Weglos über die Westlichen Sihltaler


Publiziert von Tobi , 22. November 2012 um 22:31.

Region: Welt » Schweiz » Schwyz
Tour Datum:17 November 2012
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SZ   Westliche Sihltaler Alpen   Nördliche Muotataler Alpen 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1750 m
Abstieg: 1850 m
Strecke:18km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Hoch-Ybrig, Talst. Weglosen
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Unteriberg, Herti

Unter dem Nebelmeer mit nur sporadischer Sicht in die verschneiten Innerschweizer Berge habe ich das Gefühl, dass die alpine Wandersaison leider schon vorbei sei. Doch der *Bericht von Bergamotte weckt mich wieder aus diesem Irrglauben. In den Voralpen sind noch alpine Touren möglich, also nichts wie los zu den Westlichen Sihltalern!
 
Ein wegloser Wandertag startet man am besten in Weglosen (1035m). Für diesen Kalauer tiefsten Niveaus möchte ich mich sogleich entschuldigen, nun kann das Niveau des Berichts nur noch steigen. Wie auch der blau-weiss markierte und hübsch angelegte Bergweg über die Leitern. Dieser bringt meinen Puls, meine Betriebstemperatur und vor allem mich innert kürzester Zeit in die Höhe. Eine gute Stunde später stehe ich bei der Druesberghütte (1582m) vor verschlossenen Türen. Statt Kaffee und Nussgipfel nehme ich notgedrungen ohne Zwischenhalt den ersten richtigen Gipfel in Angriff.
 
Den Twäriberg (2117m) erklimme ich direkt über die steile Nordwestflanke. Diese ist durchgängig schneebedeckt, meist aber nur ein knöcheltiefes Schäumchen aus verwehtem Pulverschnee über den aperen Weiden. Oben laden die wärmenden Sonnenstrahlen zu einer Pause ein. Nach dem Eintrag im süssen Gipfelbuch - erinnert eher an das Poesiealbum eines neunjährigen Mädchens – steige ich auf den Trittspuren des Normalweges zum Sattel ab und rasant weiter über den guten Trittschnee nach Osten.
 
In diesem steilen Abstieg über die Flanke wie auch dem folgenden Aufstieg zum Rütistein (2025m) leisten die Gamaschen gute Dienste. Es ist immer noch zu früh für die Mittagsrast, also direkt weiter zum Pfannenstöckli (1855m).
 
Der Bug des Schülberges zieht mich magisch an, so unbezwingbar er aus dieser Perspektive auch erscheint. Doch wo Steilgras da ein Weg! Schon die wenigen Höhenmeter zum Pt 1894 – den ich spontan Chli Schülberg taufe – geben einen Vorgeschmack auf das Folgende: Die Überschreitung der Schülbergzähne – ebenfalls eine intuitive Namensgebung meinerseits. Diese Zacken sind wirklich T6 vom Feinsten. Nur „ziemlich ausgesetzt“, aber dafür umso brüchiger. Kein Felsen, nur geschichteter Schiefer. Griffe und Tritte sind sorgfältig zu prüfen. So halte ich im Abklettern vom letzten Zahn plötzlich einen Stapel Schieferplatten in der Hand.
 
Aus der Nähe legt sich die Ostwand des Schülberg (1930m) doch noch minimal zurück. Sie bleibt aber dennoch eine steile Grasflanke, die in der T6-Liga mitspielt. Zum Schluss wird die direkte Route fast senkrecht. Diese Stelle lässt sich aber wohl rechts umgehen (T6 statt T6+). Nach diesem Adrenalinschub gönne ich mir auf dem Gipfel eine Mittagspause.
 
Das Nachmittagsprogramm führt mich zunächst nach Norden. Beim Pt 1869 beginne ich mit dem Abstieg Richtung Hinterofen. Doch weder dieser Ofen noch die Sonne wärmen diese Flanke, sie ist pickelhart gefroren. Die Bergschuhe können sich nur wenige Millimeter in den Untergrund beissen. Und ehe ich mich versehe, rutsche ich auch schon ab. Zum Glück in relativ harmlosem Gelände, das gegen unten sanft auslaufen würde. Etwa nach sieben bangen Metern kann ich endlich bremsen. Ich trage nur Schäden kosmetischer Natur davon: ein abgebrochener Fingernagel, der dem Bremsmanöver nicht standhielt.
 
Auch den Fidisberg (1919m) besteige ich direkt von Süden kommend über die Ostflanke. Hier ist der Untergrund gut besonnt und mir deshalb wohl gesonnen. Eigentlich möchte ich vom Gipfel wieder direkt nach Norden absteigen. Doch von oben kann ich nicht die gesamte Flanke einsehen, nur eine Felsstufe erahnen. So lasse ich diesen schattigen – und deshalb wohl ebenfalls durchgefrorenen – Hang rechts liegen und folge der Kante nach Westen. Aber entlang der ganzen Kante lässt sich keine wirkliche Schwachstelle finden.
 
Dieses Ausweichmanöver lässt mich etliche Höhenmeter verlieren und ungeplant weit nach Westen abdriften. So beschliesse ich – da schon so nahe – der Totenplangg (1767m) einen Besuch abzustatten. Ein hübsches Aussichtsplateau mit einem kleinen Picknickplatz am Nordrand.
 
Die „verlorenen“ Höhenmeter sind im Aufstieg zum Wannenstock (1851m) schnell wieder wett gemacht. Von hier sehe ich auch, dass ein direkter Abstieg vom Fidisberg nach Norden durchaus möglich gewesen wäre. Das dies vom Wannenstock nach Osten gilt, ist hingegen auch von hier oben ohne Probleme zu beurteilen. So erreiche ich in Direttissima den Wanderweg und folge diesem zur Abwechslung bis zur Alp Ober Weid.
 
Nach einem kurzen Abstecher zum Farenstock (1640m) kann ich bei der Alp meine inzwischen leere Wasserflasche füllen. Flüssigkeitsmässig wäre der weitere Verlauf der Tour gerettet. Für meinen Rückweg habe ich geplant, über den Leiterenstollen und via Nordostgrat den Biet zu überschreiten. Doch dafür scheinen die Bedingungen wohl nicht ideal zu sein. Auf eine T6-Tour mit IIIer-Kletterstellen in vermutlich gefrorenem Gelände habe ich nach meiner heutigen negativen Erfahrung mit solchen Voraussetzungen keine grosse Lust mehr. Ein Ausrutscher dort würde mit Bestimmtheit fataler oder gar finaler verlaufen…
 
So gebe ich mich mit dem Chalberstöckli (1584m) zufrieden – immerhin eine Hikr-Erstbesteigung! Von dieser Aussichtskanzel quere ich direkt zur Tierfäderenegg (1431m) und unspektakulär auf der Fahrstrasse weiter zum Stock (1600m).
 
Schwache Trittspuren führen vom Stock in die steile Ostflanke. Am besten hält man sich nahe an die Felswand und erreicht so wieder den Grat nach Nordosten. Sobald dieser jäh abbricht, steht man beim Gipfelkreuz des Nollen (1547m). Spektakuläre Tiefblicke sind hier garantiert.
 
Nahe an der Gratkante entlang kämpfe ich mich durchs Geäste, ehe ich die mit Seilen gesicherte Schwachstelle im Felsriegel erreiche. Weiter dem Grat entlang zur Alp Ober Schrot. Ich folge für einmal wieder brav dem markierten Weg – und verpasse prompt den Abzweiger. Erst bei der Alp Unter Schrot bemerke ich, dass mein letztes Gipfelziel nicht am erwarteten Platz steht. Es dauert einige Zeit bis ich meinen inneren Kompass neu justiert habe. Quer durch den Wald erreiche ich den richtigen Waldrand. Diesem folgend kann ich den Charenstock (1228m) nicht mehr verfehlen.
 
Entlang des anderen Waldrandes finde ich sicher wieder zurück auf den Wanderweg und auf diesem retour in die Zivilisation. In Unteriberg - Stöcken soll mich das Postauto wieder zur Karre in Weglosen bringen. Die erste Konsultation des Fahrplans ergibt, dass mir bis zum letzten Bus noch eine Viertelstunde für einen schnellen Espresso bleibt. Doch der zweite Blick offenbart, dass ich mir dafür den ganzen Abend Zeit nehmen könnte, da diese Verbindung nur gilt, falls die Seilbahn in Weglosen fährt. Zum Glück sind die Schwyzer ein nettes Völkchen: Der erste Autofahrer hält wegen meines gestreckten Daumens an und fährt mich – obwohl er sein Ziel schon viel früher erreicht hätte – bis zuhinterst ins Tal nach Weglosen.
 
 
Fazit: Ein Traumtag über dem Nebelmeer. Die alpine Wandersaison ist zumindest in den Voralpen zum Glück noch nicht vorbei. Und dass die Tour statt über den Leiterenstollen/Biet über eher unbedeutendere Gipfel (dafür quantitativ mehr) ihren Abschluss fand, ist auch nicht weiter tragisch. Diese Überschreitung ist für sich schon eine Reise ins hintere Sihltal wert. Vielleicht im nächsten Jahr – mit Einstieg über die Leiterenstollen-Nordwand. Für dieses Projekt lässt sich sicher ein Hikr zur Begleitung überreden, auch wenn die Legföhren nur in homöopathischen Dosen anzutreffen sind…
 

Tourengänger: Tobi


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Kommentare (6)


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Tobi hat gesagt: RE:Ein Gipfel weniger...
Gesendet am 24. November 2012 um 16:54
Das ist der in der Druesberghütte verwehrte Nussgipfel, ansonsten wäre Gleichstand!

Gruss Tobi

Delta Pro hat gesagt: Schülberg
Gesendet am 23. November 2012 um 07:11
Hatte mir diesen Weg zum Schülberg schon einige Male angeschaut, aber ihn immer als unmöglch abgestempelt. Für mich bleibt das wohl auch so. Du hast ihn aber geknackt - Gratulation!
Gruss Delta

Tobi hat gesagt: RE:Schülberg
Gesendet am 24. November 2012 um 17:00
Danke für die Gratulation. Die steile Grasflanke hat mich an das Nünalphorn vom Sunnigberg her erinnert. Auch diese sieht aus der Ferne furchteinflössend aus, erst aus der Nähe legt sich dann die Steilheit etwas.

Gruss Tobi

chrismo77 hat gesagt: Schülberg SE...
Gesendet am 30. November 2012 um 08:20
...verruckte Cheib ;-)
Gruess

Tobi hat gesagt: RE:Schülberg SE...
Gesendet am 1. Dezember 2012 um 10:51
Das nehme ich jetzt als Kompliment an... ;-)

Gruss Tobi


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