Noch immer liegt in höheren Lagen viel Schnee, weshalb es mir fern liegt, meine Tourenskis bereits im Keller zu versorgen. Der Piz Ravetsch geisterte mir schon länger im Kopf herum, doch irgendwie lief mir langsam die Zeit davon. Für Freitag war nun bestes Wetter angesagt und weil sich leider kein Tourenpartner finden liess, ging's mal wieder alleine los.
Nach getaner Arbeit gelangte ich mit dem letzten Zug auf den Oberalppass. Im T-Shirt fuhr ich nach Milez hinunter. Weiter oben in den Plauncas Cunflegl zu traversieren lag mir fern, denn dort kam schon einiges an Schnee runter. Kurz vor Milez fellte ich an, lief an den Hütten vorbei und hoch Richtung Trutg Nurschalas. Drei Markierungsstangen wiesen den Weg, doch dann war sozusagen Ende der Stangen. Weiter oben stiess ich danach auf einen Haufen Stangen, die bereits eingesammelt wurden, was ich irgendwie nicht nachvollziehen kann.
Wie auch immer... der Zustieg zur Maighelshütte war auch ohne die Stangen keine grosse Sache. Nie wurde es wirklich steil und bald erreichte ich die Ebene bei Plidutscha. Danach ging's – mal abgesehen von einem kurzen Intermezzo Richtung Osten – hauptsächlich in südlicher Richtung weiter. Erst beim Lai Urlaun rückte die Camona da Maighels ins Blickfeld. Der kurze Aufstieg zur Hütte war nur noch Formsache. Vom Oberalppass aus benötigte ich 1h 15min für den Zustieg.
Den gemütlichen Winterraum hatte ich für mich alleine und nach einem Süppchen war bald mal Nachtruhe angesagt, denn ich wollte einigermassen früh los, um spätestens um 9 Uhr auf dem Piz Ravetsch oder dem Piz Borel einzutreffen. Nebenbei bemerkt: Irgendwie mag ich die Zwischensaison, den so lässt sich's in den SAC-Hütten gut und tief schlafen.
Kurz vor 6 Uhr startete ich am nächsten Morgen bei der Hütte. Ich versuchte die Skis möglichst weit ins Val Maighels gleiten zu lassen, was einigermassen gelang. Die Schneedecke war – entgegen meinen Befürchtungen – gefroren und praktisch im ganzen Aufstieg tragend. Zunächst folgte ich der Route aus der Skitourenkarte, wich dann aber bald mal etwas davon ab, indem ich früher bergan zu steigen begann als eingezeichnet. So musste ich etwas weniger Weg zurücklegen und vor allem konnte ich mir so die Abfahrtsroute anschauen, denn auf dem Rückweg galt es fahrend möglichst weit Richtung Maighelshütte zu gelangen, bevor's auf Fellen weiterging.
Noch immer im Schatten erreichte ich den Glatscher da Maighels, welcher tiptop eingeschneit war. Im Kessel unterhalb von Piz Borel und Piz Ravetsch wurde es zunehmend steiler. Die Harscheisen liess ich im Rucksack, doch sie rechtzeitig zu montieren wäre sicherlich nicht falsch gewesen. Kurz vor der Lücke bei P. 2927 entschloss ich mich, die letzten paar steilen Höhenmeter mit aufgebundenen Skis zu bewältigen. Im Nachhinein ein zweifelhafter Entscheid, denn der Spass wurde ziemlich anstrengend, da ich tiefer einsank als erwartet.
In der Lücke deponierte ich die Skis und knöpfte mir den Piz Borel vor. Bereits nach wenigen Schritten sah ich ein erstes Fixseil, danach folgten weitere. Sie zur Hilfe zu nehmen war aber nirgends nötig. Auf dem Grat angekommen fand ich es dann doch noch ratsam, die Steigeisen auszupacken. Es wäre wohl auch ohne nicht schlecht gegangen, doch irgendwie fühlte ich mich so sicherer. Und sowieso: bin ich alleine unterwegs, bin ich noch etwas vorsichtiger als sonst.
Kurz vor dem letzten Gipfelaufschwung galt es ein paar Meter in eine Lücke abzuklettern. Auch an dieser Stelle war ein Fixseil montiert. Um 8 Uhr, also etwas mehr als zwei Stunden nach Aufbruch in der Camona da Maighels, stand ich auf meinem ersten Tagesziel, dem Piz Borel. Als Belohnung gab's – wie immer – Kaffee aus der Thermosflasche. Der Blick zum Piz Ravetsch liess mich zunehmend daran zweifeln, ob ich auch diesen Gipfel schaffen würde. Der Grat schaute schon ziemlich happig und steil aus und ich fragte mich, ob die Sache halt doch eine Nummer zu gross für mich war. Einen Versuch wagen wollte ich aber auf jeden Fall.
Vorerst ging's zurück zum Skidepot in der Lücke. Da die Südostflanke des Piz Ravetsch schon längst in der Sonne war, beschloss ich die Finger davon zu lassen und immer schön auf dem Grat zu bleiben. Und siehe da: die stille Hoffnung, dass die Sache nicht so happig werden würde wie es den Anschein machte, erfüllte sich. Jedenfalls fühlte ich mich nirgends auf dem Grat unsicher und die Bedingungen waren relativ gut: Teils aper zwischen den Felsblöcken, manchmal vereist und oft guter Trittschnee. Nur ganz selten wich ich kurz in die Flanke aus.
Die Kraxelei wurde zunehmend zum Genuss und das Gipfelkreuz rückte immer näher. Kurz nach 9 Uhr, ziemlich genau 40 Minuten nach Abmarsch auf dem Piz Borel, tat ich die letzten Schritte auf dem verwechteten Gipfelgrat des Piz Ravetsch. Herrlich...!
Lange verweilte ich nicht auf dem Gipfel, denn der Wind blies etwas ungemütlich. Nach einem problemlosen Abstieg machte ich in der Lücke nochmals Pause und sah zwei Tourengänger den Piz Borel besteigen. Die Abfahrt über den Gletscher war ein absoluter Genuss in bestem Schnee. Weiter unten gab's besten Sulz und ich folgte mehr oder weniger meiner Aufstiegsroute, so dass ich auf der Ebene beim Stavel da Maighels wieder anfellen musste.
Zur Camona da Maighels war's zum Glück nicht mehr weit, denn hier war der Schnee nun bereits sehr nass. Nachdem ich ein paar deponierte Sachen geholt hatte, fuhr ich von der Hütte hinunter nach Milez. Ich hatte keine Lust, 200hm zum Oberalppass hoch zu laufen und visierte den Bahnhof in Tschamut an. Nur fragte ich mich, ob der Schnee wohl weit genug reichen würde. Und er tat es bis zur Brücke kurz nach P. 1629 tatsächlich, auch wenn ich hin und wieder die Skis kurz schultern und den Restschnee etwas suchen musste. In Sandalen und Shorts stieg ich dann in etwa einer Viertelstunde zum Bahnhof Tschamut-Selva hoch, wo mich kurz darauf der Zug schluckte...
Und natürlich wurde auch diese Skitour mit einem Bad im heimischen Vierwaldstättersee abgerundet...
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