Gran Paradiso


Publiziert von Solanum , 15. Dezember 2011 um 18:24. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Italien » Aostatal
Tour Datum:15 August 2011
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 2100 m
Abstieg: 2100 m

Hochtour bei Nebel und alpinen Verhältnissen auf einen sonst eher leichten Viertausender.
Diesen Sommer näherten wir, d.h. meine Herzallerliebste und ich, uns dem ernsthafteren Bergsteigen. Zum Einstieg nahmen wir an einem geführten Hochtourentraining eines großen, deutschsprachigen Bergreiseanbieters teil, um uns mit der noch unvertrauten Materie "Eis als Wanderuntergrund" bekannt zu machen. Die erste Tour dieses Trainings sollte uns auf den "höchsten Berg Italiens" (laut verschiedenen Prospekten; das Monte Rosa Massiv steht demzufolge halb in der Schweiz, der Mont Blanc laut französischen Quellen gänzlich in Frankreich). Sei´s drum; der Gran Paradiso ist immer noch ein beeindruckender Klotz und da wollten wir jetzt hoch.

Am ersten Tag trafen wir unsere Tourenpartner Claudia und Leo und unseren Bergführer Gerhard an dem vereinbarten Hotel in Villeneuve im Aostatal. Nach einem kurzer Besprechung und einem Mittagssnack setzten wir uns in unsere Autos und versuchten dem recht rasant fahrenden Bergführer auf dem kleinen Bergsträßchen ins Val Vasarenche zu folgen. Manche Fahrmanöver unseres Vordermanns führten zu akuten Schweissausbrüchen. So beschlossen wir demokratisch ein etwas langsameres Tempo anzugehen. Davonfahren würde er uns schon nicht. Schließlich gibt es hier nur die eine Strasse, und die endet am Parkplatz in Pont. Dort angelangt fing es pünktlich an leicht  zu regnen. Hilft ja nichts. Schuhe geschnürt, Rucksack geschultert und los gehts. Doch halt! Die erste Lektion unserer Ausbildung folgte: "Ihr tragt eure Pickel ja wie die Holländer!" , stoppt uns unserer österreichischer Bergführer. Was haben wir falsch gemacht? Gerhard zeigt uns flugs wie man seinen Eispickel gescheit am Rucksack befestigt. Das soll uns nicht noch einmal passieren. In leichtem Nieselregen folgen wir dem Wanderweg über den Bach und beginnen den Aufstieg zum Rifugio Vittorio Emanuele, dem  Basislager vieler Gran-Paradiso-Aspiranten. Wir kennen uns alle noch nicht und beschnuppern uns mit kurzen Schwätzchen. Gleichzeitig sind wir bemüht uns konditionell keine Blöße zu geben und so schlagen wir alle ein recht flottes Tempo an. Der Steig ist zwar sehr komfortabel ausgebaut, dennoch fangen wir bald an gehörig zu schwitzen. Da es mittlerweile aufgehört hat zu regnen, verschwindet die äußerste Bekleidungsschicht im Rucksack. Besonders Leo macht einen fitten Eindruck. Kein Wunder, so kommt er doch gerade von einem einwöchigen Eiskurs (befestigt auch seinen Pickel dementsprechend souverän) und ist gut akklimatisiert. Allmählich erreichen wir die Baumgrenze. Das Gelände legt sich etwas zurück  und man meint, bald müsse man doch die Hütte erreichen. Der schwere Rucksack drückt ganz ungemein auf die Schultern. Oben angekommen wird unser Bergführer unser Equipment durchsehen und verwundert die Hälfte als unnützen Ballast qualifizieren (Heimlich packe ich am Gipfeltag dennoch wieder das meiste davon in meinen Rucksack. Ich muss jedoch zugeben, nichts davon benötigt zu haben. Aber sicher ist sicher!). Vollends zur Qual wird der Aufstieg, als uns ein leichtfüßiger Jogger in Laufshirt und kurzer Hose mit nichts als einer kleinen Flasche  in der Hand überholt. Wider Erwarten erreichen wir dennoch die Hütte. Das Rifugio Vittorio Emanuele ist an aussichtsreicher Lage gelegen. Die berühmte Blechröhrenarchitektur lässt mich Schlimmes erwarten. Erfreulich bequem ist dann unser Zimmer, in dem wir zu viert für die nächsten zwei Tage hausen werden. Mittlerweile scheint die Sonne auf die Terrasse und wir geniessen mit vielen Tagestouristen den Nachmittag. Ich mit einem selbstgebastelten Radler. Nach dem Abendessen passen wir noch fix unsere Steigeisen an und besprechen den kommenden Tag. Um 5 Uhr soll es schließlich los gehen. Hoffen wir, daß das Wetter passt. Ein kleines Zwischenhoch soll -möglicherweise- die grauen Wolken, die wieder aufgezogen sind,  vertreiben.

Um halb 5 klingelt unbarmherzig der Wecker. Kurze Katzenwäsche und wir stehen im Frühstückssaal. Nach einem großen Tee und einer Scheibe Brot machen wir uns fertig. Unter schummriger Beleuchtung durch unsere Stirnlampen folgen wir Gerhard durch ein größeres Blockfeld, das sich in nordöstlicher Richtung um einen dem Gran Paradiso vorgelagerten Bergrücken zieht. Nach Querung des Blockfeldes erreichen wir ein kleines Hochtal, das sich hinter dem genannten Bergrücken befindet. Ursprünglich befand sich hier einmal der Gletscher, über den der Normalaufstieg erfolgte. Mittlerweile hat sich der Gletscher weit zurückgezogen. Im ersten Morgengrauen folgen wir den spärlichen Markierungen und Steigspuren über beeindruckende Gletscherschliffe bis wir schließlich weit oben, deutlich über 3000 Meter, das untere Ende des Gletschers erreichen. Kurze Rast, es ist mittlerweile leidlich hell. Leider ist der Himmel immer noch wolkenverhangen und der Gipfel ist gänzlich unsichtbar.

Das Gletscherende ist -typisch für einen Gletscher im Rückzug-  sehr flach und fasert in verschiedene Schneefelder aus. Wir ziehen unsere Steigeisen an und binden uns ins Seil. Der erste Aufschwung des Gletschers ist dieses Jahr auch direkt die "Schlüsselstelle." Der Aufschwung ist ca. 30° steil und schon komplett aper. Nach den ersten nervösen Schritten im Blankeis, ein Jahr nachdem ich das letzte mal auf Steigeisen gestanden habe, bekomme ich langsam mehr Zutrauen. Ich entkrampfe mich ein wenig und stapfe schon ein wenig sicherer auf dem glatten Untergrund. Weiter oben ist der Gletscher dann wieder schneebedeckt. Verschiedene Flachpassagen wechseln sich mit kurzen Aufschwüngen ab. Wir passieren etwa nach einer halben Stunde die Wolkenuntergrenze. Die Obergrenze werden wir leider nicht mehr durchstoßen. Mittlerweile weht ein ruppiger Wind und es fängt an zu schneien. Es wird richtig anstrengend und mein noch nicht akklimatisierter Körper bekommt die Höhe zu spüren.  Durch den undurchdringlichen Nebel erwarte ich jeden Moment die bekannten Gipfelfelsen zu erspähen. Doch  jedesmal stellen sich die vermeintlichen Gipfelfelsen als unbedeutende Erhebungen dar. Doch dann erreichen wir eine lange, querverlaufende Spalte - der Bergschrund. Jetzt kann es ja nicht mehr weit sein! Das Gelände steilt merklich auf. Wir überholen eine nur langsam voran kommende Seilschaft, die sich sichtlich abmüht. Wir haben noch etwas Luft und das ist gut für unsere durch den eisigen Wind zerblasene Moral. Wir erreichen den Sockel der Gipfelfelsen und folgen einem Band, das am unteren Rand schräg nach links (in Aufstiegsrichtung) aufwärts führt. In einer Scharte kurz unter dem Madonnengipfel wechseln wir nach rechts auf die andere Bergseite. In dem Moment, wo ich frei stehe und mich nicht mehr an einer Seite festhalte wird mir kurz schwindelig. Nicht wegen der Ausgesetztheit, nein die Höhe macht mir zu schaffen. Ich spüre auch schon einen leichten Druck hinter meiner Stirn. Egal, die letzten Meter bis zum Gipfel werde ich schon noch schaffen. Recht luftig traversieren wir hinter einem Felsturm auf eine Platte. Nun folgen noch ein paar Schritte und wir stehen oben bei der Madonna! Was für ein Gefühl! Raues Bergwetter, Sichtweite 10 Meter, Wind und Schneefall... Nach den obligatorischen Gipfelfotos machen wir uns an den systematischen Rückzug. Unterhalb der Gipfelfelsen treffen wir wieder auf die Seilschaft von vorhin. Sie sind mittlerweile auch auf dem Rückweg. Wow, damit sind wir heute wahrscheinlich die einzigen, die es heute auf den Gipfel geschafft haben. Auch nicht schlecht. Obwohl, Sonnenschein wär mir dann doch lieber gewesen. Wir folgen unserer Aufstiegsroute wieder bergab bis an den Fuss des Gletschers. Mittlerweile fühle ich entweder durch den Wind oder durch die Höhe hervorgerufen ein unangenehmes Pochen hinter der Stirn und ich bin froh am nachmittag wieder die Hütte zu erreichen. Nachdem ich mir eine Ibuprofen reingepfiffen und ordentlich getrunken habe, verschwindet das Kopfweh langsam wieder. Wir machen es uns auf der Terrasse des Rifugio gemütlich. Mittlerweile scheint wieder die Sonne auf uns herab als könnte sie kein Wässerchen trüben. Auch der Bergjogger kommt  wieder leichtfüßig den Pfad von Punt herrauf getrabt. Mit einem weiteren Radler stoßen wir auf unsere tolle Bergtour an.

Wir erholen uns noch eine Nacht von der Strapaze. Am nächsten Morgen verlassen wir die Hütte und marschieren runter ins Tal zu unseren Autos. Weiter gehts nach Courmayeur am Fuss des Mont Blanc...


PS: Die Bilder sind teilweise durcheinander.

Tourengänger: Solanum, Loori


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