Tschugga (1881 m): Unten grau, (zu weit) oben blau!


Publiziert von marmotta , 30. April 2013 um 00:33.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:28 April 2013
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alvier Gruppe   CH-SG 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Strecke:Mels Bhf - Heiligkreuz - P. 677 - Vorderspina - Hinterspina - P. 1721 - Chamm - Tschugga - Steinersäss - P. 1438 - Hinterspina - Mels-Heiligkreuz - Sargans
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Mels
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Sargans

Der südseitige Aufstieg auf das der Alvierkette vorgelagerte Gipfelplateau des Tschugga (1881 m) eignet sich hervorragend für die Wander-Vorsaison, wenn sonst überall noch (zu) viel Schnee liegt. Der Direktaufstieg von der Alp Vorderspina zum Gipfel bietet im oberen Bereich eine hübsche Kraxelei mit jähen Tiefblicken, in schmerzvoller Erinnerung ist mir aber auch noch ein grauenvolles Legföhrendickicht im Breich des Rundchopf. Auf diese Gesellschaft hatte ich heute keine Lust, im übrigen wäre es mir für diese anspruchsvolle Aufstiegsvariante an diesem neblig-feuchten Tag entschieden zu nass gewesen. Wieso also nicht mal den "Normalweg" probieren?
 
Mit dem (Frühlings-)Wetter ist das ja momentan so eine Sache. Auf herrlichen Sonnenschein mit frühsommerlich warmen Temperaturen unter der Woche folgt regelmässig wechselhaftes und eher feuchtes Wetter am Wochenende. Will man dann trotzdem einige Höhenmeter "machen" und in die Berge gehen, muss man halt das Beste daraus machen…
 
Auf eine weite(re) Reise nach Graubünden, wo schönes, sonniges Wetter prognostiziert war, hatte ich keine Lust, zumal ich hoffte, die (bereits am Morgen durch die Säntis-Webcam gut zu sehende) hochliegende Wolken- und Nebeldecke auch in den Voralpen durchstossen zu können. Mit meinem nur knapp 1900 m hoch liegenden Gipfelziel pokerte ich hoch - und kam mit einem (wortwörtlich) blauen Auge davon.
 
Von Mels (478 m) gelange ich auf dem bei P. 677 (Talid) abzweigenden Alpweg sehr speditiv zur Alp Vorderspina (1281 m), deren Hütten erst im letzten Moment schemenhaft aus dem Nebel auftauchen. Der in ruppiger Steilheit teils abenteuerlich durch die steile, von Tobeln, Runsen und Felswänden durchzogene Flanke führende Steig wurde beim letzten Unwetter durch entwurzelte Bäume und Steinschlag arg in Mitleidenschaft gezogen, die Schäden sind aber bereits wieder behoben, so dass der Weg momentan gut begangen werden kann (T3).
 
Von der Alp Vorderspina steigt man noch ca. 100 Hm auf Wegspuren die Weideflächen hinauf, bis ein Schild den Querweg zu Alp Hinterspina weist. Dieser Pfad wurde teils eindrücklich in die Felswände gehauen, er führt stellenweise exponiert am Abgrund entlang und übwerwindet in der Folge zwei grosse Runsen. Glücklicherweise ist der gesamte Weg -bis auf einige nicht störende Reste- schneefrei. Anderenfalls wäre eine Begehung dieser Route auch kaum zu verantworten. Die grosse Runse, die es im letzten Drittel zu queren gilt, ist allerdings noch schneegefüllt, was entsprechende Vorsicht verlangt. Eine (nasse) Felsstufe, die unmittelbar nach der Runse abgestiegen werden muss, erfordert ebenfalls erhöhte Aufmerksamkeit: Die Stelle ist zwar mit einem Drahtseil gesichert, jedoch ist das Metallrohr, an dem das Seil entlang der Felsen rechterhand befestigt ist, vermutlich durch Schneedruck geknickt und gebrochen und somit nicht mehr zu gebrauchen! Bei trockenen Verhältnissen kein Problem, bei Nässe besteht in dem abschüssigen Gelände jedoch akute Ausrutschgefahr.
 
Von der Alp Hinterspina, die ich kurz darauf erreiche, folge ich zunächst den Wanderwegzeichen Richtung Alp Palfries, bis der Weg und die Markierungen sich in den ab einer Höhe von ca. 1450 m zunehmenden Schneefeldern verlieren. Im stockdichten Nebel bin ich bald völlig orientierungslos, doch die Richtung ist ja eigentlich klar: hinauf! Da das Gelände unterhalb der Palfries-Strasse nicht schwierig oder besonders steil ist, steige ich über grösstenteils bereits apere und mit unzähligen Krokussen übersäte Grasmatten auf, bis ich fast über das Hüttchen neben der Transformatorenstation bei P. 1721 stolpere. Bei solchen Sichtverhältnissen braucht das Auge Kontrast- und Orientierungspunkte, also steige ich noch einige Meter weiter auf und quere entlang des baumbestandenen Chamm auf gut tragendem Firn nach Süden zu P. 1712, von wo mir die Pfosten des tief zerfurchten Weidegeländes eine gute Orientierungshilfe sind. Zwischenzeitlich bin ich durch den feinen Nieselregen völlig durchnässt, doch ganz schwach drückt die Sonne durch die Wolken- und Nebeldecke (oder bilde ich mir das nur ein?).
 
Dank des nun wieder aperen Geländes gelingt es mir ohne Schwierigkeiten, den höchsten Punkt des Tschugga (1881 m) auch im dichtesten Nebel zu finden. Am Gipfelsteinmann angekommen, trage mich im komfortabel aufbewahrten "Gästebuch" ein, es ist erst der zweite Eintrag seit Januar - vermutlich war der Gipfelbuchkasten solange unter dem Schnee begraben…
 
Da ich noch immer die Hoffnung habe, dass sich die Wolken- bzw. Nebeldecke auflöst oder einige Meter absenkt, lege ich mich auf dem Gipfel gemütlich ins Gras und warte… und warte… immer wieder reissen die Nebelschwaden zwar kurz auf und geben BLAUEN HIMMEL frei, doch Sekunden später zieht sich der undurchsichtige, graue Vorhang wieder zusammen. Wenigstens vermag mich die nur durch eine hauchdünne Wolkenschicht über mir getrennte Sonne ordentlich zu wärmen, zudem ist es vollkommen windstill, so dass die Gipfelsiesta richtig gemütlich ist. Doch irgendwann sollte ich ja schon auch mal wieder aufbrechen. Und dann, nach über 1,5 h Warten wird meine Geduld doch noch belohnt: Als ich schon nicht mehr damit rechne und bereits alles für den Abstieg parat gemacht habe, kommt plötzlich starker Wind auf und bringt die Chose in Bewegung! In Sekundenschnelle reissen die Nebelschwaden über mir auseinander und die Wolkendecke senkt sich ca. 100 Hm, so dass ich augenblicklich über einem gigantischen Nebelmeer in eine fantastische Gipfelwelt unter blauem Himmel blicke. Ich geniesse diese spektakulären Momente, auf die ich so lange gewartet habe und schiebe meinen Abstieg noch ein wenig auf. Dieser gestaltet sich dann überaus angenehm, kann ich doch auf gut tragendem Schnee gelenkschonend und direkt (was im dichten Nebel ohne Orientierung nicht möglich gewesen wäre) via Steinersäss zu P. 1438 des Wanderwegs Richtung Hinterspina absteigen bzw. abrutschen. Von dort auf dem markierten, steilen Bergweg hinunter nach Mels-Heiligkreuz. Die Begehung des Fahrwegs zwischen Hinterspina und Rütiguet könnte etwas früher in der Saison möglicherweise heikel sein: Im Tschuggawald wird eine breite Runse durchquert, das Gelände fällt hier sehr steil ab - aktuell ist entlang des Abgrunds ein fussbreiter, schneefreier Durchlass - anderenfalls müsste der sehr steile Schneehang gequert werden, was bei ungünstigen Schneeverhältnissen ohne entsprechende Ausrüstung evtl. heikel sein könnte.
 
Der Bergweg von Hinterspina nach Mels-Heiligkreuz ist -abgesehen von einigen entwurzelten Bäumen, die den Weg etwas versperren- derzeit gut zu begehen. Da ich noch Zeit bis zur Abfahrt des nächsten Zuges habe, laufe ich noch entlang schön blühender Bäume und Wiesen bis nach cff logo Sargans.

Tourengänger: marmotta


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