Hinterer Tajakopf (2408m) - Extremer Zustieg über den Seebener Klettersteig


Publiziert von DonPico , 10. September 2013 um 22:28.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Wetterstein-Gebirge und Mieminger Kette
Tour Datum: 9 Juli 2009
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettersteig Schwierigkeit: K5 (SS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 1300 m
Strecke:Talstation Ehrwalder Almbahn - Seebener Klettersteig - Seebensee - Coburger Hütte - Hinterer Tajakopf - Ehrwalder Alm - Talstation Ehrwalder Almbahn
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Stuttgart - Tübingen - Reutlingen - Metzingen - Ehingen - Biberach - Memmingen - Füssen - Ehrwald
Unterkunftmöglichkeiten:Zelten am Seebensee
Kartennummer:AV-Karte 4/2 - Wetterstein- und Mieminger Gebirge Mitte

Allgemeines:

Über den Klettersteig an der Tajakante auf den Vorderen Tajakopf hatte ich bereits viel gehört. Auch davon, dass der schnellste Zustieg über den Seeben Klettersteig führt. Ich überzeugte Sven, das Ganze als Zweitagestour zu machen. Der Plan war, am Nachmittag des ersten Tages zum Seebensee aufzusteigen und dort zu campen. Am zweite Tag wollten wir dann über den Klettersteig an der Tajakante zum Gipfel.
Beide Klettersteige waren als sehr schwierig eingestuft. Für den längeren Steig über die Tajakante wollten wir das Zelt an der Coburger Hütte deponieren. 

Anfahrt:

Da die Strecke, die wir am ersten Tag bis zum Seebensee zurücklegen wollten, nur etwa zwei Kilometer Luftlinie und gut 500 Höhenmeter betrug, hatten wir es am ersten Tag mit der Anfahrt nicht sonderlich eilig. Ich fuhr nach dem Mittagessen von der Arbeit nach Tübingen und holte Sven ab, der aber noch nicht fertig gepackt hatte. Erst gegen 15:00 Uhr kamen wir los und fuhren über Reutlingen und die Schwäbische Alb nach Memmingen und von dort über Füssen nach Ehrwald, wo wir nach einem Besuch in einem Supermarkt erst nach 18:30 Uhr am Parkplatz der Ehrwalder Almbahn ankamen.

Tourenbeschreibung:

1. Tag:

Gegen 19:00 Uhr gingen wir am Parkplatz los. Über Ehrwald lagen einige dunkle Regenwolken, die aber nicht besonders bedrohlich aussahen. Wir gingen durch den Wald, zunächst entlang des Geißbachs zum Einstieg des Seebener Klettersteigs. Auf einem Schild wurde auf die Schwierigkeit des Steigs hingewiesen.
Da wir bereits viele Klettersteige gemacht hatten, schreckte uns das Schild nicht besonders. Und weil es Anfang Juli bis fast 22:00 Uhr hell ist, hatten wir auch bezüglich der einbrechenden Dunkelheit keine Bedenken.
Wir erreichten den Einstieg des Steigs gegen 19:30 und legten das Klettersteig-Set an.
Da wir im Zelt übernachten wollten hatten wir schwere Ausrüstung dabei. Bereits der Einstieg war knifflig. Es geht direkt mit einem vertikalen Stück los. Ich zog mich mühsam nach oben und war froh, dass es nach etwa 15 Metern etwas leichter wurde. Sven benötigte für die ersten Meter fast eine Viertelstunde und hatte von Anfang an Bedenken, weiterzugehen. Ich dachte, wir hätten das schwierigste Stück bereits hinter uns und überzeugte ihn, weiterzugehen. Dummerweise fing es wenig später an, leicht zu regnen. Sofort wurde das Drahtseil glitschig, und es war zwar noch ein Festhalten möglich, jedoch kein Hochziehen am Seil in der Vertikalen. Streckenweise hatte ich nun auch ein mulmiges Gefühl, es hörte aber bald wieder auf zu regnen.
Der Klettersteig forderte mir konditionell viel ab. Die Schwierigkeit im Mittelteil ist zwar nicht zu vergleichen mit dem ersten Stück, aber es gibt auch dort schwere Passagen. Manchmal gefiel mir die Routenführung nicht sonderlich, da das Drahtseil zum Teil so angebracht ist, dass z.B. natürliche Verschneidungen und Geländeformen nicht gut ausgenutzt werden können. 
Wir machten zwei Pausen und waren mit unserem schweren Gepäck nicht sonderlich schnell unterwegs. Kurz vor dem Ausstieg folgt die zweite Schlüsselstelle: eine etwa 20 Meter hohe, fast senkrechte Wand, die zum Teil - aber nicht durchgängig - mit Eisenstiften gesichert ist. Konditionell war ich mittlerweile ziemlich am Ende. Trotzdem lehnte ich einen Schokoriegel, den mir Sven anbot ab, da ich dachte, in wenigen Minuten wäre alles geschafft. Ich stieg gegen 20:30 Uhr als zweiter in das letzte Stück ein. Wieder mussten wir uns an der glatten Felswand am bloßen Drahtseil hochziehen. Plötzlich merkte ich, dass der Saft in den Armen "Alle" war. Ich konnte mich mit letzter Kraft oberhalb eines Hakens ins Drahtseil einhängen, kam aber nicht mehr weiter. Ich probierte mehrfach, mich zum nächsten Haken hochzuziehen - keine Chance. Meine Lage war ziemlich bescheiden, und die Drahtstifte, auf die man stehen könnte waren noch ziemlich weit über mir. Ich machte Sven, der bereits am Ausstieg war, klar, in welcher Lage ich mich befand. Gut 20 Minuten hing ich wie ein Sack bewegungslos in der Wand und spielte sehr ernsthaft mit dem Gedanken, der Rucksack mit der schweren Ausrüstung abzuwerfen. Dann stellte ich fest, dass die Wartezeit mir wieder zu etwas Kraft verholfen hatte und ich schaffte ein weiteres kurzes Stück. Das gab mir das Selbstvertrauen zurück, da ich nun spürte, dass ich es schaffen würde, wenn ich nur genügend Pausen einlegte. Ich kämpfte mich noch weitere 15 Minuten ab und kam schließlich abgekämpft, mit blutenden, blasenüberzogenen Handinnenflächen und mit weichen Knien oben an. Sven erwartete mich kopfschüttelnd.
Mittlerweile war es fast dunkel geworden und wir gingen weiter zum Seebensee, wo wir an einem flachen Stück am Seeufer mit den Stirnlampen das Zelt aufbauten. Viel geredet wurde nicht. Mit dem Benzinkocher kochten wir noch ein paar Nudeln mit Tomatensauce.

2. Tag:

Unser eigentliches Ziel, die Tajakante, verwarfen wir ohne große Diskussion. Uns war nach einer harmlosen Wanderung ohne weiteren Nervenkitzel zumute. Wir bauten das Zelt ab, legten es zum Trocknen über eine Bank und machten Frühstück.
Danach packten wir zusammen und gingen los in Richtung Coburger Hütte, die nach Passieren des östlichen Seeufers über einen steilen Steig erreicht wird. Wir rasteten und gingen dann weiter über steile Serpentinen hoch zum Hinteren Tajatörl, dem Übergang ins Brendlkar. Von der Passhöhe stiegen wir über den unschwierigen Südgrat zum Gipfel des Hinteren Tajakopfes und bewunderten von oben die Aussicht auf die Mieminger Kette und das gegenüber liegende Wettersteingebirge. Dann stiegen wir durch das Brendlkar ab. 
Auf etwa 1600 Höhenmeter kamen wir in den Wald und gingen über Forstwege und flaches Gelände zur Ehrwalder Alm. Dort machten wir ausgiebig Rast bevor wir über den Fahrweg zur Talstation zurück gingen. Auf diesem letzten Wegstück kann man den Seeben Klettersteig an einigen Stellen gut einsehen.
 
Rückfahrt:

Über Füssen und Ulm auf der Autobahn nach Tübingen. Dort lieferte ich Sven ab und fuhr dann nach Hause nach Stuttgart.

Fazit:

So weiche Knie hatte ich in den Bergen noch nie. Ich hatte die Schwierigkeiten des Seeben Klettersteigs ganz klar unterschätzt: wir hätten nicht mit so schwerem Gepäck in den Steig einsteigen dürfen. Hinzu kamen das nicht ganz stabile Wetter und die fortgeschrittene Uhrzeit, die zwar das Unternehmen nicht unmöglich machten, aber sehr zur bedrohlichen Gesamtsituation beitrugen. Und schließlich nutzen die schönsten Kletterhandschuhe wenig, wenn man sie im Rucksack lässt.
Kein Ruhmesblatt, aber ich glaube, ich habe aus der Situation gelernt.

Tourengänger: DonPico


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