Val Bavona/Val Calnegia – Der „Kuh-Weg“ zur Alpe Crosa
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Das Val Bavona und somit dessen Seitental, das Val Calnegia, ist sehr gut dokumentiert. Einesteils durch das vergriffene Buch von Aldo und Nora Cattaneo „Storie e sentieri di Val Bavona“ (Texte grob übersetzt kursiv, fett) , andernteils durch das ausserordentliche Werk von Giuseppe Brenna „Alpi di Val Bavona“.
Ziel meiner heutigen Wanderung ist das Nachvollziehen der Beschreibung einer betagten Frau, welche als Kind beim Alpauf- und -rückzug (Transhumanza) mitarbeitete.
„Meine Familie bewirtschaftete die Alpe Crosa und ich habe als 5- bis 16-Jährige den Sommer da oben verbracht. In groben Zügen war der Ablauf wie folgt: Am 1. Juli stieg man von Gerra nach Runsgia (erste Alp) auf und blieb dort bis zum 16-17 Juli.“
Ich starte in Foroglio 684m nach einem ausgedehnten Schwatz und steige den interessanten rot/weiss-markierten Weg an der Kapelle vorbei rechts des Wasserfalles über diesen hinaus nach Puntid 890m. Warm und schön. Einer der wenigen Frühlingstage. Über die jahrhundertalte Bogenbrücke hinüber auf die orographisch rechte Seite des Fiume, begleitet vom mächtigen Rauschen nach Gerra 1045m. Weiter nach Calnegia 1108m. Neu sind hier Ammenkühe mit Stier (gutmütig) und Kälber am Weiden. Riesen Dinger, wenn man bedenkt, wie klein die Kühe in den 1920iger Jahren waren.
Es braucht keine grosse Vorstellungskraft, sich die Überschreitung des Flusses zwischen Calnegia und der Aufstieg auf dem steilen und exponierten Weg nach Runsgia 1508m(Runtscha) mit Kühen vorzustellen. In vier Wochen wäre der Termin! Lawinenschnee-Reste und hoher Wasserstand. Nun ja – es ging ohne nasse Socken, aber dennoch einer rechten Beule am linken Schienbein. Dieser verflixte Bach….
Auf hunderten von (teils übergrossen) Tritten (Gradisc = Stufenanlage) steige ich zügig bis auf etwa 1530m, wo die Abzweigung nach rechts mit einem Holzpfeil „Rongia“ markiert ist. Der horizontale Weg ist chaotisch, aber die Hütte unterhalten und abgeschlossen, mit einem fremdländischen Touch und fliessend Wasser. Und da verbrachte man also zwei bis drei Wochen: 3 – 4 Personen in diesem 3x3m Innenraum. Käsekessi, Tisch, Hocker, Bettstatt…
"Die zweite Verschiebung führte nach Corte Grande, welches alles andere wie „grandig“ war. Die Hütte ist an eine Geröllhalde angelehnt am Fusse der Gegend Val e Rì. "
Zurück zum markierten Weg und wieder mühsames Hinaufschnauben nach Gradisc 1703m. Ich habe diesen Weg gewählt, da der Originalweg auf der andern Seite des Grabens unauffindbar war.
Auf dem Wanderweg steige ich bis auf 1830m (Höhenmesser nicht vergessen). Dort beschreibt Giuseppe Brenna exakt den Eintritt in den Crosa-Graben, welcher auf dieser Höhe dank Schutt und Geröll auch bei Hochwasser überschritten (-klettert) werden kann. Der Fluss läuft zur Hauptsache unterirdisch. Auf der Gegenseite ist eine an den Felsriegel handgezimmerte Holzleiter (Schwalbenschwanz-Verbindungen!) angelehnt, welche leider den Winter nicht überstanden hat. Trotzdem kann diese Stelle rechts herum leicht umgangen werden. Den weissen Bändel und wenigen Zeugen vom alten Weg entlang über polierte Felsbuckel nach Crosa, Corte Grande 1903m.
Diese beiden rund 50m übereinander liegenden winzig kleinen Steinhüttchen, deren Eingang gut 150cm hoch ist, sind identisch und an die mächtige Fels- und Geröllhalde angelehnt. Im unteren Häuschen wurde ein Felsbrocken gleich miteinbezogen. Unvorstellbar, zu viert 14 Tage hier zu hausen, käsen….
Für mich ist hier Ende Transhumanza. Ich kehre auf dem gleichen Weg zurück. Für die Erzählerin geht der Sommer weiter:
"Ende Juli verschoben wir uns auf Mött und da oben wurde die Gegend lieblicher. Die Weiden waren weniger steil und um die Ziegen für das Melken zusammen zu treiben genügte es, wenig über die Hütte aufzusteigen bis man den See sah. Mit wenigen Rufen, welche vom Echo stark unterstützt wurden, versammelte man die Herde weniger mühsam wie unten. (…). Alles in Allem hatte der Corte die Mött eine spezielle Faszination, da er dem Wind und Gewitter ausgesetzt war. Ich erinnere mich noch an die Zerstörungen durch die Blitze, welche vom Madone di Formazöö herab donnerten. Die Hütte machte nicht den Eindruck sehr solid zu sein und öfters hörte jemand Zeichen von bevorstehendem Einsturz. Und dennoch vergingen 50 Jahre nach der Weissagung und die Hütte ist immer noch da und trotzt bestens den grossen Schneestürmen von dort oben.
Gegen den 10-12. August folgte der letzte Exodus gegen Piènsgia, eine ruhige Alp unterhalb der Bocchetta di Nassa. Man ging an den See um die Wäsche zu machen, weil jeweils das Wasser der kleinen Quelle versiegt war. Hier war eine den Kühen sehr bekömmliche Weide und man bekam eine spezielle Butter.
Nach dem 20. August stieg man nach Corte Grande und nach Rungia ab. Am 1. September erreichte man Gerra."
Nach einem eindrücklichen Tag kehre ich nach Foroglio zurück.
Gedankenversunken. Ich sehe dieses „Tal der Touris“ nochmals in einem andern Licht. Für mich sind die Älpler von damals tapfere Helden!
Ohne Glanz und Gloria.
Ziel meiner heutigen Wanderung ist das Nachvollziehen der Beschreibung einer betagten Frau, welche als Kind beim Alpauf- und -rückzug (Transhumanza) mitarbeitete.
„Meine Familie bewirtschaftete die Alpe Crosa und ich habe als 5- bis 16-Jährige den Sommer da oben verbracht. In groben Zügen war der Ablauf wie folgt: Am 1. Juli stieg man von Gerra nach Runsgia (erste Alp) auf und blieb dort bis zum 16-17 Juli.“
Ich starte in Foroglio 684m nach einem ausgedehnten Schwatz und steige den interessanten rot/weiss-markierten Weg an der Kapelle vorbei rechts des Wasserfalles über diesen hinaus nach Puntid 890m. Warm und schön. Einer der wenigen Frühlingstage. Über die jahrhundertalte Bogenbrücke hinüber auf die orographisch rechte Seite des Fiume, begleitet vom mächtigen Rauschen nach Gerra 1045m. Weiter nach Calnegia 1108m. Neu sind hier Ammenkühe mit Stier (gutmütig) und Kälber am Weiden. Riesen Dinger, wenn man bedenkt, wie klein die Kühe in den 1920iger Jahren waren.
Es braucht keine grosse Vorstellungskraft, sich die Überschreitung des Flusses zwischen Calnegia und der Aufstieg auf dem steilen und exponierten Weg nach Runsgia 1508m(Runtscha) mit Kühen vorzustellen. In vier Wochen wäre der Termin! Lawinenschnee-Reste und hoher Wasserstand. Nun ja – es ging ohne nasse Socken, aber dennoch einer rechten Beule am linken Schienbein. Dieser verflixte Bach….
Auf hunderten von (teils übergrossen) Tritten (Gradisc = Stufenanlage) steige ich zügig bis auf etwa 1530m, wo die Abzweigung nach rechts mit einem Holzpfeil „Rongia“ markiert ist. Der horizontale Weg ist chaotisch, aber die Hütte unterhalten und abgeschlossen, mit einem fremdländischen Touch und fliessend Wasser. Und da verbrachte man also zwei bis drei Wochen: 3 – 4 Personen in diesem 3x3m Innenraum. Käsekessi, Tisch, Hocker, Bettstatt…
"Die zweite Verschiebung führte nach Corte Grande, welches alles andere wie „grandig“ war. Die Hütte ist an eine Geröllhalde angelehnt am Fusse der Gegend Val e Rì. "
Zurück zum markierten Weg und wieder mühsames Hinaufschnauben nach Gradisc 1703m. Ich habe diesen Weg gewählt, da der Originalweg auf der andern Seite des Grabens unauffindbar war.
Auf dem Wanderweg steige ich bis auf 1830m (Höhenmesser nicht vergessen). Dort beschreibt Giuseppe Brenna exakt den Eintritt in den Crosa-Graben, welcher auf dieser Höhe dank Schutt und Geröll auch bei Hochwasser überschritten (-klettert) werden kann. Der Fluss läuft zur Hauptsache unterirdisch. Auf der Gegenseite ist eine an den Felsriegel handgezimmerte Holzleiter (Schwalbenschwanz-Verbindungen!) angelehnt, welche leider den Winter nicht überstanden hat. Trotzdem kann diese Stelle rechts herum leicht umgangen werden. Den weissen Bändel und wenigen Zeugen vom alten Weg entlang über polierte Felsbuckel nach Crosa, Corte Grande 1903m.
Diese beiden rund 50m übereinander liegenden winzig kleinen Steinhüttchen, deren Eingang gut 150cm hoch ist, sind identisch und an die mächtige Fels- und Geröllhalde angelehnt. Im unteren Häuschen wurde ein Felsbrocken gleich miteinbezogen. Unvorstellbar, zu viert 14 Tage hier zu hausen, käsen….
Für mich ist hier Ende Transhumanza. Ich kehre auf dem gleichen Weg zurück. Für die Erzählerin geht der Sommer weiter:
"Ende Juli verschoben wir uns auf Mött und da oben wurde die Gegend lieblicher. Die Weiden waren weniger steil und um die Ziegen für das Melken zusammen zu treiben genügte es, wenig über die Hütte aufzusteigen bis man den See sah. Mit wenigen Rufen, welche vom Echo stark unterstützt wurden, versammelte man die Herde weniger mühsam wie unten. (…). Alles in Allem hatte der Corte die Mött eine spezielle Faszination, da er dem Wind und Gewitter ausgesetzt war. Ich erinnere mich noch an die Zerstörungen durch die Blitze, welche vom Madone di Formazöö herab donnerten. Die Hütte machte nicht den Eindruck sehr solid zu sein und öfters hörte jemand Zeichen von bevorstehendem Einsturz. Und dennoch vergingen 50 Jahre nach der Weissagung und die Hütte ist immer noch da und trotzt bestens den grossen Schneestürmen von dort oben.
Gegen den 10-12. August folgte der letzte Exodus gegen Piènsgia, eine ruhige Alp unterhalb der Bocchetta di Nassa. Man ging an den See um die Wäsche zu machen, weil jeweils das Wasser der kleinen Quelle versiegt war. Hier war eine den Kühen sehr bekömmliche Weide und man bekam eine spezielle Butter.
Nach dem 20. August stieg man nach Corte Grande und nach Rungia ab. Am 1. September erreichte man Gerra."
Nach einem eindrücklichen Tag kehre ich nach Foroglio zurück.
Gedankenversunken. Ich sehe dieses „Tal der Touris“ nochmals in einem andern Licht. Für mich sind die Älpler von damals tapfere Helden!
Ohne Glanz und Gloria.
Tourengänger:
Seeger

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