Kilimanjaro - Machame Route
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Warum der Regenwald seinen Namen verdient (1. Tag)
Ich hasse ihn. Hasse hasse hasse ihn. Den Regenwald, der heute seinem Namen wieder voll gerecht wird. Wörtlich „bedröppelt“ stehe ich am Machame Gate und warte bis meine Crew die Formalitäten erledigt hat. Und das sind viele. Jeder Gast muss einen kleinen Lebenslauf mit sämtlichen privaten Daten in ein Buch eintragen, und zwar jeden Tag. Warum, das wird das Geheimnis der Nationalparkverwaltung bleiben.
Irgendwann geht es doch los. 4h und 1200Hm in gemächlichem Tempo durch den Regenwald. Unsere Gruppe besteht aus 3 Trägern meinem Ex-Guide Orest, der jetzt als Koch dabei ist, Manase als Guide (genannt Alfred, weil er „Gemma langsam“ auf deutsch sagen kann) und mir als einzigem Gast. Ich habe die Tour ja selbst organisiert, daher das überschaubare Team. Fand ich am Anfang etwas ungewohnt, im Nachhinein aber eine tolle Erfahrung, da man so viel mehr mit den Afrikanern in Kontakt kommt. Nun mag man sich fragen, was ich alles dabei hatte, dass ich 3 Träger brauchte. Nun, für viele Afrikaner ist dies die einzige Einnahmequelle. Und um möglichst viele Leute zu beschäftigen und da das Gewicht beschränkt ist wird allerhand „unabdingbare Ausrüstung“ mitgenommen. Beispielsweise Kerzenhalter und Salzstreuer, gerne aus Metall. Hätten wir das nicht dabei gehabt wären wir wohl nie auf den Berg gekommen... Da kommt man schon etwas ins grinsen, gewieft die Leute. So braucht's halt einen Träger mehr. Ich hab aber eher geschmunzelt als mich geärgert…
Das Machame Camp lag weit vertreut im vernebelten Heideland. Schnell waren 2 Zelte aufgebaut. Eins für mich und ein etwa doppelt so großes für meine Crew, dass nicht nur den fünfen als Schlafplatz diente, sondern auch als Küche. Warum sie zu fünft dichtgequetscht im Zelt lagen hab ich erst am letzten Tag erfahren: Zwei Träger besaßen keinen Schlafsack!
Über die Baumgrenze (2. Tag)
Mein Daunenschlafsack war klatschnass. So wie vieles andere meiner Ausrüstung auch. Mist. Aber heute ging es endlich über den Nebel und damit ergab sich ein Hoffnungsschimmer darauf, dass ich alles wieder trocken bekam. Eine Halbtagesetappe mit nur 800Hm lag vor uns. Ich bestand trotz allem auf einem sehr gemächlichen „Pole“, sodass wir mit vielen Pausen 5h brauchten. Orest und Manase tauften mich daraufhin „Mzungu pole pole“, der „Langsame Weiße“.
Auf 3300m war dann auch endlich Schluss mit Regen und Nebel und der Kili wurde zum ersten Mal sichtbar. Der Rest des Tages diente dem Trocknen der nassen Sachen und dem Staunen über die fantastische Landschaft. Während einer kleinen Nachmittagswanderung sorgte ich auch gleich noch für Verwirrung bei den Afrikanern. Träger und Führer anderer Gruppen hielten mich aufgrund meiner Jacke (Adidas Fußball Jacke in Deutschland-Look) für einen Nationalspieler. Größentechnisch kam eigentlich nur Per Mertesacker in Frage. Alle Versuche diese Tatsache zu bestreiten scheiterten. Im Nu umringten mich Kameras. In mein Schicksal gefügt erfreute ich alle mit einem breiten Grinsen auf dem Erinnerungsfoto. Das Sommermärchen 2006 hatte seine Arme offenbar bis in die afrikanische Provinz ausgestreckt...
Konditionstest (3. Tag)
Bei recht stürmischem Wetter starteten wir früh zur dritten Etappe. Zunächst aufwärts bis direkt an den Gipfelaufbau heran. Der prinzipiell schöne Trekkingtag gestaltete sich unter diesen Umständen als Härtetest. Auch die Stimmung kam nicht richtig in Gang. Daran konnte auch Billy Joel mit seinem Piano Man in den Kopfhörern nichts ändern. Der 4600m hohe Lava-Tower ist das Zwischenziel für die Mittagsrast. Wer mag kann ihn ersteigen, ich mochte nicht. Kräfte sparen. Insgesamt hab ich mich an diesem Tag nicht gut gefühlt und die Nacht darauf sehr schlecht geschlafen.
Das Barranco-Camp liegt wunderschön unter den Gletschern des Gipfelkraters. Und es ist riesig, schneiden sich hier nämlich Shira-, Machame- und Umbwe-Route. Da können schon mal weit über 500 Menschen zusammenkommen. Mit entsprechenden hygienischen Bedingungen rund um das Camp. Nicht nur Fäkalien sind hier allgegenwärtig. Ratten und sonstiges Getier lassen eine wenig heimeliche Atmosphäre entstehen. Aber wem will man sein Handeln verdenken, die Toiletten laden nicht gerade zur Benutzung ein. Einzig das abendliche Farbenspiel hebt das Gemüt. Wenn die untergehende Sonne die Gipfelwand glutrot färbt sind Gerüche und Strapazen schnell vergessen.
Ins letzte Lager (4. Tag)
„After breakfast you’ll have another breakfast.“ Der klassische Spruch der Guides im Barranco-Camp. So begrüßte mich auch Orest zum Frühstück. Er spielte auf die „Breakfast-Wall“ an, eine 400m hohe Wandstufe die man gleich nach dem Frühstück „erklettert“. Klettern muss man aber nicht wirklich, nur ist es das einzige Stück auf dem man die Hände nicht frei hat für die sonst sehr wertvollen Trekkingstöcke. Die 400 Höhenmeter verliert man auch gleich wieder. Meiner Motivation ging es genauso. Steilabstieg ins Karanga-Tal mit sofortigem Wiederaufstieg. Von dort sind es noch 600Hm bis ins Barafu-Camp. Zunächst staunte ich jedoch nicht schlecht, als in meinem Lunch-Paket Pommes-Frites auftauchten. Wie zum Geier haben die Jungs das denn produziert? Schließlich hatten wir keine Friteuse dabei. Nur EINEN Topf. Zumindest erklärte dies den leicht seltsamen Kaffee-Geschmack am Morgen... Aber das Improvisationstalent der Afrikaner ist doch immer wieder herrlich. Letzte Kräfte wurden mobilisiert. Wir haben 7h gebraucht und dieser Tag hat mich ganz schön gebügelt. Mit Kopfschmerzen und dem vollen Programm. Ich hoffte, dass es anderntags besser laufen würde...
Gipfelsturm (5. Tag)
Dass man in 4550m Höhe nicht schlafen kann, kann ich nicht bestätigen. Ich hab VERschlafen. Aufbruch sollte gegen Mitternacht sein. Es ging dann aber erst um 1h los. Mit nur noch leichten Kopfschmerzen suchte ich meinen ganzen Kram zusammen und trottete dann irgendwann Orest und Manase nach. Was mich besonders freute war, dass auch Orest mitkam. Obwohl er kein Guide war. Mit ihm hatte ich mich wirklich ein wenig angefreundet. Wie ging es mir? Um ehrlich zu sein recht mäßig. Wie ungerecht. Die beiden Locals haben während dem Laufen nicht nur permanent geredet, sondern auch eine nach der anderen geraucht. Ich hab dann irgendwann meinen MP3-Player eingeschaltet. So stieg ich unter den Klängen des „Piano man“ von Billy Joel der Lichterprozession nach.
Und die Musik-Kur zeigte Wirkung. Als Letzte gestartet kassierten wir trotz gefühlt sehr langsamen Tempo Gruppe um Gruppe. Und 100m vor dem Stella-Point war es dann endlich soweit. DAS Erlebnis am Kilimanjaro, worüber man soviel liest und worauf man sich so sehr freut: Sonnenaufgang über Afrika. Ein unfassbar spektakuläres Erlebnis. Kräfte werden frei für das letzte Stück. Ab Stella-Point ist es dann nur noch ein halbstündiger Spaziergang zum berühmtesten Schild des Kontinents. „Congratulations, you are now at Uhuru Peak…“. 6 1/2h Aufstieg führten uns auf den Kibo, den höchsten Gipfel des Kilimanjaro-Massivs.
Der Abstieg hat dann trotz „Sand-Surfen“ nochmals einiges an Kraft gekostet, sodass ich im Barafu-Camp erstmal noch 2h schlafen musste/durfte. Danach gab es noch mal zähe 1400Hm bergab zum Mweka-Camp im wunderbaren Regenwald, einige Bier, die die gefühlt 3-fache Wirkung hatten und ein Abend im Zelt der Crew, die mir allerhand über Afrika beibrachten. Insgesamt waren wir 11h unterwegs.
Tag eins reloaded (6. Tag)
„Kilimanjaro mlima mrefu sana.“ Die Crew singt das Kilimanjaro-Lied. Die Einleitung für die Trinkgeld-Zeremonie. Zum letzten Mal wurde die Ausrüstung verpackt und weitere 2h-Regenwald lagen vor uns, die mir heute nicht das geringste ausmachten, ehe der Trip am Mweka Gate zu Ende ging. Zugegeben, die Schlammschlacht ging noch mal an die Substanz. Völlig verdreckt erreichten wir die Vorboten der Zivilisation. Und schon standen die ersten Kinder am Wegesrand, die Schuhe putzen wollten und passgenaue Plastikhüllen für die Urkunden anboten, die jeder Tourist überreicht bekommt. Geschäftstüchtig die Kleinen. Aber auch die allgegenwärtige Bettelei hat hier Einzug gehalten. "White man, give me money" stieß bei mir allerdings auf taube Ohren. Leider verderben rücksichtslose Touristen durch ihre überschwängliche Freude im Gipfelrausch auch hier Preise und Benehmen. Wie sooft sind es wir Westler, die eine Entwicklung begründen, die die Menschen in eine tiefe Abhängigkeit zieht, aus der sie selbst nur schwer herauskommen. Zum Abschluss schenkte mir Orest eine Bananenstaude, wir bekamen die Besteigungs-Urkunden und kehrten noch in einer örtlichen Kneipe ein. Cola und Bier, wohlverdient!
Sechs wunderschöne Tage waren zu Ende und die Dusche danach die beste (und auch nötigste) die ich bis dahin je genommen habe. Ich hatte es geschafft, ich hatte den Kili bestiegen. Wirklich wertvoll wurde diese Reise jedoch erst durch die grandiosen Landschaften in Afrikas Nationalparks, auf Sansibar, und durch die Menschen, die ich kennenlernen durfte. Das Reisen machte das Bergsteigen zum ganzen Erlebnis.
Ein paar Tipps zum Schluss:
- Schaffe ich den Kili? Ja. den Kili kann man schaffen. Eine gewisse Grundfitness kann nicht schaden, immerhin hat der Berg fast 6000m. Durch die (vorgeschriebene) Unterstützung am Berg beschränken sich die Anstrengungen aber auf das laufen (was aber auch reicht ;) ). Das wichtigste ist meiner Meinung nach die „psychische Fitness“. Heißt: Wenn man das ganze locker angeht, also ohne Druck den Gipfel unbedingt erreichen zu müssen, ohne Sorgen im Hinterkopf, ohne zu viele Gedanken wegen etwaigen gesundheitlichen Risiken (z.B. durchs Essen) und das ganze für sich einfach gerne „packen“ möchte, dann hat man gute Chancen.
- Pole pole? Ja. Wird ja immer und überall betont. Langsam gehen, viel trinken, ausreichend Essen erhöht die Gipfelchancen deutlich. Auch wer im Schwarzwald 600Hm die Stunde bolzt wird den Kili so nicht bezwingen. Da reichen auch mal 200Hm/h. Tipp: Heutzutage kann man die Machame-Route auch in 7 Tagen machen, mit einer zusätzliche Nacht im Karanga-Camp (zwischen Barranco und Barafu). Ist erheblich besser für die Akklimatisation, v.a. wenn man vorher nicht den Mount Meru macht.
- Wieviel Trinkgeld soll ich geben? Das bleibt natürlich jedem selbst überlassen. Ich habe 2008 für 5 Leute meines Teams ZUSAMMEN 120$ gegeben. Zudem hab ich die ganze Crew auf ein Getränk eingeladen und jedem ein kleines persönliches Geschenk gemacht. Manche Leute verderben leider im Überschwang des Gipfelerfolgs die Preise (und bei manchen auch die Erwartungen), indem sie mit Geld um sich schmeißen. Richtwert 2008: Guide 60$, Koch 30$, Träger 15$ jeweils für die gesamte Tour.
- Kann man das auch ohne große Kenntnisse vor Ort organisieren oder sollte ich mich einem Reiseveranstalter anschließen? Nun, ohne einem der vielen Reiseveranstalter was böses zu wollen, aber die Preise hier sind schön gesalzen. Ich habe für einen ganzen Monat (inkl. Sansibar) genauso viel bezahlt wie man für eine 9-tägige (!) Tour verschiedener Veranstalter zahlt. Man kann getrost alles vor Ort organisieren. Wer Infos über Unterkünfte, lokale Tour-Operator oder sonstige Tipps möchte, schreibe mir einfach eine Nachricht.
- Und das wichtigste zum Schluss: Es ist eigentlich selbstverständlich, aber ich möchte es trotzdem schreiben, da man gerade am Kili einen Haufen Negativbeispiele sieht. Das Zauberwort heiß WERTSCHÄTZUNG! Nicht selten begegnet man einem reichen Westler, der zwar ordentlich zahlt, aber die Afrikaner dermaßen schlecht behandelt, dass man glaubt, man sei wieder im Jahre 1890. Da fehlt dann nur noch die Sänfte. Was bei den Locals sehr gut ankommt sind ein paar Worte auf Swaheli. Ich hab vorher einige Sachen gelernt. Z.B. ein Sprichwort: Mwenda pole, haji kwai. Das bedeutet frei übersetzt: „Wer langsam geht bricht sich nicht den Fuß.“ Die Afrikaner haben sich kringelig gelacht, dass ich sowas konnte. Und es hat von Anfang ein Klima gegenseitiger Wertschätzung erzeugt und mir während meiner ganzen 1-monatigen Reise so manche Tür geöffnet.
Ich hasse ihn. Hasse hasse hasse ihn. Den Regenwald, der heute seinem Namen wieder voll gerecht wird. Wörtlich „bedröppelt“ stehe ich am Machame Gate und warte bis meine Crew die Formalitäten erledigt hat. Und das sind viele. Jeder Gast muss einen kleinen Lebenslauf mit sämtlichen privaten Daten in ein Buch eintragen, und zwar jeden Tag. Warum, das wird das Geheimnis der Nationalparkverwaltung bleiben.
Irgendwann geht es doch los. 4h und 1200Hm in gemächlichem Tempo durch den Regenwald. Unsere Gruppe besteht aus 3 Trägern meinem Ex-Guide Orest, der jetzt als Koch dabei ist, Manase als Guide (genannt Alfred, weil er „Gemma langsam“ auf deutsch sagen kann) und mir als einzigem Gast. Ich habe die Tour ja selbst organisiert, daher das überschaubare Team. Fand ich am Anfang etwas ungewohnt, im Nachhinein aber eine tolle Erfahrung, da man so viel mehr mit den Afrikanern in Kontakt kommt. Nun mag man sich fragen, was ich alles dabei hatte, dass ich 3 Träger brauchte. Nun, für viele Afrikaner ist dies die einzige Einnahmequelle. Und um möglichst viele Leute zu beschäftigen und da das Gewicht beschränkt ist wird allerhand „unabdingbare Ausrüstung“ mitgenommen. Beispielsweise Kerzenhalter und Salzstreuer, gerne aus Metall. Hätten wir das nicht dabei gehabt wären wir wohl nie auf den Berg gekommen... Da kommt man schon etwas ins grinsen, gewieft die Leute. So braucht's halt einen Träger mehr. Ich hab aber eher geschmunzelt als mich geärgert…
Das Machame Camp lag weit vertreut im vernebelten Heideland. Schnell waren 2 Zelte aufgebaut. Eins für mich und ein etwa doppelt so großes für meine Crew, dass nicht nur den fünfen als Schlafplatz diente, sondern auch als Küche. Warum sie zu fünft dichtgequetscht im Zelt lagen hab ich erst am letzten Tag erfahren: Zwei Träger besaßen keinen Schlafsack!
Über die Baumgrenze (2. Tag)
Mein Daunenschlafsack war klatschnass. So wie vieles andere meiner Ausrüstung auch. Mist. Aber heute ging es endlich über den Nebel und damit ergab sich ein Hoffnungsschimmer darauf, dass ich alles wieder trocken bekam. Eine Halbtagesetappe mit nur 800Hm lag vor uns. Ich bestand trotz allem auf einem sehr gemächlichen „Pole“, sodass wir mit vielen Pausen 5h brauchten. Orest und Manase tauften mich daraufhin „Mzungu pole pole“, der „Langsame Weiße“.
Auf 3300m war dann auch endlich Schluss mit Regen und Nebel und der Kili wurde zum ersten Mal sichtbar. Der Rest des Tages diente dem Trocknen der nassen Sachen und dem Staunen über die fantastische Landschaft. Während einer kleinen Nachmittagswanderung sorgte ich auch gleich noch für Verwirrung bei den Afrikanern. Träger und Führer anderer Gruppen hielten mich aufgrund meiner Jacke (Adidas Fußball Jacke in Deutschland-Look) für einen Nationalspieler. Größentechnisch kam eigentlich nur Per Mertesacker in Frage. Alle Versuche diese Tatsache zu bestreiten scheiterten. Im Nu umringten mich Kameras. In mein Schicksal gefügt erfreute ich alle mit einem breiten Grinsen auf dem Erinnerungsfoto. Das Sommermärchen 2006 hatte seine Arme offenbar bis in die afrikanische Provinz ausgestreckt...
Konditionstest (3. Tag)
Bei recht stürmischem Wetter starteten wir früh zur dritten Etappe. Zunächst aufwärts bis direkt an den Gipfelaufbau heran. Der prinzipiell schöne Trekkingtag gestaltete sich unter diesen Umständen als Härtetest. Auch die Stimmung kam nicht richtig in Gang. Daran konnte auch Billy Joel mit seinem Piano Man in den Kopfhörern nichts ändern. Der 4600m hohe Lava-Tower ist das Zwischenziel für die Mittagsrast. Wer mag kann ihn ersteigen, ich mochte nicht. Kräfte sparen. Insgesamt hab ich mich an diesem Tag nicht gut gefühlt und die Nacht darauf sehr schlecht geschlafen.
Das Barranco-Camp liegt wunderschön unter den Gletschern des Gipfelkraters. Und es ist riesig, schneiden sich hier nämlich Shira-, Machame- und Umbwe-Route. Da können schon mal weit über 500 Menschen zusammenkommen. Mit entsprechenden hygienischen Bedingungen rund um das Camp. Nicht nur Fäkalien sind hier allgegenwärtig. Ratten und sonstiges Getier lassen eine wenig heimeliche Atmosphäre entstehen. Aber wem will man sein Handeln verdenken, die Toiletten laden nicht gerade zur Benutzung ein. Einzig das abendliche Farbenspiel hebt das Gemüt. Wenn die untergehende Sonne die Gipfelwand glutrot färbt sind Gerüche und Strapazen schnell vergessen.
Ins letzte Lager (4. Tag)
„After breakfast you’ll have another breakfast.“ Der klassische Spruch der Guides im Barranco-Camp. So begrüßte mich auch Orest zum Frühstück. Er spielte auf die „Breakfast-Wall“ an, eine 400m hohe Wandstufe die man gleich nach dem Frühstück „erklettert“. Klettern muss man aber nicht wirklich, nur ist es das einzige Stück auf dem man die Hände nicht frei hat für die sonst sehr wertvollen Trekkingstöcke. Die 400 Höhenmeter verliert man auch gleich wieder. Meiner Motivation ging es genauso. Steilabstieg ins Karanga-Tal mit sofortigem Wiederaufstieg. Von dort sind es noch 600Hm bis ins Barafu-Camp. Zunächst staunte ich jedoch nicht schlecht, als in meinem Lunch-Paket Pommes-Frites auftauchten. Wie zum Geier haben die Jungs das denn produziert? Schließlich hatten wir keine Friteuse dabei. Nur EINEN Topf. Zumindest erklärte dies den leicht seltsamen Kaffee-Geschmack am Morgen... Aber das Improvisationstalent der Afrikaner ist doch immer wieder herrlich. Letzte Kräfte wurden mobilisiert. Wir haben 7h gebraucht und dieser Tag hat mich ganz schön gebügelt. Mit Kopfschmerzen und dem vollen Programm. Ich hoffte, dass es anderntags besser laufen würde...
Gipfelsturm (5. Tag)
Dass man in 4550m Höhe nicht schlafen kann, kann ich nicht bestätigen. Ich hab VERschlafen. Aufbruch sollte gegen Mitternacht sein. Es ging dann aber erst um 1h los. Mit nur noch leichten Kopfschmerzen suchte ich meinen ganzen Kram zusammen und trottete dann irgendwann Orest und Manase nach. Was mich besonders freute war, dass auch Orest mitkam. Obwohl er kein Guide war. Mit ihm hatte ich mich wirklich ein wenig angefreundet. Wie ging es mir? Um ehrlich zu sein recht mäßig. Wie ungerecht. Die beiden Locals haben während dem Laufen nicht nur permanent geredet, sondern auch eine nach der anderen geraucht. Ich hab dann irgendwann meinen MP3-Player eingeschaltet. So stieg ich unter den Klängen des „Piano man“ von Billy Joel der Lichterprozession nach.
Und die Musik-Kur zeigte Wirkung. Als Letzte gestartet kassierten wir trotz gefühlt sehr langsamen Tempo Gruppe um Gruppe. Und 100m vor dem Stella-Point war es dann endlich soweit. DAS Erlebnis am Kilimanjaro, worüber man soviel liest und worauf man sich so sehr freut: Sonnenaufgang über Afrika. Ein unfassbar spektakuläres Erlebnis. Kräfte werden frei für das letzte Stück. Ab Stella-Point ist es dann nur noch ein halbstündiger Spaziergang zum berühmtesten Schild des Kontinents. „Congratulations, you are now at Uhuru Peak…“. 6 1/2h Aufstieg führten uns auf den Kibo, den höchsten Gipfel des Kilimanjaro-Massivs.
Der Abstieg hat dann trotz „Sand-Surfen“ nochmals einiges an Kraft gekostet, sodass ich im Barafu-Camp erstmal noch 2h schlafen musste/durfte. Danach gab es noch mal zähe 1400Hm bergab zum Mweka-Camp im wunderbaren Regenwald, einige Bier, die die gefühlt 3-fache Wirkung hatten und ein Abend im Zelt der Crew, die mir allerhand über Afrika beibrachten. Insgesamt waren wir 11h unterwegs.
Tag eins reloaded (6. Tag)
„Kilimanjaro mlima mrefu sana.“ Die Crew singt das Kilimanjaro-Lied. Die Einleitung für die Trinkgeld-Zeremonie. Zum letzten Mal wurde die Ausrüstung verpackt und weitere 2h-Regenwald lagen vor uns, die mir heute nicht das geringste ausmachten, ehe der Trip am Mweka Gate zu Ende ging. Zugegeben, die Schlammschlacht ging noch mal an die Substanz. Völlig verdreckt erreichten wir die Vorboten der Zivilisation. Und schon standen die ersten Kinder am Wegesrand, die Schuhe putzen wollten und passgenaue Plastikhüllen für die Urkunden anboten, die jeder Tourist überreicht bekommt. Geschäftstüchtig die Kleinen. Aber auch die allgegenwärtige Bettelei hat hier Einzug gehalten. "White man, give me money" stieß bei mir allerdings auf taube Ohren. Leider verderben rücksichtslose Touristen durch ihre überschwängliche Freude im Gipfelrausch auch hier Preise und Benehmen. Wie sooft sind es wir Westler, die eine Entwicklung begründen, die die Menschen in eine tiefe Abhängigkeit zieht, aus der sie selbst nur schwer herauskommen. Zum Abschluss schenkte mir Orest eine Bananenstaude, wir bekamen die Besteigungs-Urkunden und kehrten noch in einer örtlichen Kneipe ein. Cola und Bier, wohlverdient!
Sechs wunderschöne Tage waren zu Ende und die Dusche danach die beste (und auch nötigste) die ich bis dahin je genommen habe. Ich hatte es geschafft, ich hatte den Kili bestiegen. Wirklich wertvoll wurde diese Reise jedoch erst durch die grandiosen Landschaften in Afrikas Nationalparks, auf Sansibar, und durch die Menschen, die ich kennenlernen durfte. Das Reisen machte das Bergsteigen zum ganzen Erlebnis.
Ein paar Tipps zum Schluss:
- Schaffe ich den Kili? Ja. den Kili kann man schaffen. Eine gewisse Grundfitness kann nicht schaden, immerhin hat der Berg fast 6000m. Durch die (vorgeschriebene) Unterstützung am Berg beschränken sich die Anstrengungen aber auf das laufen (was aber auch reicht ;) ). Das wichtigste ist meiner Meinung nach die „psychische Fitness“. Heißt: Wenn man das ganze locker angeht, also ohne Druck den Gipfel unbedingt erreichen zu müssen, ohne Sorgen im Hinterkopf, ohne zu viele Gedanken wegen etwaigen gesundheitlichen Risiken (z.B. durchs Essen) und das ganze für sich einfach gerne „packen“ möchte, dann hat man gute Chancen.
- Pole pole? Ja. Wird ja immer und überall betont. Langsam gehen, viel trinken, ausreichend Essen erhöht die Gipfelchancen deutlich. Auch wer im Schwarzwald 600Hm die Stunde bolzt wird den Kili so nicht bezwingen. Da reichen auch mal 200Hm/h. Tipp: Heutzutage kann man die Machame-Route auch in 7 Tagen machen, mit einer zusätzliche Nacht im Karanga-Camp (zwischen Barranco und Barafu). Ist erheblich besser für die Akklimatisation, v.a. wenn man vorher nicht den Mount Meru macht.
- Wieviel Trinkgeld soll ich geben? Das bleibt natürlich jedem selbst überlassen. Ich habe 2008 für 5 Leute meines Teams ZUSAMMEN 120$ gegeben. Zudem hab ich die ganze Crew auf ein Getränk eingeladen und jedem ein kleines persönliches Geschenk gemacht. Manche Leute verderben leider im Überschwang des Gipfelerfolgs die Preise (und bei manchen auch die Erwartungen), indem sie mit Geld um sich schmeißen. Richtwert 2008: Guide 60$, Koch 30$, Träger 15$ jeweils für die gesamte Tour.
- Kann man das auch ohne große Kenntnisse vor Ort organisieren oder sollte ich mich einem Reiseveranstalter anschließen? Nun, ohne einem der vielen Reiseveranstalter was böses zu wollen, aber die Preise hier sind schön gesalzen. Ich habe für einen ganzen Monat (inkl. Sansibar) genauso viel bezahlt wie man für eine 9-tägige (!) Tour verschiedener Veranstalter zahlt. Man kann getrost alles vor Ort organisieren. Wer Infos über Unterkünfte, lokale Tour-Operator oder sonstige Tipps möchte, schreibe mir einfach eine Nachricht.
- Und das wichtigste zum Schluss: Es ist eigentlich selbstverständlich, aber ich möchte es trotzdem schreiben, da man gerade am Kili einen Haufen Negativbeispiele sieht. Das Zauberwort heiß WERTSCHÄTZUNG! Nicht selten begegnet man einem reichen Westler, der zwar ordentlich zahlt, aber die Afrikaner dermaßen schlecht behandelt, dass man glaubt, man sei wieder im Jahre 1890. Da fehlt dann nur noch die Sänfte. Was bei den Locals sehr gut ankommt sind ein paar Worte auf Swaheli. Ich hab vorher einige Sachen gelernt. Z.B. ein Sprichwort: Mwenda pole, haji kwai. Das bedeutet frei übersetzt: „Wer langsam geht bricht sich nicht den Fuß.“ Die Afrikaner haben sich kringelig gelacht, dass ich sowas konnte. Und es hat von Anfang ein Klima gegenseitiger Wertschätzung erzeugt und mir während meiner ganzen 1-monatigen Reise so manche Tür geöffnet.
Tourengänger:
frmat

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