Kurzbericht 

Großer Löffler 3379m - Transalp oder Verloren im Nebel


Publiziert von georgb , 10. Dezember 2014 um 22:24.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 7 Juli 2012
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   I 
Zeitbedarf: 16:00
Aufstieg: 2200 m
Abstieg: 2700 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Ahrntal-St.Johann-Stallila
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Zillertal-Ginzling
Kartennummer:tabacco Sand in Taufers

Mit Zögern schreibe ich diesen Bericht, denn zum Einen kann ich nur wenige Fotos bieten und zum Anderen ist die Tour so nicht nachvollziehbar und auch kein gutes Beispiel für intelligenten und verantwortungsvollen Alpinismus. Trotzdem veröffentliche ich die Tour. Einerseits, um sie nie wieder zu vergesssen, andererseits, um ein Beispiel zu geben, was im Hochgebirge passieren kann.
Der Große Löffler ist eine der markantesten Berggestalten des Ahrntals und strahlt eine geradezu magische Anziehungskraft aus. Endlich ist es so weit, das Wetter soll stabil bleiben und die Restwolken am Alpenhauptkamm verziehen sich im Laufe des Tages, sagt der Wetterbericht!
Kurz nach dem Start am Stallila bekomme ich erste Zweifel, im Nieselregen erreiche ich die Kegelgasslhütte. Der Steig zum Gletscher ist trotzdem gut sichtbar und mit dem Vertrauen in die vorhergesagte Wetterbesserung steige ich weiter. Wenigstens lassen die Niederschläge nach und so lege ich die Steigeisen an und quere hinauf zur Trippachscharte. Die Verhältnisse auf dem Gletscher sind perfekt und die Randspalte geschlossen. Gut in der Zeit, beschließe ich noch ein Stück weiterzugehen. Der Nebel behindert zwar die Orientierung, aber das Gelände ist relativ einfach und ich marschiere sorglos weiter. Dass ich dabei den Gipfel einmal komplett umrunde, wird mir erst Tage später bewusst! So komme ich, statt wie üblich von Westen, irgendwie von der Südseite aus hinauf auf das Schneefeld und den kurzen Gipfelhang. Mit diesem Fauxpas hat sich mein Orientierungssinn verabschiedet und mit ihm mein interner Kompass.
Bewusst wird mir das erst viel später. Auch wenn die Sicht gleich Null ist, steh ich zunächst glücklich und erleichtert am Gipfelkreuz, so einfach hatte ich mir das nicht vorgestellt.
Noch immer guten Mutes steige ich meiner Spur hinterher wieder ab, doch leider bald in die falsche Richtung, denn meiner Meinung nach war ich ja auf der Nordseite. Langsam kommen jetzt die ersten Zweifel auf, das Gelände ist mir fremd, bin ich hier schon gewesen? Keinerlei Orientierungspunkte in Sicht, die Wolken bleiben immer noch hartnäckig. Egal, ich muss auf die andere Seite und nach einigen erfolglosen Versuchen erreiche ich auch wieder in der Nähe der Trippachspitze den Kamm, der mich nach Südtirol führen soll. Natürlich nicht, denn ich bin, ohne es zu wissen, um 180 Grad verdreht und steige über das Floitenkees geradewegs nach Nordtirol ab.
Die ersten Spalten erschrecken mich, so hatte ich den Gletscher vom Aufstieg nicht in Erinnerung. Wieder zurück auf dem Kamm quere ich weiter in ein spaltenärmeres Gebiet. Ironie des Schicksals: bei dieser Querung sichte ich in der Ferne meine alte Aufstiegsspur, ohne sie als die eigene zu erkennen! Ein paar Schritte und ich hätte möglicherweise meinen Irrtum erkannt und die Geschichte wäre anders verlaufen.
So aber trotte ich unverdrossen weiter, drüben vom Schwarzenstein (ist mir erst später klar geworden) erkenn ich in den gelegentlichen Wolkenlücken eine Seilschaft im Abstieg und halte auf ihre Spuren zu. Bald ist das Gletscherende erreicht und das Gelände wird einfacher. Hunderte von Steinmännern helfen, beim Aufstieg habe ich sie nicht bemerkt, wie auch!
Aus dem Nebel taucht endlich die Kegelgasslhütte auf, oder? Beim Erkennen der Aufschrift trifft mich der Hammer: Greizer Hütte! Jetzt lichten sich die Schleier, auch in meinem vernebelten Gehirn, ich bin in Österreich gelandet!
Der Hüttenwirt schaut mich an wie ein Gespenst und bietet mir an, zu übernachten. Doch ohne frische Unterwäsche und Zahnbürste ;-) entscheide ich mich für Abstieg. Ein paar Stunden Tageslicht müssten genügen bis Ginzling. Schnell ist ein Taxi organisiert, meine Frau versteht zwar nicht, holt mich aber trotzdem ab. So machen wir uns parallel auf den Weg Richtung Zillertal, ich auf dem Zahnfleisch, sie über den Brenner.
Nachts um 10 an der Kirche in Ginzling nimmt mich Astrid in Empfang. Ein kurzes Dankgebet, für Erklärungen bleibt noch genug Zeit während der Heimfahrt.
Viele halten mich inzwischen für verrückt und unverantwortlich (gelegentlich auch ich selber), doch hat mich dieses Abenteuer Respekt und Vorsicht gelehrt. Seit dieser Zeit gehört der Kompass zu meiner Grundausstattung im Rucksack und Wolken beobachte ich heute mit Genauigkeit und Skepsis, genauso wie die Wettervorhersagen!

Nachtrag: Die Schwierigkeitsangaben und der Zeitbedarf gelten selbstverständlich nur für meine "Variante"! Die Fotos sind zum Teil von späteren Unternehmungen in der Nähe. Höhenmeter und der genaue Wegverlauf meiner Unternehmung lassen sich natürlich nicht mehr exakt rekonstruieren, was auch keine Rolle spielt, denn diese unfreiwillige Alpenüberquerung wird so wohl niemand mehr begehen.

Tourengänger: georgb


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen