Komplette Überschreitung Medel- und Vial-Kette


Publiziert von Delta Pro , 9. September 2014 um 14:45.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Surselva
Tour Datum: 7 September 2014
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   CH-TI   Gruppo Piz Medel   Gruppo Piz Terri 
Zeitbedarf: 12:30
Aufstieg: 3130 m
Abstieg: 3410 m
Strecke:33 km

Lange Grattour mit acht 3000ern und Biwak zwischen Lukmanier und Greina

Einen hohen Gipfel zu überschreiten ist an sich schon etwas vom Schönsten, das der Alpinist erleben kann. Alle Gipfel einer ganzen Bergkette zu überschreiten ist noch besser und kann nur noch gesteigert werden, indem man die Überschreitung mehrerer Ketten kombiniert. Hinauf zum Grat und ihm über alle Zacken kilometerweit folgen bis er fertig ist. Dies ist für mich nach wie vor der Inbegriff von Freiheit, von Bergsteigen. Dass das Zusammenhängen vieler Gipfel zu einem langen Tag führt, ist von vornweg klar. Eine solche Tour ist im Normalfall logistisch nur zu bewältigen, wenn man nahe am Ausgangspunkt biwakieren kann und somit den ganzen Tag zur Verfügung hat ohne dass die Höhenmeter ins Unermessliche wachsen. Meine leichte Ausrüstung ermöglicht solche Unternehmungen und schafft Erlebnisse, die ich nicht missen möchte.

Während es bis jetzt auf Hikr noch keine Berichte zur Überschreitung der Medelser Kette gab, ist die kürzere, aber eher spannendere Vial-Kette schon mehrfach dokumentiert, siehe z.B. hier. Die Tour ist insgesamt nicht sonderlich schwierig; meist bewegt man sich auf Blockgraten, die nur stellenweise Kletterei erfordern. Die Tour ist auch im Alleingang gut zu verantworten, da man nur kurz mit Gletschern in Berührung kommt, welche weitgehend spaltenfrei sind. Die Herausforderung ist aber die Länge: Insgesamt werden 12 Kilometer auf dem Grat zurückgelegt, praktisch immer in Kraxel-Gelände. Das erfordert eine grosse Portion Aufmerksamkeit und Durchhaltevermögen. Auch wenn die Grate nur selten exponiert sind, ist doch stets volle Konzentration im steilen, teils instabilen Blockschutt gefragt. Insgesamt eine grandiose Grattour, wahrscheinlich eine der besten im Bündnerland.

 
Ins Biwak (Stavel da Nuorsas) am Vorabend (T3)

Mit dem letzten Bus nach Pardatsch an der Lukmanier-Passstrasse und auf einer eher langweiligen Fahrstrasse durchs lange und flache Val Cristallina. Beim Stavel digl Uffiern biegt ein mit rot-weissen Stangen markierter, aber nicht ausgeschilderter und selten begangener Pfad ins Val Uffiern ab. Dieser führt durch schöne Landschaft aufwärts und zieht sich ziemlich in die Länge. Bei Fontaunas verlasse ich den Weg und steige über Felsstufen und Gras weiter hinauf bis ich auf ca. 2680 m.ü.M. bei den letzten grünen Flecken einen perfekten Biwakplatz finde. Gemütlicher Abend bei kühlen, aber nicht unangenehmen Temperaturen und Windstille.
 
Piz Cristallina – Piz Medel (T5, L, II)
Um 5.45 habe ich alles zusammengepackt und 2 Liter Getränk am nahen Bächlein abgefüllt und steige in der Dämmerung über Geröll vorbei am grossen See zur Fuorcla Cristallina auf (T4). Nun über den anfangs wenig geneigten, aber recht langen E-Grat zum Piz Cristallina. Oben auf dem Grat hat sich während der kalten Nacht Feuchtigkeit abgesetzt, die teils auch gefroren ist, was den Gang zu einem echten Eiertanz macht. Ab und zu kommen die Hände zum Einsatz, etwas steiler wird es aber nur beim Vorgipfel. Die letzten Meter zum höchsten Punkt sind wieder einfach (insgesamt T5). Das Gipfelbuch ist leider durchfeuchtet. Die ersten Sonnenstrahlen kündigen sich an, doch ich bin noch im Schatten. Eigentlich hatte ich noch mit dem Piz a Spescha geliebäugelt. Der SAC-Führer erklärt den plattigen NW-Grat bei Ausaperung als unbegehbar. Das sehe ich nicht so, denn es scheint einige recht komfortable Risse zu haben, doch mit den glitschigen Felsen kommt eine Kletterpartie für mich nicht in Frage.

Zurück über den Grat zur Fuorcla Cristallina. Um einen Teil des mit Reif besetzten Blockgrates zum Piz Uffiern umgehen zu können, montiere ich die Steigeisen und erreiche den Grat ca. auf 3100 m.ü.M. wieder. Meist etwas rechts der Kante in teils leichter Kletterei zum höchsten Punkt (L, II). Der Abstieg weist ein paar etwas steilere Stufen auf, in denen etwas gekraxelt werden muss. Nach der ersten Scharte weiche ich wieder auf den Gletscher aus (Steigeisen) und kann mir so wieder ein Teil des Grates zur Fuorcla Su ersparen. Dann in schöner Gratwanderung über Blöcke, erst am Schluss etwas steiler, zur Cima di Camadra. Dort gibt es zwar einen grossen Steinmann, doch das Gipfelbuch ist nur noch Muus. Kurzer Abstieg und erneut Steigeisen montieren, damit der teils schon apere Vadrec da Camadra gequert werden kann. Dann durch Schuttgelände auf den Grat (alte blau-weisse Wegmarkierungen!) und über diesen ohne Schwierigkeiten mit etwas Blockkletterei zum Gipfelkreuz des Piz Medel (L, II). Dort treffe ich einige Sekunden vor zwei Seilschaften aus der Medelser Hütte ein.
 
Piz Medel - Piz Valdraus (T5, WS, II)
Den Zeitbedarf um von der Medelser Kette auf die Vial-Kette zu gelangen hatte ich deutlich unterschätzt. Nur schon der Abstieg zur Fuorcla Sura da Lavaz nahm mehr als eine Stunde in Anspruch. Für den Aufstieg zum Piz Valdraus folgte ich strikte dem nicht ganz trivialen Südgrat, der bis jetzt noch in keinem der aktuell 14 Hikr-Berichte zu diesem Gipfel beschrieben ist.

Vom Piz Medel über Felsen und Geröll zum Gletscher und über die grosse Ebene zu Pt. 3012. Aufgrund der geringen Neigung scheint es mir dort keine Spalten zu geben, aber ist man ausgerüstet, seilt man doch besser an. Ich entschloss mich Pt 3015 im Firn nordseitig zu umgehen. Wahrscheinlich wäre es geschickter diesen Felskopf zu überschreiten, da man so schneller auf den Kamm zurückfindet. Ich querte etwas darunter und erreichte den Grat auf ca. 2900 m.ü.M. wieder. Anschliessend in abwechslungsreichem, aber teils steilen Gelände dem Kamm entlang (Wegspuren, T4-T5) und Pt 2759 nordseits umgehend zur Fuorcla.
Weiter über den schönen Grat zum erstaunlich markanten aber namenlosen Gipfel Pt 2853 und alles der Kantonsgrenze GR-TI entlang zum steil aufschwingenden Südgrat, der von weitem unpassierbar, von nahem ganz brav ausschaut. Letzteres ist er anfangs auch. Weiter oben folgen aber kurze Platten, die Kletterei (II-III) erfordern. Die Türme könnten überklettert werden (Ausrüstung). Ich umgehe den ersten rechts um über eine grasige Rampe auf den Grat zurückzukehren. Den zweiten, nach einer Scharte, quere ich westseitig auf einem Felssims und dann durch eine brüchige Verschneidung wieder hinauf zum Kamm (WS, II). Anschliessend einfach zum höchsten Punkt.
 
Überschreitung Vial-Kette (T5, WS-, II)
Über den Grat zum formschönen Piz Gaglianera. Alles in leichter, aber sehr schöner Blockkletterei. Der Einschnitt vor dem Piz Vial ist recht tief und der Grat ist eindrücklich geformt und sieht nicht einfach begehbar aus. Dennoch ist die Kraxelei nirgends schwierig. Steilere Passagen können meist in der Nordflanke umgangen werden. Vom Sättelchen kurz vor dem Gipfel (grosser Steinmann) folge ich dem W-Grat, Aufschwünge links umgehend und gelange so direkt zum Gipfel (WS-, II). Leichter Übergang zum Piz Greina. Eine Gruppe von abweisenden Felszacken kann direkt überklettert werden, was einfacher ist als es ausschaut. Da ich noch über drei Stunden Zeit habe bis zum Alpenbus in Runcahez (Val Sumvitg) hänge ich noch den Piz da Stiarls an. Da mir der Grat recht wild ausschaut und ich den Bericht des Alpin_Rise nicht mehr präsent habe, umgehe ich einen Teil auf dem Glatscher da Greina und steige dann über grosse Blöcke zum höchsten Punkt (T5). Schöner Blick vom wohl selten besuchten Steinmann auf die eindrückliche Hochgebirgsumgebung mit wilden Gletscherchen und sanft grünen Wiesen. Ein schöner Abschluss der Überschreitung!

Verlockend und direkt wäre der Abstieg über den Piz Miezdi und dann direkt ins Val Sumvitg. Doch es liegen mir keine verlässlichen Infos vor und am Ende einer langen Tour sind Wagnisse im Abstieg doch eher ungeschickt. Also entscheide ich mich für den Umweg über die Greina-Ebene und die Terri-Hütte im Glauben, dass Zeit genug für den Abstieg sei. Dass dem nicht so ist, merke ich erst als ich bei der Hütte den Gegenaufstieg zur Crest la Greina bemerke und dort realisiere, dass die Flachstrecke bis Runcahez beträchtlich ist. Nichts mit gemütlichem Auslaufen: Im Eilmarsch geht es den erstaunlich steilen und schmalen, aber sehr schönen Wanderweg ins Val Sumvitg und dann so schnell wie möglich zur Bushaltestelle, wo ich exakt zur rechten Zeit eintreffe.



Durchgangszeiten:
Pardatsch: 16.40
Stavel da Nuorsas (Biwak): 18.55

Stavel da Nuorsas (Biwak): 5.45
Piz Medel: 8.45
Piz Valdraus: 11.05
Piz da Stiarls: 13.15
Runcahez: 15.55

Tourengänger: Delta


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Kommentare (1)


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Dino hat gesagt:
Gesendet am 9. September 2014 um 15:31
Gratulation zu der beeindruckenden Tour!


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