Piz Bernina 4049m via Biancograt - ein Hauch Patagonien


Publiziert von Mueri , 5. Oktober 2013 um 17:22.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Berninagebiet
Tour Datum:25 September 2013
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Piz Bernina   Bernina-Gruppe   I 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2550 m
Abstieg: 2450 m
Strecke:Punt Ota - Tschiervahütte SAC - Fuorcla Prievlusa - Biancograt - Piz Bianco - Piz Bernina - La Spedla - Fuorcla Crast' Agüzza - Bellavista - Fuorcla Bellavista - Fortezza - Vadret da la Fortezza - Morteratsch
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Gebührenpflichtiger Parkplatz unterhalb des Bahnhofs Pontresina (Parkplätze jenseits der Brücke über den Ova da Roseg). Ab dort Möglichkeit, sich mit der Kutsche nach Roseg (1999) chauffieren zu lassen.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Bahn von Morteratsch nach Pontresina
Unterkunftmöglichkeiten:Tschiervahütte SAC

Einziger Viertausender der Ostalpen, Kantonshöhepunkt von Graubünden - zwei Titel, mit denen sich der Piz Bernina schmücken darf und die ihm - Präferenzen hin oder her - niemand streitig machen kann. Daneben bietet er zumindest bei schönem Wetter geniale Tiefblicke und einen Aufstieg über einen Grat wie im Bilderbuch: den Biancograt.

Dass ich mir noch in diesem Jahr den Traum erfüllen würde, über den wohl bekanntesten und schönsten Eisgrat der Alpen aufzusteigen, hätte ich vor einigen Wochen noch nicht gedacht. Ursprünglich plante ich, am 25./26. September einen Glarnergipfel oder allenfalls einen Berner zu besteigen, doch verhiess Meteo vor allem am 26. September in der gesamten Deutschschweiz regnerisches Wetter. Fürs Engadin hingegen war Sonnenschein pur prognostiziert. Damit war die Entscheidung gefallen: Piz Bernina! Letztendlich kam es dann aber doch anders, zumindest punkto Wetters.



Tag 1

Nach 17.00 Uhr deponieren wir (Bergführer Heiri, mein Kollege Cornel und ich) unseren fahrbaren Untersatz unterhalb vom Bahnhof Pontresina auf einem der gebührenpflichtigen Parkplätze östlich des Ova da Roseg. Die letzten Kutschen ins Val Roseg sind längst abgefahren, und überdies brächte uns dies nur eine geringe Zeitersparnis ein. So gehen wir via Val Roseg zügig in 2.5 Stunden hoch zur Tschiervahütte, wo wir im Voraus unsere planmässige Verspätung mitgeteilt haben. Ab Margun Misaun kommt definitiv Vorfreude auf. Die Engadiner Prominenz, allen voran der Piz Roseg und der Biancograt, zeigen sich im roten Abendkleid.

Oben angekommen, können wir uns sogleich an den Tisch setzen. Die Tschiervahütte überzeugt dabei mit einem tollen Gericht. Weniger gelungen erscheint mir allerdings, dass sämtliche Übernachtungsgäste in ein einziges Zimmer gepfercht werden, während viele andere Zimmer in der Hütte leer stehen. Mag sein, dass es nicht der Philosophie einer Berghütte entspricht, Einzelzimmer anzubieten (und ich persönlich wäre auch kein Befürworter solcher Dinge), doch hätte ich die Geste geschätzt, bei vorhandenem Angebot ein weniger dicht belegtes Zimmer angeboten zu erhalten...


Tag 2

Die Tschiervahütte hat ihrem Namen alle Ehre gemacht. Die ganze Nacht hindurch röhrte ein Hirsch (rätoromanisch: tschierv, italienisch: cervo) in unmittelbarer Nähe der Hütte. Nach spärlichem Schlaf und einem stärkenden Frühstück brechen wir um ca. 04.30 Uhr auf Richtung Fuorcla Prievlusa, bei warmen Temperaturen, aber unerwartet bedecktem Himmel. Unmittelbar rechts von der Hütte gilt es, auf einem gut angelegten Weg erstmals Höhenmeter zu überwinden. Bei der zweiten Seilsicherung quert man nach rechts (südöstlich), um nicht plötzlich auf dem Piz Morteratsch zu stehen. Meist leicht ansteigend und immer den reflektierenden Markierungsstreifen folgend läuft man oberhalb des Vadret da Tschierva parallel zu diesem Richtung Fuorcla Prievlusa und steigt gegen Schluss, kurz vor dem Abzweiger zur Fuorcla Prievlusa, unschwierig auf den Gletscher ab. Vor dem Aufstieg zur Fuorcla Prievlusa (Koordinaten 789200, 141100) ziehen wir die Steigeisen an und steigen, zumal nur wir und hinter uns eine Zweierseilschaft unterwegs sind, direkt über den Firnschnee hoch zur Fuorcla Prievlusa. (Alternativ könnte aufgrund der Steinschlaggefahr etwas nördlich, d. h. links davon im Felsen auf einem Klettersteig aufgestiegen werden.)

Langsam bricht der Tag an. Langsam müssen wir der Tatsache ins Auge schauen, dass das Wetter wohl nicht hält, was uns in den Prognosen versprochen wurde. Zwar ist die Sicht hinunter zum Morteratschgletscher noch ungetrübt, doch sollte sich auch dies im Verlaufe des Tages ändern. Nach ersten Klettereien ab der Fuorcla Prievlusa (erst rechts, dann auf dem Grat, dann links davon) erreichen wir P. 3574: den Einstieg zum Biancograt. Für einen lauten Jubelschrei hat's nicht gereicht, die Freude ist etwas verhalten, sind doch nur die ersten Meter des Grates zu sehen, während der Rest im Nebel versinkt. Zu gut, das Bergsteigen nicht eine rein optische Angelegenheit ist! Über den teils verwächteten Grat steigen wir relativ unschwierig nach oben, während von Westen her kommende Windböen uns  immer wieder fast vom Grat fegen.

Auf dem Piz Bianco angelangt, folgt der m. E. anspruchsvollste Teil der Tour: die Überschreitung zum Piz Bernina. In solidem, aber mit Raureif überzogenem Fels bewegen wir uns meist auf der luftigen Gratschneide fort, teilweise links davon. Um zu erfahren, wie luftig die Angelegenheit nun wirklich war, müssten wir aber wohl ein weiteres Mal hochsteigen... An zwei Stellen kann abgeseilt werden, bevor man dann endgültig auf dem Gipfel des höchsten Bündners steht.

Und dann stehen wir oben, vom Wind und Wetter gezeichnet, aber überglücklich! Dass der Piz Bernina in der Schweiz der Berg mit der grössten Dominanz ist, wird uns zwar beim Geniessen der Aussicht nicht so wirklich bewusst. Doch war der Aufstieg aufgrund der Bedingungen umso abenteuerlicher; ein Bergerlebnis mit einem Hauch Patagonien.

Erst über den Grat zu La Spedla kletternd, gelangen wir über weite Schneefelder runter zur Fuorcla Crast'Agüzza, wo wir eine kurze Mittagsrast einschalten. Dort queren wir auf einem quasi horizontal verlaufenden Pfad in abschüssigem Gelände den Gletscher vorbei am Crast' Agüzza und Piz Zupò. Der Weg führt sodann, leicht aufsteigend in teils lockerem Schnee, durch ein Spaltenlabyrinth hoch zur Fuorcla Bellavista. Aufgrund der Wetterverhältnisse entscheiden wir, die Überschreitung des Piz Palü auszulassen und über die Fortezza zur Bahnstation Morteratsch abzusteigen. Bei P. 3482 folgt noch einmal eine kurze, mit gelben Pfeilen bestens markierte Kletterei im II. Grad, jedoch kaum vergleichbar mit der Überschreitung vom Piz Bianco zum Piz Bernina, obgleich auch sie eine Abseilstelle enthält. Über den Fortezzagletscher und die Isla Persa gelangen wir zur verkümmerten Einmündung des Persgletschers in den Morteratschgletscher. Ab dort steigen wir auf dem Morteratschgletscher hinab zu dessen Zunge. Noch trennt uns eine 40-minütige Fusswanderung von der Bahnstation Morteratsch...


Fazit: Grandiose Tour, von der nicht ganz zu Unrecht so mancher träumt und mit der auch ich mir einen Traum erfüllen konnte. Das garstige Wetter hatte durchaus seinen Reiz und liess das Abenteuer 'Piz Bernina' in vielerlei Hinsicht noch abenteuerlicher erscheinen. Nichtsdestotrotz bedaure ich, dass ich auf die imposanten Tiefblicke verzichten musste, dass mir der Anblick der Himmelsleiter verwährt blieb, die Aussicht vom Piz Bernina, die Überschreitung des Piz Palü etc. Man kann eben nicht alles haben, und so geniesse ich diese (hoffentlich) einmalige Erfahrung, bei der ich sehr froh um einen Bergführer war, und komme ganz einfach an diesen Ort zurück!

Tourengänger: Mueri


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Kommentare (2)


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MaeNi hat gesagt:
Gesendet am 5. Oktober 2013 um 17:47
Jaja...der chäibä Biancograt...staht au nu uf üsärä Projäktlischtä :-)

Suuber gmacht - vor allum be denä Bedingigä..
LG
N&M

Mueri hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. Oktober 2013 um 17:01
Hoi zäme

Dä Biancograt wird üch beidnä garantiert gfallä. Ich hanen wohl au nid zum letschtä Mal gmacht, ab nächschts Mal hoffentli bi besserm Wätter.

Gruess

Mueri


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