Piz Cambrena 3606 - es geht wieder...

Drei Wochen nach meinem Unfall wollte ich es wissen. Wie wird es sein am Berg, am Fels? Habe ich mich mental im Griff oder flattern die Nerven? Ist es zu früh oder gar schon zu spät?

...du kannst es nur wissen wenn du es tust...

Auch das zweite Datum, schon längst fixiert, für das Wetterhorn mit meiner Bergfreundin Kerstin, wird wetterbedingt nochmals verschoben. Gut hatte ich mich provisorisch für die Eis & Fels Ausbildung vom SAC angemeldet - denn Ausbildung mit Vertiefung kann nie schaden. Zumal standen gute Bekannte/Freunde auf der Teilnehmerliste und darauf freute ich mich.

Mit der RHB ging es nach Morteratsch. Von da aus bei dichtem und tief liegendem Gewölk dem Touristenweg entlang bis an die Gletscherzunge. Witzig - genau vor 2 Monaten trugen mich noch meine Skier bis an den Bahnhof ohne gross zu stöckeln. Wir wurden vom Hauptbergführer Thomas in zwei Gruppen eingeteilt. Ich zählte mich "eingebildet" zu den Fortgeschrittenen. Unsere Hauptthemen des Tages waren Steigeisengehen, Spaltenrettung, Selbstaufstieg aus einer Spalte und in meiner Gruppe als Schmankerl "Austoben im Eisparcours". Für mich eine neue Erfahrung und zugleich auch Überwindung. Schlussendlich war ich aber auch etwas stolz den Parcours geschafft zu haben :-).

Mit dem Wetter hatten wir im Berninagebiet echt Glück. Ein paar Tropfen, dann wieder Sonnenschein nur mit meinem Magen/Därmen da lief es weniger fein. Fiese Krämpfe und...na ja das muss man ja nicht schreiben ;-),  vielleicht waren es "doch" die (Magen-)Nerven! Der Aufstieg über die Moräne bis schliesslich zum Berghaus Diavolezza war dementsprechend "scheisse..." und das leckere Abendessen blieb dann nicht mal im Magen.

Grosse Zweifel hatte ich die angekündigte Anwendertour auf den Piz Cambrena überhaupt antreten zu können. Die Nacht gefühltem 10 Minuten Dämmerschlaf, kreisenden Gedanken, innerer Unruhe...na Bravo das kommt ja gut. Zuvor wurden wir noch in Dreiergruppen eingeteilt. Ich weihte den BF Thomas wie auch meine zwei tollen Seilschafts-Gespanen in meine Unfallgeschichte ein. Um 03.15 Uhr wurden wir geweckt und um 04.00 Uhr ging es in die Nacht...

Wir folgten dem Alpinweg bis zur Fuorcla Trovat. Da auch die Nacht warm war brauchten wir für die kurzen Firnhänge keine Steigeisen. Angekommen auf dem Persgletscher Seilten wir uns in den zugewiesenen Seilschaften ein. Unsere Seilschaft war die Zweite da BF Thomas mich "etwas in Nähe" wissen wollte. Ich fühlte mich in unserer Mitte wohlig, perfekt aufgehoben und ein Mann vorne und hinten kann nie schaden ;-). Wir steuerten den P3011 zu den Felsen an und stiegen in den Nordgrat des Piz Camberas ein. Wir konnten noch steile Firn- und Schneefelder für den Aufstieg nutzen im besten Trittschnee durchsetzt von Felspassagen im II-er Bereich (Klettern). Ich fühlte mich zurückversetzt an das tolle Erlebnis beim Steilhang zum Fieschersattel und diese positive Erinnerung machte mich stark. Somit hatte ich bei keinem Schritt ein Mic roanflug von Zweifel oder gar Ängstlichkeit. Natürlich lag dies auch an der kompetenten Seilschaftsführung von Marco und den - im wahrsten Sinne - Rückhalt von Christoph ;-).

Nach 3:45 Stunden erreichten wir den Gipfel des Piz Cambrena und trotz Magen-/Darmproblemen, kaum Schlaf, dem ganzen Unfallerlebnis fühlte ich - ES IST DAS RICHTIGE FÜR MICH HIER OBEN ZU STEHEN! Ich konnte in Ruhe, in meinem Tempo und mit viel Verständnis diese Tour begehen und dafür danke ich unserer tollen 3er-Seilschaft mit Marco und Christoph. Der Gipfel lag wolkenfrei und der berühmte Piz Palü zeigte sich nun aus einer ganz anderen Perspektive - einfach nur schön.

Den Abstieg begingen wir Richtung P3425, querten dann oberhalb der Eisbrüche (Achtung Spaltenzone!). In dieser Passage wusste ich, dass ich eventuell Mühe hätte. Christoph, nun als Seilerster, zeigte viel Verständnis und somit konnte ich auch dies mit einem positiven Gefühl erleben. Weiter ging es über die Felsen in Nordwestlicher Richtung, oberhalb noch im kompakteren Felsgelände dann aber zunehmend lose und brüchig wieder zum P3011. Den Ausbildungsabschluss machten wir noch mit "Pickelbremse" und "Verankerungen im Schnee".


Für mich gab dieses Ausbildungswochenende mit Anwendertour die richtige Portion "Berg- und Selbstvertrauen", die Würze der "Abwechslung von Ausbildungssequenzen und einer Bergbesteigung" sowie die süsse Nachspeise von "Verständnis und Support".

...nun weiss ich - es geht wieder... :-)



Danke dass ich ein paar schöne Bilder von anderen TN's hier veröffentlichen kann :-)