Mount Meru


Publiziert von schimi , 10. Januar 2013 um 08:53.

Region: Welt » Tansania
Tour Datum:22 September 2012
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Wegpunkte:
Geo-Tags: EAT 
Zeitbedarf: 4 Tage

22.9.2012
Anreise
Der Tag beginnt für uns heute um 2:45 Uhr. Wenn unser Wecker um diese Zeit klingelt, möchte ich am liebsten an einem anderen Ort sein, wo Ruhe ist. Erst mal bin ich schlecht gelaunt (extrem schlecht für meine Verhältnisse!). Aber es nutzt ja nichts. Wer was erleben möchte, muss aus der Kiste; und wer weit weg will muss auch mal früh raus.

Wir fliegen von Stuttgart über Amsterdam nach Tansania zum Kilimanjaro Airport, der zwischen Arusha, der Stadt südlich des Mount Meru und Moshi der Stadt südlich des Kilimanjaro liegt.

Nach einem ruhigen Flug kommen wir am Abend bei Dunkelheit am Kilimanjaro International Airport an. Als wir vom Flugzeug in die Dunkelheit hinaustreten ist es sehr warm. Wärmer als wir es in Mitteleuropa bei Dunkelheit je haben (ich schätze knapp über 25° C). Die Zollformalitäten verlaufen so, wie es für solche Länder allgemein angenommen wird. Man nimmt sich eine halbe Stunde Zeit, gefühlt eine Ganze. Man reicht 50 Dollar über den Tresen, es wird gestempelt hier und es wird gestempelt dort, und was immer gleich ist: man weiß nie, ob man in der richtigen Schlange steht. Aber allen anderen geht das auch so.

Anders war hingegen, dass wir gleich gefragt wurden, welchem Fußball-Club man angehört. Man kann dort eigentlich nicht sagen, dass man kein Fußballfan ist. Es wäre fast so, als würde man nackt mit dem Rucksack auf dem Rücken an der Zollkontrolle anstehen. Wir amüsieren und, während die halbe Einwanderungsbehörde mit einem Auge am Fernseher klebt, wo gerade die deutsche Fußball-Bundesliga läuft. Das hier gerade 350 Leute vom Flieger ausgespuckt wurden kümmert die wenigsten.

Pole pole!
Das erste Wort, dass wir lernen. Langsam langsam!
Die Leute hier sind freundlich und unaufdringlich. Alles geht seinen Gang, kein Chaos, aber man muss sich die notwendige Zeit nehmen; pole pole eben.

Der Transfer zur Meru Simba Lodge am Fuße des Mount Meru dauert ca. eine dreiviertel Stunde, wobei die afrikanische und die europäische Zeitrechnung nahezu gleich sind. An der Lodge werden wir mit einem kühlen Saft empfangen. Der tut uns allen sehr gut.

Wenn es auch schon seit ein paar Stunden dunkel ist, werden wir nach dem Einräumen der Nachtlager noch ein Abendessen bekommen. Das Bier zum Essen ist gut. Es gibt 5 Sorten in Tansania. Fürs Erste probieren wir natürlich das Kilimanjaro-Bier.


23.9.2012
Aufstieg zur Miriakamba Hut
Das merken wir als Erstes. Hier läuft es nicht so, wie bei einer Bergtour zu Hause. Frühstück um 8; und das an einem Tag wo man zu einem 4000er aufbricht. Wir sind pünktlich, die anderen 12 unserer Gruppe auch. Das Servicepersonal ist nett und auch pünktlich. Aber erst einmal bewegt sich trotzdem nichts. Nach einer Weile kommt ein Kellner und bringt ganz pole pole einen Saft. Einige Minuten später kommt auch Kaffee und Tee dazu sowie ein gemischter Obstteller für jeden. So sind wir erst einmal versorgt. Dann kommen noch weitere (so die üblichen) Frühstücksutensilien dazu und zuletzt werden wir auch nach den Eiern gefragt. Die werden frisch zubereitet und zwar nach allen Rezepten, die die Welt kennt, man muss nur wissen, wie das Rezept auf englisch heißt.

Um 10 sind wir schon fertig mit dem Frühstück, und der Bus ist pünktlich. Wir haben ca. eine Stunde Fahrt zum Ausgangspunkt unserer Tour auf den Mount Meru vor uns. Nein, die schöne Lodge liegt direkt am Tor zum Nationalpark, der den Meru in der Mitte hat. Aber unsere Tour startet am gegenüberliegenden Gate, dem Momella Gate. Bei der Einfahrt zum Nationalpark am Ngongongare Gate, wird erst einmal geparkt. Wir steigen aus und schauen uns um. Die Sicht auf unser erstes Ziel, den 4562 Meter hohen Mount Meru ist heute Morgen fast frei von Wolken und hinterlässt bei uns einen soliden Eindruck. Staunend stehen wir am Berg und schauen kleinlaut, fast demütig, auf den riesigen Felsklotz. Da sollen wir in weniger als drei Tagen oben stehen?


Mount Meru in Wolken, und trotzdem Respekt einflößend. Rechts davon der Little Meru. In der Senke dazwischen liegt die Saddle Hut, in der wir übermorgen Nächtigen werden.



Nur kurz haben wir Zeit um uns Gedanken zu machen, denn wir treffen jetzt auf unsere Träger und Guides, die uns die Besteigung des Berges erleichtern werden. Hier bekommen wir auch unsere Lunch-Pakete, eine unförmige quadratische Pappschachtel, die unten schon etwas fettig ist vom teils gebratenen Inhalt. Nicht wirklich praktisch, um es in einem Rucksack unterzubringen. Drinnen in der Box ein Hühnerteil, eine Riesenhamburger bestehend aus Brötchen und Mega-Fleischklos, zwei Minibananen, Zum Nachtisch ein Muffin.


Der Lunchpaket-Klassiker nur der Verdauungsschnaps war nicht drin.


Die Fahrt durch den Park ist schon mal interessant. Wir sehen gleich die ersten Büffel, Antilopen, Zebras und vor allem Affen. Am anderen Gate am Parkende machen wir Bekanntschaft mit "DEM BUCH". Denn an jedem Parkeingang gibt es eine Schranke ein Haus einen Angestellten (oder auch 10) und vor allem "DAS BUCH". Hier darf man immer alles eintragen, was der Pass über eine Person zu erzählen weiß und noch manches mehr; nur das Geburtsgewicht, dafür gibt es im Buch noch keine Spalte.

Gut; nach einer Stunde können wir mit der Bergtour beginnen, weil alle ihren Lebenslauf ins Buch geschrieben haben. Es ist mittlerweile halb zwei, wie wir noch lernen werden eine gute Zeit, für den Beginn einer großen Tour in Afrika. Wir werden von Sunday begleitet, einem jungen Ranger der seine Waffe vom vorletzten Jahrhundert leger umgehängt hat und doch immer aufmerksam in die Büsche schaut, während wir unsere Tour beginnen.

Es ist sehr warm, fast schon heiß. Das Gelände ist trotz hohem Buschwerk und kleiner Bäume sonnig. Sunday geht vorne und sehr pole pole. Sobald jemand dreißig Zentimeter vor ihm ist sagt er, was die Leute hier immer so sagen...


Pole pole




Und er hat Recht. Wer lange bei Frühstück sitzt, dann eine Stunde im Bus, dann eine Stunde beim Buch verbringt, der sollte in der Mittagszeit ohne Schatten langsam gehen. Aber im Ernst. Obwohl ich mich zurückhalte und mir das Klima etwas zu schaffen macht, kann ich fast nicht so langsam wie Sunday. Ich muss das noch etwas üben.

Nach einer halben Stunde nimmt das ebene Gelände ganz allmählich ein Ende und es geht leicht bergan. Überhaupt hat man vom Auto eigentlich fast schon den Verlauf des ersten Tages überblickt. Das Gelände ist eine riesige schiefe Ebene, die sich sacht 1000 Höhenmeter nach oben zieht, ohne das es größere Unebenheiten zu sehen gebe. Einzig der Urwald bedeckt den Boden und so können wir nichts genaues erkennen.

Recht schnell sind wir im Urwald untergetaucht. Die Landschaft ist nicht spektakulär, aber es ist auch nicht langweilig. Es geht auf breitem Weg bergan und es wird langsam etwas steiler. Allerdings nie so steil, dass es anstrengend wäre. Nach einer Weile geht es endlich rechts vom großen Weg ab, wie sich später herausstellte eine landschaftlich schöne Abkürzung in Richtung Gipfel. Schön nach 20 Minuten sind wir wieder auf dem Fahrweg und nach einer weiteren halben Stunde kommen wir an das erste landschaftliche Highlight. "The Arched Figtree" der geteilte Feigenbaum. Ein riesiger Ficus, durch den man mit dem Auto fahren könnte (wenn man eins hätte). Ein guten Platz um unser Lunchpaket zu überfallen.


Der riesige geteilte Ficus. Klar, dass man den Weg da hindurch führt!




Noch immer ist das Gelände nur zart ansteigend. Wir kommen in etwas offeneres Gelände, und unsere Guides stellen uns Giraffen in Aussicht. Ich kann es eigentlich nicht so recht glauben, dass uns so etwas hier begegnen soll. Aber auf einmal schaut ein Hals aus dem Dickicht zu uns herüber. Die Entfernung ist so groß, dass sich das Tier nicht aus der Ruhe bringen lässt. Es glotzt zu uns herüber, während wir ganz verzückt zurückglotzen und hektisch an unseren Digicams rumschrauben um einen Schnappschuss zu bekommen.

Prima, wenn man sechs Meter groß ist, da kann man an den vier Meter hohen Büschen die zartesten Knospen knabbern.


Garantierte Übersicht in allen Lebenslagen!



Ein wundervoller Pausenplatz wird uns etwas weiter oben noch kredenzt. Eine herrliche von Urwald umgebene Wiese, eben, mit festem kurzem und dichtem Gras. Ideal um zu liegen! Dazu ein kleiner Wasserfall, mit einem Bachlauf. Wir lassen uns nieder und genießen den Platz – leider nur für ein paar Minuten. Da bläst unser Guide schon wieder zum Abmarsch. Muss das sein?


Ein herrliches Pausenplätzchen. Leider haben wir uns nur zu einer kleinen Pause niedergelassen.




Gegen 18:30 Uhr wir es am Äquator in dieser Gegend dunkel. Also gut, wir gehen mit. Wir haben noch einen recht langen Weg vor uns; und es ist schon spät. So ist es, wenn man zwei Stunden am Frühstückstisch sitzt. Um 16:30 Uhr, also zwei Stunden vor dem Dunkel werden, haben wir im Urwald schon den Eindruck, dass die "Blaue Stunde" unmittelbar bevorsteht. Nur vereinzelt sehen wir die Nachmittagssonne, die uns anzeigt, dass es noch nicht dunkel wird.


Bisweilen dringt kaum noch Licht bis zu uns durch



In einer Höhe von ca. 2500 Meter treten wir hinaus aus dem Urwald. wir kommen auf eine fast ebene Anhöhe, die am hinteren Ende steil mit einer Felswand abschließt. Die Steilwand ist mit reichlich Moosen, Farnen, Flechten und anderen Feuchtigkeit liebenden Pflanzen bewachsen. Die Hütte können wir noch nicht sehen, obwohl wir nach dem Sonnenstand schon alle mit ihr gerechnet hatten.


Als wir aus dem Regenwald kommen ist es schon kurz vor dem Dunkel werden.



Da wir auch schon die Hüttenhöhe erreicht haben, vermute ich, dass wir am Ende der Ebene auf unsere Unterkunft treffen würden. Die Vermutung war aber nicht ganz richtig. Als wir auf die Felswand zugehen, knickt der Weg irgendwann nach rechts ab, und verliert dann auch noch an Höhe. Unerhört! Der Weg zieht sich noch einige Minuten leicht abfallend entlang, bis wir endlich die grünen Dächer der Miriakamba Hut sehen.

Die Hütte ist mittlerweile zu einem Hüttenkomplex angewachsen mit mehreren Übernachtungshäusern, Kochräumen und einem Haus wo alle Gruppen gemeinsam essen. Die Häuser sind so ausgerichtet, dass sich ein Innenhof ergibt, der als Marktplatz seine Dienste tut.

Hinweis am Rande: Für die Anhänger des flüssigen Goldes; es gibt dort oben Bier zu kaufen, das allerdings 5 Dollar kostet. Als Gegenleistung bekommt man nicht nur das Getränk, sondern auch die Gewissheit, dass es von einem Träger und nicht von einem Auto oder Helikopter hier hoch befördert wurde. Das Essen ist gut und reichlich, die Getränkekarte ist allerdings etwas eingeschränkt. Kaffee, (pech)schwarzer Tee, heißes Wasser (alles inklusive), oder eben Bier.

Wir schlafen zu zweit in einem Vierbettzimmer und genießen die Ruhe und den Platz, den wir haben.


24.10.2012
Aufstieg zur Saddle Hut und zum Little Meru
Der heutige Tag ist fürs Erste geprägt durch lichten Regenwald und viele Treppenstufen.




Wir haben erst gar nicht angefangen die Stufen zu zählen!



Es mögen an die Tausend oder mehr sein. Sicher hat sie auch schon einer gezählt; ich nicht. Ich konzentriere mich auf das langsame und gleichmäßige Gehen, sind wir doch auch und vor allem aus Gründen der Akklimatisierung hier. Nach einer ganzen Weile haben wir auch mal wieder Sicht auf unseren Gipfel. Im immer spärlicheren Bewuchs sehen wir immer mehr blühende Blumen. Sehr viele kennen wir aus unseren Blumenläden. Auch ein etwa handtellergroßes Chamäleon sehen wir am Wegesrand ein echtes Highlight auf dieser Tour!


Der Kleine passt locker auf einen Handteller
. Aber im "Braunen" ist er trotzdem nicht zu übersehen!



Die Bäume werden spärlicher, und es geht noch einige Zeit durch Buschwerk und eine reiche baumlose Landschaft aus Büschen, Gräsern, Blumen, Moosen und Flechten. Die Saddle Hut erreichen wir um die Mittagszeit. Nach einer kurzen Pause wird uns das Mittagessen kredenzt. Es ist wie immer reichlich und schmackhaft. Nach einer weiteren Ruhepause machen wir uns auf, den Little Meru als Kombination aus Nachmittagsspaziergang und Akklimatisierung zu besteigen.

Der Aufstieg ist auch hier technisch einfach, und wir geben uns alle sichtbar Mühe, nicht zu schnell zu gehen. Wir erreichen den Gipfel, der in der Grasregion liegt, mit ruhigem Schritt in etwa eineinhalb Stunden. In der Nachmittagssonne genießen wir den Ausblick aus 3800 Meter auf die Savanne und den Mount Meru, unser Ziel für den morgigen Tag. Nach den obligatorischen Gipfelzeremonien (Gruß, Küsschen, Foto... ) lassen wir noch etwas die Sonne auf uns wirken, bevor wir den Abstieg zu unserem Lager antreten.


Ausblick vom Little Meru auf die Saddle Hut und den Mount Meru; unser Ziel für morgen



Nach dem Abendessen geht es nicht mehr allzu lange, bis wir in unseren Hütten verschwinden. Wecken ist um Mitternacht. Ein Uhr soll Abmarsch sein.


25.10.2012
Sandsturm und Fettreserven
Pünktlich, eine Stunde nach Mitternacht geht es nach draußen. Das Frühstück war eigentlich keines. Kaffee, schwarzer Tee, Ingwerkekse. Für mein Geschmack ist das nicht unbedingt ausreichend, um einen Aufstieg von ca. sechs Stunden zu bewältigen. Vorsorglich stecken wir drei kleine Energieriegel ein – wir haben ja Vollpension. Aber da falle ich einem Kommunikationsmissverständnis zum Opfer. Aber dazu später mehr.



Der Weg ist zunächst flach, einfach
und ohne Stolperfallen



Die ersten Minuten geht es weitestgehend flach auf einem breiten und staubigen Weg durch die Nacht. Einige der Teilnehmer gehen ohne Stirnlampe; unsere Guides sowieso, und so kann ich mich schnell an die Dunkelheit gewöhnen und mein Lichtlein auch aus lassen. Mein Vordermann hat seine Lampe an, das reicht mir auf dem einfachen Weg locker und ich kann die Nachtstimmung in Ruhe auf mich wirken lassen. Auch als es dann nach oben geht, bleibt der Weg mindestens ein Meter breit, von guter Qualität und auch nicht steil.

Erst nach einer (gefühlten) guten Stunde, kommen wir an die erste Stelle, an der wir den Sandweg hinter uns lassen und auf einen Untergrund aus losem Geröll stoßen. Der Weg wird hier nun auch steiler, und erinnert in der Nacht an einen "Weg im Gebirge". Hier schalte ich aus Sicherheitsgründen nun auch meine Lampe ein, und mein Gehgetriebe schalte ich in der "Bergmodus".

Schwierig zu beschreiben, so eine Nachttour, weil man naturgemäß nichts sieht! Was aber auffällt in der Nacht ist, dass das Gestein überaus griffig daherkommt. Der Mond ist gerade am Untergehen. Wir haben die Region in der viel Loses auf dem Weg liegt nun hinter und gelassen und steigen über einen Felsriegel, auf dem kaum Steine oder gar Sand liegen, auf. Ich fühle mich sehr sicher und wohl in diesem Gelände.

Es wird flacher und flacher, wir kommen auf einem fast ebenen Rücken, denn ich sehe nach beiden Seiten im Schein der Lampe hinunter. Wir sind am Rhino Point auf 3860 Meter, einem flachen Plateau. Ich freue mich, dass es mal so etwas wie eine Orientierung gibt, bin aber zugleich auch etwas frustriert, dass wir noch so niedrig sind. Es ist lausig kalt und sehr windig, kein Mensch müsste eigentlich hier sein und schon gar nicht um diese Uhrzeit. Es gibt einen kurzen Fotostopp, und schon geht es weiter.


Fotostopp am Rhino Point auf 3800 Meter.



Wir gehen nun über einen Grat, der nicht sehr scharf und steil ist, aber des Nachts nur mit Stirnlampe bewaffnet scharf aussieht. Der Weg bleibt eine gute Wegspur und das Gelände fällt nach links und rechts nicht so steil ab, dass der "Wandersmann" Angst bekommen würde. Trotzdem ist es einigermaßen seltsam, weil es stockdunkel ist und man nicht sieht, wie weit es hinab geht. Der Mond hat uns gerade hinter dem Horizont verlassen. Wir gehen langsam und konzentriert, und das Gestein ist wieder sehr rutschfest. Nach wenigen Metern (geschätzt 30 oder 40) ist der Grat schon zu Ende. Der Weg wird wieder breiter und das Gelände zunächst auch wieder flach. Wir gehen durch eine kleine Senke.

Wenig später kommt eine nächste kleine Hürde. Unsere Route quert eine schräg liegende Lavazone, die vollkommen frei von losem Gestein ist. Die Steilheit ist für mich noch sicher beherrschbar. Die extreme Griffigkeit der erstarrten Lava gibt mir zusätzlich Sicherheit. Nur die Dunkelheit ist halt für manchen ein bisschen schwierig. Ein paar wenige Stellen sind so steil, dass man die Hände zur Unterstützung heran nimmt, jedoch bleibt es immer einfach und alle kommen gut über diese Stellen hinüber.

Unsere Route bekommt nun eine Sandauflage. Wir gehen fast "strandlike" in einem 5-10 cm hohen Sandbett. Zum Glück ist es nicht so steil, dass wir bei jedem Schritt wieder zurück rutschen auf unserem Weg; die Steigung hält sich in erträglichen Werten. Es kommt aber ein anderes viel unangenehmeres Problem auf. Der Wind fegt über den Berg und produziert einen unangenehmen Sandsturm, der uns durchaus ernsthaft zu schaffen macht. Wir können nicht orten, woher der Sand kommt, er prasselt scheinbar aus allen Richtungen auf uns ein und dringt in alle Ritzen.

Unser Weg läuft nun auf dem Bergrücken, oder nur ein bis zwei Meter unter diesem, und so kommen wir in den vollen Genuss der Elemente. Sonnenbrille ist schwierig bei Nacht. Skibrille ist leider zu Hause und wartet auf den Winter (wie dumm; aber wer rechnet schon mit einem Sandsturm). Wir nehmen eine Hand vor die Augen und Nase und schauen durch einen Spalt nach unten auf den spärlichen Schein der Lampe vor unseren Beinen. Ich hasse das Bergsteigen und versuche mich möglichst effektiv zu schützen und vorwärts zu kommen. Ohne dass ich ein Wort sage, schafft es der Sandsturm trotzdem mir kleinste Sandpartikel in den Mund zu befördern. Nach wenigen Minuten bemerke ich ein knirschen zwischen den Zähnen. Ich kann es selbst kaum glauben, aber es ist so. Das mag in etwa eine halbe Stunde so gegangen sein. Dann war der Spuk so plötzlich vorbei, wie er gekommen war.

Ich schaue immer wenn es die Gegebenheiten zulassen an den östlichen Nachthimmel, ob er sich nicht gnädig erhellen möge. Irgendwann bin ich erhört worden und ich sehe die ersten Konturen in der Nacht. Nun sehen wir auch vor uns die Berggestalt im Schwarz auftauchen. Ich sehe eindeutig einen Gipfel vor mir, der innerhalb weniger Minuten deutlicher wird und mir nun endlich eine Aufstiegsperspektive bietet. Der Blick nach unten in südliche Richtung und direkt an unserem Berg vorbei fällt nun auf Arusha, das noch fast völlig im Dunkeln liegt. Es ist wolkenlos, und so sehe ich die spärliche elektrische Beleuchtung der nächtlichen Stadt aus schon beeindruckender Höhe.

Schnell kommen wir dem Gipfel näher, und schnell wird mir klar, dass es eine "Fata Morgana", also nur ein Vorgipfel sein kann. Hinter diesem auf etwa 4300 Meter wird es flach. Unsere Marschrichtung, die zu Beginn nach Südwesten verlief hat sich in südliche Richtung eingependelt. In dieser flachen Region wechseln wir nun die Bergseite. Hinter dem "Scheingipfel" geht der Weg von der westlichen Seite auf die östliche. Hurra! Dort geht jetzt gleich die Sonne auf.


Endlich wird es hell! Der Kilimanjaro zeichnet sich dezent am Horizont ab.



Die Sonne geht gerade auf, als wir auf dieser Seite sind, und der Wind ist auch nicht mehr so penetrant, da über uns eine Felswand einen natürlichen Windschatten bietet. Wir genießen die Minuten auf dieser Bergseite, bevor wir leider wieder in die Schattenflanke wechseln müssen. Dafür sehen wir jetzt den echten Gipfel, der noch eine gute Stunde über uns liegt. Jetzt schlägt aber das Kommunikationsproblem bei mir auf. Die Tage zuvor hat es immer eine sehr reichliche Marschverpflegung gegeben. Wir sind jetzt gut sechs Stunden unterwegs und meine fünf Ingwerkekse von heute Nacht ein Uhr sind "verstoffwechselt". Auch zehre ich schon eine Weile an meiner Fettreserve, wobei man das von außen leider nicht so schnell sieht... Ich muss mir bei einem Mitwanderer ein paar Kekse schnorren, um nicht total einzugehen. Aber mit Hilfe derer und etwas warmem Wasser komme ich dann auch wohlbehalten am Gipfel an.


Am Gipfel ist es kalt, windig und ungemütlich



Dort ist es frostig und sehr windig. Wir verweilen nicht all zulange auf dem kalten Gipfel; nach den üblichen Zeremonien treten wir zügig den Rückweg an. Jetzt endlich ist es auch ganz und gar Tag geworden. Wir sehen im Abstieg nun das gesamte Ausmaß dieses riesigen Vulkans. Der Gipfelaufbau besteht aus grobem Blockwerk und festem Fels, der ein sicheres und zügiges Auf- und Absteigen ermöglicht, sofern man noch ein paar Kalorien im Köcher hat.


Beim Abstieg sehen wir erstmals den Berg



Schnell sind wir wieder an der ostseitigen und sonnigen Flachstelle, die wir nur ganz langsam passieren. Jeden Sonnenstrahl saugen wir in uns auf, einige bleiben auch ein Weile stehen und genießen hier noch einmal den Blick in die Tiefe. Der Blick in den Vulkan ist hier sehr schön, man kann von hier auch direkt in den inneren Ascheschlot sehen, der erst sehr viel später entstanden ist.


Blick in den Innenkrater
, der um 1880 durch einen kleineren Ausbruch entstand


Etwas weiter unten sehen wir nun auch den Grund für den gehassten Sandsturm. Der Weg zieht sich über weite Strecken auf dem Bergrücken oder in unmittelbarer Nähe dessen entlang. Die andere Seite des Vulkans besteht zu einem großen Teil aus losem Gestein und Sand, der bei kräftigem Wind über den Rücken geblasen wird.


Sandsturm droht!



Leute nehmt eure Skibrille mit, solchen Wind gibt es hier bestimmt nicht nur wenn wir da sind!



Der weitere Abstieg ist wenig spektakulär. Inzwischen ist geklärt, dass es in der Saddle Hut etwas zu essen gibt. Wir sind müde und hungrig. Beim hinunter Schlurfen durch den Sand denke ich noch, dass man den kleinen Gegenanstieg hinauf auf den Rhino Point doch sicher einfach umgehen könnte. Aber es kommt natürlich anders. Wir gehen genau auf der Aufstiegsroute und nehmen also auch hier noch die Höhenmeter des Gegenanstiegs (60-80 hm) mit. Schön ist der Weg in diesem Bereich schon. Wir können nun auf die schräg liegenden Lavaströme blicken und den kleinen Lavagrat. Beide hatten in der Nacht ja etwas Unheimliches an sich. Am Tage entpuppen sie sich als einfache Wegstrecken, die uns beim Gehen Freude bereiten.


Der nächtliche Grat entpuppt sich bei Tage als leicht zu gehender Weg



Am Ende des Weges bis zur Hütte bleibt uns noch der flache Hatscher von einer knappen halben Stunde, die sich elendig dahinzieht. Die letzte Stunde ist dermaßen staubig, dass wir zu jedem anderen Menschen versuchen einen möglichst großen Abstand zu halten. Auch bei vorsichtigem Gehen zieht jeder eine schreckliche Staubfahne hinter sich her.

In der Hütte dann eine halbe Stunde Ruhe, danach ein kräftiges Mittagessen. Wenig später sind wir alle schon wieder gut drauf. Wir haben noch etwa zwei Stunden Abstieg vor uns. Diese ziehen sich dann auch noch gewaltig in die Länge. Wir erreichen die Miriakamba Hütte nach insgesamt 12 Stunden und weiteren 1000 Stufen im Abstieg und sind dann Müde.



26.10.2012
Abstieg
Der Rest ist schnell erzählt. Im Aufstieg hatten wir eine flache weitere Route gewählt, die in großen Teilen auch von einem Allradfahrzeug befahren werden könnte. Dies war streckenweise weniger spannend, aber es gab trotz dem breiten Weg ja doch einiges zu sehen. Hinab gehen wir auf dem Weg der Träger. Er ist etwas steiler und kürzer. Landschaftlich ist er auch noch schöner und interessanter; und vor allem ist er schmal und erfüllt so schon mehr oder weniger automatisch meine Ansprüche an einen schönen Weg.


Auf dem Weg der Träger zurück nach unten



Regenwaldpassagen und steppenartige Wiesen sehen wir. Fast unten angekommen blicken wir die letzten 200 Höhenmeter hinab auf die flachen Wiesen des Nationalparks, wo viele Tiere grasen. Eine halbe Stunde später sind wir dort unten. Nun kommt auch endlich der Auftritt unseres treuen Rangers Sunday, der immer mit seinem Gewehr vorneweg gegangen ist, um uns vor wilden Tieren zu schützen. Jetzt geht er wieder vorne weg und führt und zu einer großen Herde Wasserbüffel, der wir uns erstaunlich weit nähern dürfen, ohne dass die Tiere von uns Notiz nehmen würden. Als das erste Tier den Kopf zu uns dreht, wird Sunday langsam und bleibt schließlich stehen. Wir haben einige Zeit uns die Tiere in Ruhe anzusehen. Wir sehen auch einige Wildschweine, große Vögel und weitere Wildtiere.


Sunday führt uns nahe an die Wasserbüffel



Von hier sind es nur noch ein paar Minuten, bis wir wieder zu der Hütte kommen, wo das legendäre Buch ausliegt. Hier dürfen wir uns wieder austragen (wieder mit dem halben Lebenslauf). Danach gibt es noch ein letztes Mal ein Lunchpaket, der Bus wartet schon. Der Abschied fällt kurz aus, denn wir sehen uns in zwei Tagen wieder, am Kilimanjaro (denn es war ja NUR eine Tour zum Akklimatisieren).

Tourengänger: schimi


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Kommentare (2)


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Sputnik Pro hat gesagt: Mont Meru
Gesendet am 10. Januar 2013 um 10:24
Hallo Schimi,

Sehr schöne Bilder hast du vom Meru gemacht, gratuliere! Bin schon gespannt auf den Bericht vom Kili, den Meru hast du ja sehr toll beschrieben.

Gruss, Sputnik

schimi hat gesagt: RE:Mont Meru
Gesendet am 10. Januar 2013 um 16:45
Danke Sputnik.
Kilimanjaro folgt demnächst...


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