Die Ruinen von Nocengo (Teil 2)


Publiziert von mong , 28. Mai 2015 um 03:55.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:11 Dezember 2012
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Madöm Gross 
Zeitbedarf: 2:30
Aufstieg: 167 m
Abstieg: 167 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Postauto: Faido Stazione ➙ Lavorgo (umsteigen) ➙ Chironico ➙ Grumo
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Postauto: Grumo ➙ Chironico ➙ Lavorgo (umsteigen) ➙ Faido Stazione
Kartennummer:1273 Biasca

Warum macht man eigentlich um die grossen Burgen und Schlösser fast überall ein grosses Theater? Warum lässt man sie mit grossem Aufwand renovieren? Warum versucht man das, was von ihnen noch übrig ist, vor dem endgültigen Zerfall zu retten? Warum überlässt man diese Ruinen nicht einfach dem Schicksal, das der Zeitenlauf für sie vorgesehen hat? Warum lässt man die Reste dieser Bauwerke aus der Vergangenheit nicht einfach verfallen?

Von Pyramiden, Kolosseum, Stonehenge, Parthenon, Petersdom, Kathedralen und anderem komischem Zeugs auf der ganzen Welt ganz zu schweigen.

Ist es Gefühlsduselei? Ist es Romantik? Oder Nostalgie? Oder ist es Altertums- oder Mittelalterfimmel? Hat man zuviel Geld und weiss nicht, wohin damit? Arbeitsbeschaffung für Architekten und Maurer?

Eigentlich sagt man uns ja immer, man solle nach vorwärts schauen, nicht nach hinten.

Aber eben - das ist ja meistens so: Grosse Töne spucken, aber wenn es drauf ankommt: einpacken, klein beigeben und in der Folge alte Burgen und Schlösser und anderes komisches Zeugs go renovieren. 

Ich glaube, das ist so: Wir können uns einfach nicht damit abfinden, dass die Vergangenheit vergangen ist. Wir können uns einfach nicht damit abfinden, dass immer alles in Bewegung ist und dass nichts mehr so sein wird, wie es früher einmal war. Immer wird alles neu. Alles vergeht. Kaum ist etwas da....und schon ist es wieder vorbei. Scheisse !!!

So gesehen kann ich die Bewahrer des Alten und des Bewährten verstehen. Ich klammere mich oft ebenfalls an jeden Strohhalm, nur um mich für eine kurze Zeit lang an die Illusion zu klammern, dass irgendetwas auf dieser Welt bleibt und bleiben wird und bestehen bleiben wird. Und dass nicht Alles und Jedes jeden Tag und sogar jeden Augenblick einfach so den Bach runter geht und auf Nimmerwiedersehen bis in alle Ewigkeit verschwunden ist und verschwunden bleibt.

Aber okay, nur zum Sagen, eigentlich stören sie mich ja überhaupt nicht, die renovierten Burgen und Schlösser überall auf der Welt. Von mir aus können die Architekten dieser Welt sämtliche Burgen und Schlösser auf der ganzen Welt renovieren. 

Andererseits:  Wenn diese grossen Burgen und Schlösser, Pyramiden, Kathedralen und all das andere komische alte Zeugs nicht da wären, würde ich es auch nicht vermissen. 

Warum würde ich es nicht vermissen?

Weil es Wichtigeres gibt als Burgen, Schlösser, Pyramiden und Kathedralen:

Zum Beispiel die Ruinen von Nocengo.

Aber jetzt habe ich plötzlich das Gefühl, ich sei heute nicht in bester Laune.

Hehe.

Danke fürs Lesen!



Tourengänger: mong
Communities: Ticino Selvaggio


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Kommentare (4)


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Alpin_Rise hat gesagt: Die Paläste von heute
Gesendet am 28. Mai 2015 um 11:18
sind die Ruinen von morgen.

Ist es in dem Sinne nicht ehrlicher, die jetztigen Ruinen zu renovieren anstatt die neuen Ruinen der Zukunft zu bauen?

Danke für diesen Geh-danke-n zu deinem Spaziergang und
G, Rise

mong hat gesagt: RE:Die Paläste von heute
Gesendet am 28. Mai 2015 um 16:56
>Ist es in dem Sinne nicht ehrlicher, die jetztigen Ruinen zu renovieren anstatt die neuen Ruinen der Zukunft zu bauen?

Doch. Klar. Ich gebe dir recht. Ich hatte in meinem "Bericht" keineswegs jene leidenschaftlichen Burgen- oder Rusticiliebhaber im Visier, die mit viel Liebe zum Detail ihre kleineren oder grösseren Ruinen wieder aufbauen oder aufbauen lassen, um dann darin wohnen (oder so). Chapeau.

Ich habe eher an jene riesigen Prunk- und Machtbauwerke gedacht (z.B.Versailles, Pyramiden in Ägypten, Kathedralen usw.), die - genau so wie die Prunkbauten von heute - nur ein einziges Ziel hatten (und und immer noch haben), mich - als Mitglied des gemeinen Volks (hehe) - in Respekt und Ehrfurcht, wenn nicht sogar in Furcht und Schrecken ;-) erstarren zu lassen. Ich denke da zum Beispiel an die riesigen "Kathedralen" von unseren neuen Feudalherren (zum Beispiel die Konzerne).

Mein Gedanke war: Die ehemaligen Ställe und heutigen Ruinen von Nocengo (nur als Beispiel) sind viel mehr Wert und verdienen mehr Respekt als alle "Pyramiden und Kathedralen" von gestern und heute zusammen: Weil diese Cascine (Ställe) aus der krassen Not heraus gebaut wurden, weil die Leute überleben mussten, während das andere "komische Zeugs" ;-) nur der Erhaltung von irgendeiner blöden Macht diente.

Klar, die neuen, riesigen, überdimensionierten Paläste (Ruinen von morgen) werden ja sowieso gebaut, man ist ja bereits dran, überall auf der Welt. Aber "die Gedanken sind frei". Ich kann (in Gedanken wenigstens) einfach dranpissen. Hehe.

Gruss mong

Seeger hat gesagt: Gefühl
Gesendet am 29. Mai 2015 um 09:20
Ciao mong
Deine Gedanken sind getragen von tiefer Empathie für die vielen zerfallenen Alpgebäude.
Doch die Pyramiden und Kathedralen haben auch ihre Berechtigung und entstanden beim Zusammenfügen von Macht und Religion. Auch aus einer Not der Menschen, die Ewigkeit zu beherrschen.
Bei Nocengo waren es nicht die bettelarmen Leute. Es war bereits die besitzende Klasse. Sie hatten das Geld, kapitale Häuser zu bauen und bauen zu lassen. Deine Bilder zeigen die "Grandezza" dieser Bauten.
Das Einmalige an dieser Bauweise ist im Gegensatz zu den heutigen modernen Palästen, dass nach dem Zerfallen nur ein Steinhaufen mit wenigen Eisenstücken zurückbleibt, wenn überhaupt. Diese Häuser müssen nicht renaturiert werden, sie schaffen das selber.
Und dies macht den Unterschied.
Ob die Erbauer sich dessen bewusst gewesen sind?
Glaube kaum.
mong, Deine Beiträge sind einmalig!

mong hat gesagt: RE:Gefühl
Gesendet am 30. Mai 2015 um 01:41

Ciao Andreas

Danke für deine wertvollen Ergänzungen und Korrekturen und auch kritischen Anmerkungen. Das ist sehr gut. Mir geht es nicht darum, recht zu haben. Es geht mir darum zu erfahren, wie sich die Dinge abspielen oder abgespielt haben.

Dass ich die Ruinen von Nocengo sozusagen mit den "Hungeralpen" in Verbindung brachte, ist mir im Nachhinein und nach deinen Ausführungen eher peinlich.

Zu meiner "Entschuldigung" ;-) muss ich hier etwas sagen: Diese Ruinen haben mich , als ich sie zum ersten Mal vor mir sah, von einem Augenblick auf den anderen in eine "Respekthaltung" manövriert, die ich mir auch heute noch nicht erklären kann, die aber damals in jenen Stunden alle anderen rationalen Überlegungen weggefegt hat.

Auch ist mir damals bei diesen Ruinen bewusst geworden, dass "Zerfall" und "Schönheit" kein Widerspruch sein muss.

Mit den (fotografisch eher dürftigen) Fotos und Bildkommentaren habe ich versucht, etwas von dieser "entrückten Atmosphäre" rüber zu bringen.
_________________________________

>Zusammenfügen von Macht und Religion

Meinen Bericht (Teil 2) sehe ich so ein bisschen im Sinne von Mani Matters
"Dr Hansjakobli und ds Babettli".

Hier eine Strophe:

Es isch nid jede wie ds Babettli
So harmlos uf sim Taburettli
Drum luegit dass wie Hansjakobli
Geng einen undenufe toppli

I wett fasch säge: "D'Wält wär freier
we meh würd grüeft: He he Frou Meier!"

/www.youtube.com/watch?v=qeY3rRHwEJE

;-))) ♬♫♬

Lieber Gruss
mong


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