuhe. 6 Stunden sind die reine Gehzeit - insgesamt waren wir schon 8 Stunden unterwegs mit nur kurzen Pausen (außer 1 h am Cingino-Stausee). Wegstrecke nicht unterschätzen - meine Eintragung in der Minimap ist schon 16,6 km lang und schneidet noch viele Kurven ab.
Die Eintragung in der MiniMap ist kein GPS-Track, etwa die Kehren sind nur so ungefähr mal aufgenommen.
Bilder gibt's natürlich noch viel mehr, aber irgendwie wiederholt es sich dann auch und man muss auswählen. Video klappt hier nicht, mal bei Youtube vorbeischauen "stambecchi cingino" - da gibt es welche.

Kids & Hike: Vom "Inhalt" her natürlich ganz große Klasse für alle Kinder. Notwendig sind Trittsicherheit und eine ganze Menge Kondition. Man könnte auch in der Schutzhütte am Stausee übernachten, unbewirtschaftet, unbeheizt.
Wenn unsere 15jährige hinterher sagt: "Hier muss ich später mit meiner Familie oder meinem Freund auch mal hin" kann man das wohl mal als echtes Kompliment an die Eltern auffassen...

Tourengänger: zaufen
Communities: Kids & Hike


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Kommentare (2)


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xaendi hat gesagt:
Gesendet am 20. Juli 2016 um 22:06
Eine tolle Tour, und natürlich ein super Erlebnis für die Kinder. Die Steinböcke in der Staumauer sind wirklich einmalig. Ich hatte meinen Augen fast nicht getraut, als ich dort mal vorbeigewandert bin. Am Ende des Stollens gab's bei mir einen Hinweis auf erhöhte Radioaktivität - hattet ihr das auch gesehen? ;-) Grüsse, Alex

zaufen hat gesagt: RE: Radioaktivität
Gesendet am 21. Juli 2016 um 15:04
Den Hinweis auf erhöhte Radioaktivität im Berg gibt es noch - dass unsere Kinder nach der 3/4 Stunde im Tunnel strahlten, hatte aber andere Gründe.
Von Xaendi ist ja doch schon ein deutscher Bericht - aber als Teil einer Mehrtagestour mit anderem Aufstieg.


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