Aguille d´Entreves

Tag 3 unserer Hochtourenwoche. Eigentlich stand die Tour Ronde auf dem Plan, aber da wir die schon letztes Jahr gemacht haben, schlug uns unserer Bergführer Sebi vor, doch stattdessen  die Überschreitung der Aiguille d´Entreves zu wagen. Die Schlüsselstelle sei eine V+, doch bis jetzt habe er noch jeden da rüber gebracht. Gut, V+ ist schon ein Wort. Eigentlich habe ich noch nie einen V-er geklettert, aber es gibt ja immer ein erstes Mal...

Nach einem etwas trostlosen Frühstück (Turiner Hütte!) stehen wir um kurz nach fünf auf dem Gletscher und seilen uns an. Es geht zunächst gemächlich entlang der großen Spur in Richtung Aiguille du Midi rund um den Grand Flambeau. Weiter Richtung Süden folgen wir der Spur in den großen Kessel unter der Brenvaflanke des Mont Blanc-Massivs. Zunächst etwas abwärts um einigen großen Spalten aus dem Weg zu gehen, führt die Spur schließlich wieder aufwärts unter die Tour Ronde. Wir folgen der Spur bis zum Col Freshfield, dem Sattel zwischen der Tour Ronde und der Aiguille d´Entreves. Unter dieser machen wir eine kurze Rastpause, ziehen uns die Steigeisen aus und machen uns fertig zum Klettern.

Los gehts: Die ersten Meter gehen wir etwas östlich des Grates auf der italienischen Seite. Die Kletterei ist hier durchweg angenehm; zwar etwas luftig, aber nie schwerer als II-III. Nach etwa 250 Streckenmetern ändert sich die Charakteristik der Tour. Der Grat wird deutlich schmaler und mündet in einer ziemlich scharfen und ausgesetzten Schneide, die sich etwa 200 m waagerecht hinzieht und in einem luftigen Gipfelturm endet. Im Aufschwung zu diesem Turm befindet sich auch die Schlüsselstelle. Ich muss zugegeben, daß mich bei diesem Anblick ein wenig der Mut verließ. Nach einem kurzen, nervösen Anfall kam ich mir dann doch ein wenig albern vor. Gut, vor der eigenen Frau und in Beisein eines Bergführers wollte ich mir dann doch nicht die Blöße geben es nicht wenigstens zu Probieren. Also los.

Mit etwas zittrigen Knien meinerseits machen wir uns auf den Weg. Zunächst kommt eine kurze Abseilstelle entlang eines 5 m hohen Kamins. Nun entlang tasten wir uns den messerscharfen Grat entlang mit Kletterei, die eigentlich nicht schwerer als III ist, dem Turm entgegen. Als wir ihn nach 3 oder 4 Seillängen erreichen, merke ich wie ich innerlich ruhiger geworden bin und das ganze Spielchen anfange durchaus zu genießen. Nebelfetzen, die uns heute morgen begleitet haben, machen sich aus dem Staub. In der warmen Vormittagssonne klettern wir am warmen, festen Fels hoch über dem Gletscher. Tief unter uns liegt das grüne Tal von Entreves und Courmayeur.
An der Schlüsselstelle hat sich schon ein kleiner Stau gebildet. Als wir an der Reihe sind, turnt unser Bergführer souverän den Felsturm hoch. Das Ganze sieht bei ihm wie ein Kinderspiel aus. Ist es dann wider Erwarten dann doch nicht. Von einer schmalen Plattform gilt es, sich einen 5 m hohen griff- und trittarmen Spalt hoch zu ziehen. Schließlich benutzen wir dann doch die vorhandene Trittschlinge um uns irgendwie hier hoch,zu wuchten. Egal. Jetzt folgen noch ein paar sehr luftige Meter und wir erreichen den winzigen Gipfel. Eine Welle der Euphorie durchflutet meinen Kopf. Wahnsinn!

Lange bleiben wir hier nicht. Nun seilen wir mehrere Seillängen entlang eines Risssystems ab, bis wir wieder den Gletscher erreichen. Wir durchqueren eine kleine Senke und entscheiden uns noch den kleinen Nachbargipfel der Aiguille du Toule mitzunehmen. Hierzu klettern wir am linken Rand durch eine kurze Firnwand (60 hm vielleicht 45°). Anschließend folgt ein kurzer Firngrat, der direkt auf das geräumige Gipfelplateau leitet. Hier machen wir eine ausgedehnte Mittagspause.

Wir steigen schließlich über den unschwierigen Blockgrat nach Norden ab und erreichen über den Gletscher wieder die Turiner Hütte.